Die Story des Films von Rachid Bouchareb ist leicht erzählt. Der Polizistenmörder
William Garnett (Forest Whitaker) wird nach 18 Jahren Haft auf
Bewährung aus dem Gefängnis entlassen. Er hat sein Leben geändert,
ist Muslim geworden und möchte nun ein friedliches und normales
Leben führen. Und genau so wirkt er auch – ein ruhiger,
nachdenklicher und frommer Mann. So wird er zurück in die kleine
Stadt geschickt, aus der er kam, erhält ein schäbiges Zimmer und
eine Menge Auflagen von seiner Bewährungshelferin. Er findet einen
Job, bald auch eine Freundin und tut überhaupt sein Bestes, um sich
tatsächlich zu bewähren. Aber es soll nicht sein.
Friedrichstadtpalast, Berlin-Mitte, 2014. |
“This is our home.“ –
Der Sheriff (Harvey Keitel), immer noch derselbe, dessen Untergebenen
Garnett damals ermordet hat, will schützen, was ihm wertvoll ist.
Die Bewährung mag vor dem Staat gelten, nicht aber vor ihm.
Folgerichtig zertrampelt er alle Versuche des Entlassenen, für sich
ein neues Leben aufzubauen und im Ort Heimat zu finden.
Wie viel
Heimat gesteht der Mächtige dem Machtlosen zu?
Der Neuanfänger erhält jedenfalls keine Chance, so sehr er sich auch bemüht. Seine Vergangenheit wird er nicht los, trotz aller Sühne im Gefängnis, trotz aller Unterstützung durch die Frau an seiner Seite, trotz aller Hilfeversuche seitens der Bewährungshelferin.
Der Neuanfänger erhält jedenfalls keine Chance, so sehr er sich auch bemüht. Seine Vergangenheit wird er nicht los, trotz aller Sühne im Gefängnis, trotz aller Unterstützung durch die Frau an seiner Seite, trotz aller Hilfeversuche seitens der Bewährungshelferin.
Da ist keine Vergebung, keine Heimat. Er ist ein Einwanderer aus der unerwünschten Außenwelt, der zwar den richtigen Pass hat, aber die falsche Vorgeschichte.
Jean Améry findet in seinem Aufsatz „Wieviel Heimat braucht der Mensch?“ eine Sprache dafür: „Heimat ist, reduziert auf den positiv-psychologischen Grundgehalt des Begriffs, Sicherheit.“1
Gerade diese wird Garnett
nicht gewährt. Er will einen neuen Anfang setzen und wird dabei die
ganze Zeit beobachtet, schikaniert und gedemütigt. Kaum unternimmt
er den ersten Besuch bei der Freundin, fährt der Sheriff vor. Hat
dieser den selbsternannten Grenzschützern, die illegale Einwanderer
abfangen, noch mitgegeben, dass das Gesetz nicht durch Gesetzesbruch
geschützt werden kann, tut er selbst nicht dergleichen und
verunsichert, wo er kann. Auch beim Arbeitgeber wird er vorstellig
und macht klar, dass dieser Mann in seinen Augen keinen Platz am Ort
hat.
Die weiteren Ausführungen
Amérys passen sich hier über die Zeiten und Räume hinweg nahtlos
ein: „Es läßt sich, was der Mensch an Heimat nötig hat, nicht
quantifizieren. Und doch ist man gerade in diesen Tagen, da die
Heimat an Reputation verliert, stark versucht, die bloß rhetorische
Frage zu beantworten und zu sagen: Er braucht viel Heimat, mehr
jedenfalls, als eine Welt von Beheimateten, deren ganzer Stolz ein
kosmopolitischer Ferienspaß ist, sich träumen läßt. [...] Es ist
nicht gut, keine Heimat zu haben.“2
Leider zeigt der Film
nicht nur anhand des wiederkehrenden Anblicks der Grenzmauer zwischen
den USA und Mexiko, dass trotzdem kein Ort für den Protagonisten
ist. Nicht jedem gönnt der Sheriff die von ihm während einer Rede
hochgehaltenen Ideale von „Life, Liberty and the pursuit of
Happiness“.
Für den Übeltäter ist
einfach keine Heimat vorgesehen. Darum endet der Film, wie es Leonard
Cohen bildhaft in einem Lied ausdrückt: „And the trees are burning in your
promised land.“
1 J.
Améry, Jenseits von Schuld und Sühne. Bewältigungsversuche eines
Überwältigten. München 1966, 79.
2 Ebd.,
100.