Wie kommt Gott in das Drehbuch für
einen Kinofilm? - Für den Regisseur von "Superwelt",
Karl Markovics, war es klar: "Dazu kann ich nur sagen, dass
das vielleicht das einzige Thema ist, an dem wirklich niemand
vorbeikommt."
Darüber kann man sich, vor allem in
Berlin, trefflich streiten, aber wer sich damit beschäftigt, was es
mit Menschen machen kann, in deren Leben Gott plötzlich auftaucht
und spricht, der kommt an diesem Spitzenfilm nicht vorbei.
Auf der diesjährigen Berlinale war er schon zu sehen, in Österreich kommt er gerade ins Kino, hoffentlich auch bald in Deutschland.
Auf der diesjährigen Berlinale war er schon zu sehen, in Österreich kommt er gerade ins Kino, hoffentlich auch bald in Deutschland.
Ausbruch. Comenius-Garten, Rixdorf, 2015. |
Es ist dies einer der besten Filme, die
ich im letzten Jahr gesehen habe, denn er wirft in subtiler Weise
Fragen auf, die aus der Alltagsbanalität heraus zur Frage nach dem
Willen Gottes führen.
Zuerst muss gesagt werden: es ist ein
stiller Film, Gott kommt in ihm nicht vor. Weder hören wir im Film
seine Stimme, noch sehen wir ihn oder irgendwelche exorbitanten
Geschehnisse. Außer eben, dass er das Leben der
Supermarktkassiererin Gabi (Ulrike Beimpold) durcheinander wirbelt.
Auf diese Weise kommt er also doch vor – aber eben so, wie er im
Leben einer jeden Person vorkommen kann.
Gabi ist eine nicht besonders religiöse
Frau, ebensowenig wie ihr Mann Hannes (Rainer Wöss), das Einzige,
woran sie sich aus dem Religionsunterricht erinnern kann, ist die
liturgische Phrase "Herr ich bin nicht würdig, dass Du
eingehst unter mein Dach." Bezeichnend für eine religiöse
Erziehung, die auf Gottes Größe und des Menschen Kleinheit pocht
und aus der sich viele Menschen lieber fortstehlen.
Doch dann nimmt Er Kontakt auf. Gabi
sitzt nach der Arbeit ausruhend in der Küche und schaltet erst
einmal den Kühlschrank aus, denn anscheinend traut sie ihrem
Hörvermögen nicht oder kann nicht zuordnen, woher ihr Inneres diese
Geräusche empfängt. Es ist ein überragendes Spiel von Ulrike
Beimpold, bei dem nie sicher ist, ob sie gerade nur abwesend ist, ob
sie innerlich schon angesprochen ist, ob sie versteht, was ihr
geschieht oder ob sie gerade verrückt wird. Der Film hält über
einige lange ruhige Szenen diese Schwebe, in der die Zuschauer nicht
wissen, ob da innen schon etwas passiert, ob Gott nun schon spricht
oder nicht. Wahrscheinlich ist dies die angemessenste und
realistischste Weise der Darstellung von Gottes Reden im Menschen.
Gabis Tee läuft über. Genauso wie ihr
Leben. Eben noch ruhig stehender Alltag, nun gerät etwas ins
Fließen. Etwas drängt hinaus über das normale Programm von
Waschen, Kochen, Arbeiten, Ferhsehen. Darum ging es dem Regisseur: er
wählte keine Krise als Ausgangspunkt, sondern "mich hat
interessiert, wie sich so eine Begegnung bei einem Menschen
gestaltet, der grundsätzlich keinen großen Leidens- oder
Veränderungsdruck verspürt."
Sparkasse Neukölln, 2015. |
Nun ist plötzlich alles
verschoben. Gabis Prioritäten werden "verrückt". Sie geht
nicht mehr zur Arbeit, sondern spaziert durch die Natur, bleibt
nachts draußen, läuft barfuß durch Felder und Wiesen. Sie sucht
Stille und Alleinsein, um besser zu hören. Es ist ja eine klassische
Erfahrung vieler Menschen, die im Lauf der Geschichte Gott unerwartet
gefunden oder gesucht oder mehr Nähe zu ihm gesucht haben: Elijas
Einsamkeit am Horeb (1Kön 19); die überraschende Erfahrung des Mose
in der Wüste (Ex 3), Jesus auf den Bergen Galiläas (Mk 9),
Mohammeds Rückzug in die Höhle am Berg Hira, wo ihm der Koran
geoffenbart wird.
