Selbstverständlich kann man Mitglied
bei der Freiwilligen Feuerwehr und im Kirchenchor sein. Die beiden
Betätigungen schließen sich nicht gegenseitig aus und sind zeitlich
nicht derart aufreibend, dass sie unvereinbar wären.
Bei Schülerinnen und Schülern sehe
ich auch: zwei Instrumente zu spielen und eine Sportart zu trainieren
ist, je nach Veranlagung, mit dem Stundenplan und dem
Freizeitbedürfnis kompatibel. Sogar doppelte Staatsbürgerschaften
kommen sich nach gängiger Auffassung nicht grundsätzlich ins
Gehege, wenn eine mehr oder weniger enge Verbundenheit gegeben ist
und sich eine Person heimisch fühlt in beiden Kulturen. Schließlich
ist es auch möglich, mehrere Sprachen zu sprechen, wobei das
frühkindliche Erlernen zweier Elternsprachen sich länger hinzieht
und fraglich bleibt, ob beide zur "Mutter"-Sprache werden
können.
Wasserpflanze, Briesetal, Brandenburg, 2014. |
Komplizierter wird es dann mit
emotionalerer und entschiedenerer Anhänglichkeit wie der Liebe zu
Fußballvereinen. Konflikte sind vorprogrammiert, sobald sie in
derselben Liga spielen. Tun sie das nicht, ist der Grad oder die
Bedeutsamkeit der gefühlten Verbundenheit für einen der Vereine oft
weniger groß. Also sucht man sich normalerweise einen
Lieblingverein.
Dasselbe gilt in stärkerem Maße für
politische Parteien. Wechselwähler sind zwar die Wähler unserer
Zeit, aber sich einer Partei anzuschließen bedarf eines
ausdrücklichen Entschlusses und ist dann laut Satzung auch auf eine
beschränkt.
Für die Kirchen gilt nämliches, auch
wenn so mancher gern "ökumenisch" getauft oder getraut
werden würde. Ein weiterer Schritt der gegenseitigen ökumenischen
Anerkennung wäre zwar die mögliche doppelte Zugehörigkeit, die
über die innere Verbundenheit hinaus auch einen äußeren,
institutionellen Ausdruck findet. Noch ist es aber nicht möglich,
sowohl der einen als auch der anderen Kirche anzugehören, da nach
dem jeweiligen Selbstverständnis eine Mitgliedschaft die andere
ausschließt.1
Die Bedeutsamkeit ist zu groß, die
Bindekraft zu stark, der Anspruch an Gewissen und Überzeugung
erstreckt sich auf dieselben Felder. Zwei Herren dienen zu können
ist schwer. Und manchmal ist es ein Ding der Unmöglichkeit – wie
es Roland Freisler im Prozess gegen die Widerständler des Kreisauer
Kreises für den Nationalsozialismus auf den Punkt bringt: "Nur
in einem sind das Christentum und wir gleich: wir fordern den ganzen
Menschen!" und rhetorisch nachschiebt: "Von wem
nehmen Sie Ihre Befehle? Vom Jenseits oder von Adolf Hitler?"2
Topographie des Terrors, Mauer, Martin-Gropius-Bau, Preußischer Landtag, Berlin, 2014. |
Wie steht es nun aber um die im Titel
erwähnte Vereinbarkeit von Christsein und Verheiratetsein?
Spielen die Ansprüche des Partners und
Gottes in derselben Liga, wollen sie dasselbe von einer Person, eine
Gefolgschaft, die nur einmal leistbar ist? Manches Wort der Schrift
scheint darauf hin zu deuten – die Bindekraft, die der Einsatz für
das Evangelium entwickelt, kann nach Mt 19,12 jedenfalls ein Grund
sein, sich nicht anderweitig zu verpflichten. Auch geht der Ruf Jesu
in die Nachfolge in den meisten Perikopen mit einem Herausrufen aus
allen anderen Verbindlichkeiten einher, aus Familie, Beruf,
persönlicher Zukunftsplanung und Gesetzesobservanz.
Paulus seinerseits spricht von der
Gefahr des geteilten Herzens, die ihn fürchten lässt, dass
Verheiratete sich eher aufeinander denn auf Gott ausrichten (vgl.
1Kor 7,32-34).
"Wo dein Schatz ist, da ist
auch dein Herz" (Mt 6,21) heißt es in der Schrift – die
Frage ist also, welchen Raum Partner und Gott jeweils einnehmen. Für
das Geld wird die Frage sehr eindeutig von Jesus beantwortet – es
muss eine Entscheidung geben zwischen Mammon und Gott (Mt 6,24;
19,16-24). Beim Partner stellt sich die Frage nach dieser Legitimität
nicht. Eines Menschen Schatz will und soll doch Gott genauso wie der
Partner sein. Gibt es also zwei Schätze oder einen Vorrang des einen
vor dem anderen?
Hauswand mit Haus, Poznan, 2014. |
Die Spannung eröffnet sich schon, wenn
Jesus die Gottes- und die Menschenliebe als die zwei (!) wichtigsten
Gebote verkündet (vgl. Mt 22,37-40) . Gott und der Mensch spielen
also in derselben Liga, auch wenn sie nicht auf der gleichen Stufe
stehen. Eine ungesunde Konkurrenz zwischen beiden kann darum
entstehen, wenn sie als Gegensätze hingestellt werden – und Gott
ein Bezugspunkt neben vielen wird, oder aber ein Mensch vergötzt und
an Gottes Stelle gesetzt wird.
Das muss aber nicht so sein, wie es
auch das Segensgebet über die Ringe bei einer kirchlichen Trauung
schön ausdrückt: "Herr und Gott, du bist menschlichen Augen
verborgen, aber dennoch in unserer Welt zugegen. Wir danken dir, dass
du uns deine Nähe schenkst, wo Menschen einander lieben."3
Gottes Liebe zeigt sich in der
menschlichen Liebe. Der Gott, der die Liebe selbst ist, schenkt dem
menschlichen Herzen die Fähigkeit, im Menschen Gott und Gott im
Menschen zu lieben, ohne dass dies obszön oder blasphemisch werden
muss.
Doppelte Zugehörigkeit also?
Eigentlich gehört der Mensch auch in seiner Bindung an den Partner
Gott – und verwirklicht andersherum seine Treue Gott gegenüber
auch in der Liebe zum Partner. Die ganzheitliche Beziehung fordern
beide, aber nicht wie Freisler als sich gegenseitig ausschließend,
sondern als geöffnete oder sich durchdringende. Oder noch anders:
die Taufbindung (an Gott) wird durch die Eheschließung (mit dem
Partner) konkretisiert, aber nicht in Frage gestellt.
Auch wenn, dies sei zugegeben, die
Alltagspraxis sicher herausfordernd sein kann.
1 Vgl.
z.B. Roger Schutz, Kampf und
Kontemplation. Auf der Suche nach Gemeinschaft mit allen. Freiburg
i.Br. 1974, 76, 112.
2 H.
J. v. Moltke, Im Land der Gottlosen. Tagebuch und Briefe aus der
Haft 1944/45. 2. Aufl. München 2009, 339.