Um etwas weihnachtliches Denken in den
Alltag hinüber zu retten scheint mir der Angelus, das
Zwölf-Uhr-Gebet mancher Christen, eine gute Weise zu sein, um Gottes
In-die-Welt-Kommen auch im eigenen Leben konkret werden zu lassen.
1
"Der Engel des Herrn brachte
Maria die Botschaft" – Das Gebet unterschlägt zwar Marias
kritische Nachfrage, wie denn geschehen solle, dass gerade sie als
junge Frau ohne Ehemann Gottes Heiland zur Welt bringen solle. Aber ausschlaggebend bleibt ihre darauf folgende Zusage, dass sie
Gott dienen wolle und sein Wort und seine Weisung in ihrem Leben
geschehen sollen.
Trümmerfrau-Standbild, Johannisthal, Berlin, 2013. |
Dieses Ja-Sagen zu Gottes Wunsch, dass
wir Menschen bei seinem heilsamen Wirken in der Welt mitmachen, ist
natürlich bisweilen anstrengend und aufreibend.
Außerdem ist nicht immer wirklich
klar, was das denn nun heißt, was Gott genau will – Alfred Delp
fragt nach seiner Verurteilung zum Tod in tiefem Schwanken zwischen
Hoffen und Sich-Ergeben: "Was will der Herrgott mit alledem?
Ist es Erziehung zur ganzen Freiheit und vollen Hingabe? [...] Was
soll ich jetzt tun, ohne untreu zu werden? Soll ich weiter hoffen,
trotz der Aussichtslosigkeit? Ist es Untreue, wenn ich davon ablasse?
Soll ich mich ganz loslassen und die Abschiede vollziehen und mich
ganz auf den Galgen einstellen? Ist es Feigheit oder Trägheit, dies
nicht zu tun und noch zu hoffen?"1
Auch die Orientierung an der Bibel ist
nicht eindeutig – selbst vermeintlich klare biblische Texte müssen
ja einen Weg in unsere Lebenswirklichkeit finden.
"Herr, was sagt mir
dieser Text? Was möchtest du mit dieser Botschaft an meinem Leben
ändern? Was stört mich in diesem Text? Warum interessiert mich das
nicht? - oder: Was gefällt mir, was spornt mich an in diesem Wort?
Was zieht mich an? Warum zieht es mich an?"2
gibt Papst Franziskus den Lesern der Heiligen Schrift als Fragen mit
auf den Weg.
2
"Und das Wort ist Fleisch geworden
– und hat unter uns gewohnt" fahren die Betenden dann,
kurzerhand die neunmonatige Schwangerschaft überspringend, fort.
Nicht bloß menschliche Gedanken und
Pläne werden greifbar in einer Tat, sondern Gottes Wort kommt
in die Welt, seinen Willen und seine Pläne will er
durch uns unter uns wohnen lassen.
Ausschnitt aus den "Moabiter Sonetten" von Albrecht Haushofer im Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit, Berlin, 2014 |
Papst Franziskus hat in "Evangelii
Gaudium" die Motivation für das menschliche Mitwirken schön
benannt: "Was du entdeckt hast, was dir zu leben hilft und
dir Hoffnung gibt, das sollst du den anderen mitteilen." (121)
Das ist die eigentliche Rechtfertigung für Mission. Und so kann Gott heute unter uns wohnen.
Das ist die eigentliche Rechtfertigung für Mission. Und so kann Gott heute unter uns wohnen.
Im gleichen Atemzug weist der Papst auf
die Abhängigkeit der Verkündigung von der jeweiligen Kultur hin,
denn "die Gabe Gottes nimmt Gestalt an in der Kultur dessen,
der sie empfängt." (115)
Gott kann je nach kultureller Vor-Gabe also sehr verschieden wirken und auftreten, bildlich-äußeres Zeugnis davon legen auch die verschiedenen Christusdarstellungen als Vietnamese oder Schwarzafrikaner ab: "Es würde der Logik der Inkarnation nicht gerecht, an ein monokulturelles und eintöniges Christentum zu denken." (117)
Zugleich aber verändert Gott die Welt, in die er eintritt – nicht in Richtung einer äußeren Gleichheit, sondern innerlich: "Wenn eine Gemeinschaft die Verkündigung des Heils aufnimmt, befruchtet der Heilige Geist ihre Kultur mit der verwandelnden Kraft des Evangeliums." (116)
Das Wohnen des göttlichen Wortes unter
uns, wie es im Angelus erinnert wird, soll in je meiner Zeit und in
meinen Zuständen geschehen – und gerade diese wandeln und
erneuern.