Ich verzweifle an diesem Text. Während
mir bei allen Evangelienlesungen irgendwann etwas Handfestes
einfällt, ist es mir beim Text des heutigen Sonntags (Joh 17,1-11a)
fast unmöglich, ein vernünftig aussagbares Kondensat zu finden.
Also suche ich und erwäge und frage
und lese und meditiere.
Am Ende dann das:
Jesus bittet Gott in seinem großen
"Abschiedsgebet" um seine "Verherrlichung"
(v1). Diese Verherrlichung ist zugleich die Verherrlichung Gottes
selbst – und auch in den Menschen, die seine Worte "angenommen"
(v8) und ihn "erkannt" (v7) haben, und also an Jesus
als den Gesandten Gottes glauben, auch "in ihnen bin ich
verherrlicht" (v10).
Spannend ist zunächst, dass die
Leseordnung augenscheinlich möchte, dass wir diese Gedanken hinlesen
auf den Himmelfahrtsabschied, der gerade gefeiert wurde. Doch der
Kontext der Lesung im Johannesevangelium ist der Abschied von den
Jüngern vor Festnahme und Kreuzigung.
Herrlichkeit, gedreht. Binz auf Rügen, 2016. |
Hans Urs von Balthasar weist deshalb
auf die Einheit der beiden Aspekte, Kreuz und Himmelfahrt, hin, denn
es gibt keine zwei Phasen der Rückkehr des Sohnes zum Vater bei
Johannes, "einer ersten der 'Erhöhung' am Kreuz [...] und
einer darauffolgenden 'Verherrlichung' in Auferstehung und
Himmelfahrt"; er betont dagegen, "daß vielmehr
'Erhöhung' und 'Verherrlichung' für Johannes ein untrennbarer
einheitlicher Vorgang sind, also gerade das Kreuz (mit der
Auferstehung zusammen) zur Verherrlichung gehört."1
Das Kreuz als Teil der Verherrlichung:
so gedacht meint Verherrlichung das Sichtbarwerden der sich selbst
verschenkenden Liebe, die im freiwilligen Tod am Kreuz ihren
Höhepunkt hat.
In seinem Jesus-Buch fasst Benedikt
XVI. diesen "Zusammenhang zwischen dem Knechtsdienst und der
Herrlichkeit (dóxa)"
so zusammen: "Gerade in Jesu Abstieg, in seiner Erniedrigung
bis ans Kreuz, scheint die Herrlichkeit Gottes auf, wird Gott und in
Gott Jesus verherrlicht."2
Auf diese Weise (noch einmal mit
anderen Worten) ist das Kreuz selbst "die Verherrlichung
Gottes geworden, Erscheinen von Gottes Herrlichkeit in der Liebe des
Sohnes. [...] Diese Herrlichkeit ist Leben."3
Wenn wir diesen Abschnitt aus dem
Evangelium also heute hören, dann werden wir erinnert, dass der Tod
am Kreuz aus der Liebe kommt und dass diese Liebe das Leben Gottes in
sich hat und in Kreuz und Auferstehung und Himmelfahrt und
Geistsendung an uns weiterschenkt.
Das ist die Vollendung des Weges Jesu,
der als Bote der Liebe zu den Menschen gekommen ist und der deshalb
seine Herrlichkeit in der Liebe – und das heißt im Kreuz und im
neuen Leben in Gott – findet.
Zugegebenermaßen ist das letztlich
nichts anderes als das, was ich sonst auch oft hier schreibe. Aber so
ist das mit der christlichen Botschaft: alle ihre weit
hinausliegenden Enden konvergieren am Ende in der unfassbaren Liebe
des sich erniedrigenden Gottes. Herrlich!
1 H.U.v.
Balthasar, Mysterium Paschale. Leipzig 1969, 110.
2 J.
Ratzinger / Benedikt XVI., Jesus von Nazareth. Zweiter Teil. Vom
Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung. Freiburg i.Br. 2011,
92.
3 Ebd.,
188.