Montag, 14. Dezember 2015

Lord have your way in me – Gotteinung nach Johannes vom Kreuz

Der geistliche Kern des Weihnachtsfestes, auf das wir zugehen, ist nicht die Erinnerung an ein vergangenes Ereignis. Der geistliche Kern ist die Gegenwart Gottes durch Jesus Christus in unseren Herzen, so wie es Angelus Silesius im "Cherubinischen Wandersmann" ausdrückt:
"Wird Christus tausendmal zu Bethlehem geboren / Und nicht in dir, du bleibst noch ewiglich verloren."1

Auch der Heilige des heutigen Tages, Johannes vom Kreuz, hat sich in verschiedenster Weise mit der Nähe zu Gott befasst und vielen Menschen seiner Zeit Rat gegeben. 

Stamm. Bei Petershagen, Brandenburg, 2015.
 In lyrischer Sprache beschreibt er den Weg der Seele zu Gott als einen "Aufstieg auf den Berg Karmel", als einen Zug durch die Wüste oder als dunkle Nacht, durch die hindurch der "Auszug" der Seele auf dem Weg des "Nichts" zu Gott gehen wird.2

Das Streben nach den Dingen und auch der "Nachgeschmack ... den die ... Strebungen in der Seele hinterlassen haben", aber auch alle "fremden Neigungen und Verhaftungen"3 müssen dazu überwunden werden um Gottes Willen. Denn wenn ein Mensch zu Gott will, muss er alles andere fortlassen (vgl. Mt 19,21).
Nach Johannes gelangt die Seele durch die als Dunkelheit erfahrene Zeit innerer Läuterung auf den hellen Gipfel des Berges hinauf.
Ein Adventsweg, könnte man sagen.

In seinen Briefen grüßt Johannes die Adressatinnen und Adressaten meist mit der Formel: "Jesus sei in Ihrer Seele",4 oder er verbindet den Gruß mit einem Wunsch "Jesus sei in Euer Hochwürden und mache Sie so heilig, wie Sie es ersehnen".5

Was aber versteht Johannes vom Kreuz darunter, dass Gott "in" einer Seele sei? Er unterscheidet scholastisch-mystisch zwischen zwei Weisen.
Einerseits "muß man wissen, daß Gott in jeglicher Menschenseele, und sei es die des größten Sünders der Welt, wesenhaft wohnt und gegenwärtig ist. Und diese Art von Gotteinung zwischen Gott und allen Geschöpfen ist immer gegeben".6
Andererseits wohnt Gott in Menschen durch eine "Verähnlichung aus Liebe. ... Sie gibt es, wenn Wollen und Empfinden von beiden, nämlich des Menschen und Gottes, miteinander ganz übereinstimmen, so daß es in dem einen nichts mehr gibt, das dem anderen widerstrebt. Und so ist der Mensch Gott durch Liebe gleichgestaltet, wenn er das, was dem Wollen und Empfinden Gottes widerstrebt und nicht mit ihm übereinstimmt, gänzlich von sich entfernt hat."7

Aufstieg ins Licht. Kunsthalle Hamburg, 2015.
Einigung mit Gott stellt sich für Johannes vom Kreuz als ein Liebesweg dar, als ein Weg, der Gott einlädt und ihn unser Inneres liebevoll überformen lässt.
Ein solcher Liebesweg, auf dem wir Gott mit dem was wir wollen und fühlen immer ähnlicher werden, wäre ein wirklich christlicher Weihnachtsweg.

Auch heutige Beter kennen diesen Weg. Im Lobpreis beten Menschen um eine Umwälzung des eigenen Inneren durch Gottes Anwesenheit, wie in "Surrender" von Hillsong United:

"Like a rushing wind
Jesus breathe within
Lord have Your way
Lord have your way in me

Like a mighty storm
Stir within my soul
Lord have Your way
Lord have Your way in me"


1   Zit. n. H.D. Zimmermann (Hg.), Geheimnisse der Schöpfung. Über Mystik und Rationalität. Frankfurt a.M. 1999, 334.

2   Vgl. dazu B. Borchert, Mystik. Das Phänomen – Die Geschichte – Neue Wege. Freiburg i.Br. 1997, 302ff.

3   Johannes vom Kreuz, Aufstieg auf den Berg Karmel. Freiburg i.Br. 1999, 76. [1. Buch, Kapitel 5]

4   Johannes vom Kreuz, Worte von Licht und Liebe. Briefe und kleinere Schriften. Freiburg i.Br. 2. Aufl. 1997, 25.27.30.44.46. u.ö.


5   Ebd., 54.
6   Johannes vom Kreuz, Aufstieg, a.a.O., 139. [2. Buch, Kapitel 5]


7   Ebd., 139f.