Vor wichtigen Gesprächen bügle ich
meistens noch ein Hemd. Auch rasiere ich mich. Versuche, einen guten
Eindruck zu machen aus lauter Furcht, vielleicht nicht gut
dazustehen.
Ähnliches schreibt die Lyrikerin Nora
Gomringer in folgendem Gedicht1:
Wir räumen auf,
kehren unter den Teppich,
stellen uns gerade hin
mit geschnittenen Haaren,
ziehen ein Kleid an,
auch die ehrlichen Jungs
sagen artig Danke und Bitte.
Jesus, der schaut.
So kennt der uns gar nicht.
Fragt, ob er sich in der Tür
geirrt...
Und ich sag;
Man wird doch
den einen Abend
noch höflich sein dürfen.
Ich finde das wunderbar eingefangen.
Die großen Lügen, die gern als
Wirklichkeit dastehen wollen. Die bockige Antwort, wenn man vor
lauter Schauspielerei unkenntlich geworden ist.
Und das, obwohl Jesus den Sprechenden
augenscheinlich kein Unbekannter ist.
Gerade sie müssten doch wissen, dass
es ihm nicht um den Schein geht, sondern um das Herz.
Aber trotzdem – und dieses Bedürfnis
kenne ich nur zu gut – immer wieder der Versuch, Gott lieber etwas
vorzuspielen als zu sich selbst zu stehen.
1 N.
Gomringer, Gottesanbieterin. Dresden und Leipzig, 2020, 86.
Hier gibt es das Gedicht von ihr gelesen:
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