Freitag, 25. Dezember 2015

Erste und zweite Weihnachtswahrheit


Weihnachten können wir vor der Krippe stehen und das kleine Kind anbeten.

Wir können im Kreis der Familie die Krise kriegen.

Wir können gehetzt von einer Feier zur nächsten taumeln und auf den Beginn des nächsten Arbeitsjahres warten.

Wir können uns angewidert vom Trubel vor irgendeinen Bildschirm zurückziehen.

Niederfahrende Flamme. Rixdorf, Berlin, 2015.
In vielen Erlebnissen können wir gerade an Weihnachten unsere Begrenztheit und Leere erleben. Und in gewissem Sinn ist das auch Teil der Botschaft von Weihnachten: der überquellenden Liebe Gottes, die sich in dem Kind zeigt, können wir nichts entgegensetzen.

Der reformierte Theologe Karl Barth formuliert angesichts dessen eine zweifache Wahrheit:

"Wer sagt uns denn so sicher, dass unsere Hilflosigkeit die erste Wahrheit unseres Lebens ist und nicht vielmehr bloß die zweite, der Schatten, in den hinein längst das Licht der ersten Wahrheit: 'Euch ist heute der Heiland geboren!' gefallen ist, so dass wir sie gar nicht mehr so ernst nehmen können ..." [1]

Es gibt diese Erfahrung unseres bleibenden Ungenügens - aber auch die Erfahrung von Gottes vorgängiger Liebe: Und wenn nicht unsere Hilflosigkeit uns bestimmen muss, dann brauchen wir weder angesichts Gottes noch angesichts der Menschen noch angesichts unserer selbst Furcht zu haben.

Dann ist die Geburt des Heilands in der heiligen Nacht das Ende unserer Furcht.

In diesem Sinne: Eine hilflos-furchtlos-frohe Weihnacht.


Niederknien. Rixdorf, Berlin, 2015.


[1] Karl Barth, Weihnacht. 3. Aufl. Göttingen 1957, 26f.