Dienstag, 4. Februar 2014

Der Angelus – ein Ruf zur Inkulturation

Um etwas weihnachtliches Denken in den Alltag hinüber zu retten scheint mir der Angelus, das Zwölf-Uhr-Gebet mancher Christen, eine gute Weise zu sein, um Gottes In-die-Welt-Kommen auch im eigenen Leben konkret werden zu lassen.


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"Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft" – Das Gebet unterschlägt zwar Marias kritische Nachfrage, wie denn geschehen solle, dass gerade sie als junge Frau ohne Ehemann Gottes Heiland zur Welt bringen solle. Aber ausschlaggebend bleibt ihre darauf folgende Zusage, dass sie Gott dienen wolle und sein Wort und seine Weisung in ihrem Leben geschehen sollen. 

Trümmerfrau-Standbild, Johannisthal, Berlin, 2013.
Dieses Ja-Sagen zu Gottes Wunsch, dass wir Menschen bei seinem heilsamen Wirken in der Welt mitmachen, ist natürlich bisweilen anstrengend und aufreibend.
Außerdem ist nicht immer wirklich klar, was das denn nun heißt, was Gott genau will – Alfred Delp fragt nach seiner Verurteilung zum Tod in tiefem Schwanken zwischen Hoffen und Sich-Ergeben: "Was will der Herrgott mit alledem? Ist es Erziehung zur ganzen Freiheit und vollen Hingabe? [...] Was soll ich jetzt tun, ohne untreu zu werden? Soll ich weiter hoffen, trotz der Aussichtslosigkeit? Ist es Untreue, wenn ich davon ablasse? Soll ich mich ganz loslassen und die Abschiede vollziehen und mich ganz auf den Galgen einstellen? Ist es Feigheit oder Trägheit, dies nicht zu tun und noch zu hoffen?"1

Auch die Orientierung an der Bibel ist nicht eindeutig – selbst vermeintlich klare biblische Texte müssen ja einen Weg in unsere Lebenswirklichkeit finden.
"Herr, was sagt mir dieser Text? Was möchtest du mit dieser Botschaft an meinem Leben ändern? Was stört mich in diesem Text? Warum interessiert mich das nicht? - oder: Was gefällt mir, was spornt mich an in diesem Wort? Was zieht mich an? Warum zieht es mich an?"2 gibt Papst Franziskus den Lesern der Heiligen Schrift als Fragen mit auf den Weg.

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"Und das Wort ist Fleisch geworden – und hat unter uns gewohnt" fahren die Betenden dann, kurzerhand die neunmonatige Schwangerschaft überspringend, fort. 

Nicht bloß menschliche Gedanken und Pläne werden greifbar in einer Tat, sondern Gottes Wort kommt in die Welt, seinen Willen und seine Pläne will er durch uns unter uns wohnen lassen.

Ausschnitt aus den "Moabiter Sonetten" von Albrecht Haushofer
im Geschichtspark Ehemaliges Zellengefängnis Moabit,
Berlin, 2014
Papst Franziskus hat in "Evangelii Gaudium" die Motivation für das menschliche Mitwirken schön benannt: "Was du entdeckt hast, was dir zu leben hilft und dir Hoffnung gibt, das sollst du den anderen mitteilen." (121)
Das ist die eigentliche Rechtfertigung für Mission. Und so kann Gott heute unter uns wohnen.

Im gleichen Atemzug weist der Papst auf die Abhängigkeit der Verkündigung von der jeweiligen Kultur hin, denn "die Gabe Gottes nimmt Gestalt an in der Kultur dessen, der sie empfängt." (115)

Gott kann je nach kultureller Vor-Gabe also sehr verschieden wirken und auftreten, bildlich-äußeres Zeugnis davon legen auch die verschiedenen Christusdarstellungen als Vietnamese oder Schwarzafrikaner ab: "Es würde der Logik der Inkarnation nicht gerecht, an ein monokulturelles und eintöniges Christentum zu denken." (117)

Zugleich aber verändert Gott die Welt, in die er eintritt – nicht in Richtung einer äußeren Gleichheit, sondern innerlich: "Wenn eine Gemeinschaft die Verkündigung des Heils aufnimmt, befruchtet der Heilige Geist ihre Kultur mit der verwandelnden Kraft des Evangeliums." (116) 
Das Wohnen des göttlichen Wortes unter uns, wie es im Angelus erinnert wird, soll in je meiner Zeit und in meinen Zuständen geschehen – und gerade diese wandeln und erneuern.




1   A. Delp, Kassiber. Aus der Haftanstalt Berlin-Tegel. Frankfurt. a.M. 1987, 97.
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   Papst Franziskus, Die Freude des Evangeliums. Das Apostolische Schreiben "Evangelii Gaudium" über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute. Freiburg i.Br. 2013, 153.