Sehr feinfühlig zeigt der Film die
Palette unterschiedlicher Reaktionen auf diese Verschiebungen –
besonders hat es mir das Ablegen der Schuhe angetan, das, in
Erinnerung an Moses Ausziehen der Schuhe auf dem heiligen Boden (Ex
3,5) auch bei Straßenexerzitien praktiziert wird, um näher in
Kontakt mit der heiligen Wirklichkeit Gottes zu sein.
Ein weiterer Glanzpunkt: Im Feld an
einer Bewässerungsanlage steht Gabi und wäscht sich, hier findet
sich das uralte Symbol der Reinigung transformiert, als Hannes auf
der Suche nach ihr die Gegend abfährt.
Denn die Konflikte lassen nicht auf sich warten. Gabi ist völlig besetzt durch das Sprechen Gottes zu ihr. Sie stößt ihre Familie vor den Kopf, entzieht sich, muss sich rechtfertigen. Das zeigt das grundlegende Dilemma, wenn Gott Menschen wirklich berührt: Er spricht an und nichts anderes geht mehr.
Besonders Hannes glaubt zunehmend an
einen Liebhaber. Es kommt zu absurden und wahnsinnig komischen Szenen
voller Missverständnisse zwischen den beiden:
Hannes: "Kenne ich ihn?"
Sie: "Vielleicht."
Später schiebt sie nach: "Ich
hab nichts angefangen mit ihm, sondern er mit mir."
Der Film lässt auf diese Weise
aufscheinen, was das Ernstnehmen der Wirklichkeit eines persönlichen
Gottes im Leben Einzelner bedeutet. Da brechen existenzielle Fragen
auf über die Unfassbarkeit des Erwähltseins: "Warum
ausgerechnet ich?" und "Wofür bin ich da?"
Fragen, die sich Gabi nie zuvor in
ihrem Leben gestellt hat. Als sie bemerkt, wie ihr alltägliches
Leben ihr mehr und mehr entgleitet, wie sich vor dem Angesicht Gottes
alles ändern müsste, kommt ihr Widerspruch auf: "Ich will
nicht wissen, warum ich morgens aufstehe. Ich stehe auch so auf."
Dem Absoluten mit seinen existenziellen Erschütterungen können nur
wenige ganz freie Menschen dauerhaft als offener Fragewunde
standhalten.
Für die meisten anderen sind Heim und Haus, Beruf und Besitz die lebenswichtigen Anker in der menschlich-irdischen Wirklichkeit. Hannes drückt seine Wut auf Gabis wahrscheinlichen Jobverlust im Film so aus: "Noch zwei Jahre bis zur Rente und wir hätten unsere Ruhe gehabt."
Für die meisten anderen sind Heim und Haus, Beruf und Besitz die lebenswichtigen Anker in der menschlich-irdischen Wirklichkeit. Hannes drückt seine Wut auf Gabis wahrscheinlichen Jobverlust im Film so aus: "Noch zwei Jahre bis zur Rente und wir hätten unsere Ruhe gehabt."
So markiert der Film auch die Vorbereitung
auf das Aufbrechen des neuen Lebens an Ostern und führt zu den
lebensverändernden Anfragen, die Gott immerzu an uns stellt.
Eine heiße Empfehlung also! Neben vielem anderen ist ein wunderbares
Plädoyer für Aufmerksamkeit für die Gegenwart zu sehen. Nach dem Film
kann man die Welt
(wenigstens für die Zeit des Heimwegs vom Kino) als "Superwelt"
wahrnehmen, in der Gott anwesend ist und zu uns sprechen will.
Windmühlenhimmel. Brandenburg, 2014. |