Der geistliche Kern des
Weihnachtsfestes, auf das wir zugehen, ist nicht die Erinnerung an
ein vergangenes Ereignis. Der geistliche Kern ist die Gegenwart
Gottes durch Jesus Christus in unseren Herzen, so wie es Angelus
Silesius im "Cherubinischen Wandersmann" ausdrückt:
"Wird Christus tausendmal zu
Bethlehem geboren / Und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich
verloren."1
Auch der Heilige des heutigen Tages,
Johannes vom Kreuz, hat sich in verschiedenster Weise mit der Nähe zu Gott befasst und vielen Menschen seiner Zeit Rat gegeben.
Stamm. Bei Petershagen, Brandenburg, 2015. |
In lyrischer Sprache beschreibt er den
Weg der Seele zu Gott als einen "Aufstieg auf den Berg
Karmel", als einen Zug durch die Wüste oder als dunkle
Nacht, durch die hindurch der "Auszug" der Seele auf dem
Weg des "Nichts" zu Gott gehen wird.2
Das Streben nach den Dingen und auch
der "Nachgeschmack ... den die ... Strebungen in der Seele
hinterlassen haben", aber auch alle "fremden
Neigungen und Verhaftungen"3
müssen dazu überwunden werden um Gottes Willen. Denn wenn ein
Mensch zu Gott will, muss er alles andere fortlassen (vgl. Mt 19,21).
Nach Johannes gelangt die Seele durch
die als Dunkelheit erfahrene Zeit innerer Läuterung auf den hellen
Gipfel des Berges hinauf.
Ein Adventsweg, könnte man sagen.
In seinen Briefen grüßt Johannes die
Adressatinnen und Adressaten meist mit der Formel: "Jesus sei
in Ihrer Seele",4
oder er verbindet den Gruß mit einem Wunsch "Jesus sei in
Euer Hochwürden und mache Sie so heilig, wie Sie es ersehnen".5
Was
aber versteht Johannes vom Kreuz darunter, dass Gott "in"
einer Seele sei? Er unterscheidet scholastisch-mystisch zwischen zwei
Weisen.
Einerseits
"muß man wissen, daß Gott in jeglicher
Menschenseele, und sei es die des größten Sünders der Welt,
wesenhaft wohnt und gegenwärtig ist. Und diese Art von Gotteinung
zwischen Gott und allen Geschöpfen ist immer gegeben".6
Andererseits wohnt Gott in Menschen
durch eine "Verähnlichung aus Liebe. ... Sie gibt es, wenn
Wollen und Empfinden von beiden, nämlich des Menschen und Gottes,
miteinander ganz übereinstimmen, so daß es in dem einen nichts mehr
gibt, das dem anderen widerstrebt. Und so ist der Mensch Gott durch
Liebe gleichgestaltet, wenn er das, was dem Wollen und Empfinden
Gottes widerstrebt und nicht mit ihm übereinstimmt, gänzlich von
sich entfernt hat."7
Aufstieg ins Licht. Kunsthalle Hamburg, 2015. |
Einigung mit Gott stellt sich für
Johannes vom Kreuz als ein Liebesweg dar, als ein Weg, der Gott
einlädt und ihn unser Inneres liebevoll überformen lässt.
Ein solcher Liebesweg, auf dem wir Gott
mit dem was wir wollen und fühlen immer ähnlicher werden, wäre ein
wirklich christlicher Weihnachtsweg.
Auch heutige Beter kennen diesen Weg.
Im Lobpreis beten Menschen um eine Umwälzung des eigenen Inneren
durch Gottes Anwesenheit, wie in "Surrender" von Hillsong United:
"Like
a rushing wind
Jesus breathe within
Lord have Your way
Lord have your way in me
Like a mighty storm
Stir within my soul
Lord have Your way
Lord have Your way in me"
1 Zit.
n. H.D. Zimmermann (Hg.), Geheimnisse der Schöpfung. Über Mystik
und Rationalität. Frankfurt a.M. 1999, 334.
2 Vgl.
dazu B. Borchert, Mystik. Das Phänomen – Die Geschichte – Neue
Wege. Freiburg i.Br. 1997, 302ff.
3 Johannes
vom Kreuz, Aufstieg auf den Berg Karmel. Freiburg i.Br. 1999, 76.
[1. Buch, Kapitel 5]
4 Johannes
vom Kreuz, Worte von Licht und Liebe. Briefe und kleinere Schriften.
Freiburg i.Br. 2. Aufl. 1997, 25.27.30.44.46. u.ö.
6 Johannes
vom Kreuz, Aufstieg, a.a.O., 139. [2. Buch, Kapitel 5]