Samstag, 10. Oktober 2020

Nimm die Einladung doch an! Und feiere mit! Eine Predigt zu Mt 22,1-10

Was für eine Enttäuschung! Was für eine Frechheit!

Aber auch:

Was für ein Choleriker! Was für eine brutale Überreaktion!

Der Text des Sonntagsevangeliums (Mt 22,1-10) lässt mich mit vielen starken Eindrücken und einer Reihe von offenen Fragen zurück.

Warum sind diese Leute so wenig interessiert an einem großen Fest? Warum fühlen sich alle hier so schnell gereizt und genervt?

Was ist diesem König an seinem Fest so wichtig, dass er sogar Leute, die gar nicht dabei sein wollen, dazuholt?

Ich nähere mich der ganzen Sache mal mit einer persönlichen Geschichte: 

Partybeleuchtung.
Lafayette, Berlin-Mitte, 2017.
Meine Tochter hat dieser Tage Geburtstag. Kindergeburtstag ist für das Kind eine große Sache – seit Monaten denkt sie an Einladungen und gestaltet welche, im Kopf aktualisiert sie immer wieder die Liste der einzuladenden Kinder: einmal hat dieses Mädchen sie geärgert, dann hat sie sich wieder mit jenem Jungen angefreundet...

Aber in Zeiten einer Pandemie lässt sich sowieso schwer planen. Der Berliner Senat hat gerade verfügt, dass sich in Innenräumen nur noch maximal zehn Personen zu privaten Feiern treffen dürfen. Das Wetter ist schlecht, draußen feiern nicht sicher. Zehn Kinder sind eingeladen. Wir als Eltern überlegen – ist das verantwortlich? Sollten wir die Feier absagen? Wie geht man dann mit der wütenden Enttäuschung des eigenen Kindes um?

Ich könnte verstehen, wenn jemand sein Kind nicht auf einen solchen Geburtstag schicken möchte. Das wären verständliche Absagen in solchen Zeiten. Aber es kommen keine Absagen. So bleibt die Verantwortung bei uns.

In anderen Situationen aber würde ich mich schon fragen, was da falsch gelaufen ist, wenn viele Leute absagen. Einer oder zwei wären ja noch verständlich – aber bei vielen oder gar allen wäre es schon blöd. Zumal ja alles lang angekündigt und geplant war.

Ich kann also den Ärger des Königs in Jesu Gleichnis verstehen. Alles ist vorbereitet, das Fleisch dreht sich quasi schon am Spieß und dann kommen die Absagen. Und nicht nur die. Auf die dringende Wiederholung der Einladung antworten manche nicht nur mit Desinteresse, sondern sogar mit Gewalt.

Was will Jesus aber mit dieser Geschichte sagen? Was ist Gott so wichtig, dass er einen solchen Aufwand betreibt und dass er nach selbst so böse wird? Kurz: Wozu lädt Gott da eigentlich ein?

Und wer sind die Eingeladenen?

Um mit der letzten Frage zu beginnen: Es liegt nahe, bei den zuerst Eingeladenen an das Volk Israel zu denken, mit dem Gott ja seinen Bund geschlossen hat und das sich doch immer wieder von ihm abwendet. Man denke nur an die Geschichte vom Goldenen Kalb: Nach der Rettung aus der Gewalt der Ägypter und während Mose auf dem Berg mit Gott spricht, wollen die Israeliten plötzlich lieber einen Gott zum Anfassen – und Aaron, der Bruder des Mose, organisiert die Herstellung eines Goldenen Kalbs (vgl. Ex 32). Auch hier wollten die Eingeladenen, die Auserwählten, die sogar schon durch Gott Geretteten nicht mehr dabei sein. Sie feierten lieber ihre eigene Party, auf Gottes Angebot eines neuen Lebens haben sie keine Lust.

Dass Gott einlädt und die Eingeladenen keine Lust darauf haben ist also ein bekanntes biblisches Motiv. Auch die gewalttätige Ablehnung der Boten Gottes lässt sich dort finden. Zwar ist keine Ermordung eines Propheten überliefert, aber das Motiv der Verfolgung der Propheten ist geläufig. Der Prophet Jeremia beispielsweise wurde für sein Engagement gegen den Krieg, den Israel führte, ins Gefängnis geworfen (vgl. Jer 38).

Die frühen Christen, die dieses Gleichnis im Evangelium weiter überlieferten, könnten also an die Ablehnung Jesu durch weite Teile der Juden ihrer Zeit gedacht haben – und daran, dass viele ihrer Gemeindemitglieder keine Juden waren, sondern Heiden aus anderen Völkern. Während die einen, so ließe sich das Gleichnis verstehen, die Einladung nicht angenommen haben, kamen die anderen bereitwillig dazu und feiern Gottes Fest nun mit.

Stadt unter großem Himmel.
Wildau, 2019.
Denkt man etwas weiter, dann passt dazu auch die Zerstörung der Stadt, in der die zuerst Eingeladenen wohnen (vgl. v7). Einige Zeit nach dem Tod Jesu wurde Jerusalem im Jahr 70 von den Römern eingenommen und weitgehend zerstört. Das war ein tiefer Einschnitt in der Geschichte Israels, der von manchen Christen im Nachhinein als Strafe Gottes für die Ablehnung Jesu gedeutet wurde. So könnte der Evangelist Matthäus die Ablehnung der Einladung Gottes und die Zerstörung der Stadt in einen Zusammenhang gestellt haben.

Alledings ist eine solche Deutung sehr anfällig für antisemitische Auswüchse, an die im Text sicher nicht zu denken ist. Außerdem ist es ja viel wichtiger und interessanter, was uns dieses Evangelium heute zu sagen hat.

Wir dürfen den Text nämlich so hören:

Ihr seid die Eingeladenen!

Ihr dürft dabei sein, wenn die Party steigt! Und ihr dürft euch sicher sein, dass ihr nicht wieder ausgeladen werdet, weil es eine pandemiebedingte Begrenzung der Teilnehmerzahl gibt. Kommt also und bringt gute Laune mit!

Für uns ist es nicht entscheidend, ob Gott uns mit der ersten oder mit der zweiten Gruppe einlädt – entscheidend ist, dass er uns sucht und einlädt.

Und natürlich, wie wir darauf reagieren.

Aber wozu lädt Gott dich und mich denn nun ein?

Gott lädt uns nicht dazu ein, dass wir irgendwelche Regeln befolgen. Er lädt auch nicht dazu ein, den Katechismus oder die Bibel auswendig zu können. Und auch nicht dazu, mit traurigem Gesicht ständig an unsere Fehler zu denken.

Gott lädt zu einem Fest.

Alle, die ihm wichtig sind, sollen dazu kommen.

Ich glaube, so lässt sich dieser Text gut verstehen:

Gott will dich. Gott will dich dabeihaben. Und das nicht nur am Sonntag.

Dein ganzes Leben soll geprägt sein von dem Fest des Glaubens.

Denn dieses Fest ist die Verbindung zwischen Himmel und Erde. Die Hochzeit Gottes mit der Welt!

In Jesus hat Gott sich ganz zu uns herabgebeugt.

Der Schöpfer selbst ist Geschöpf geworden.

Der Kreator wurde Kreatur.

Und wir sollen dabei sein!


Durch unsere Annahme seiner Einladung und durch unsere Teilnahme an seinem Fest, der Hochzeit, werden wir Teil der großen Liebesgeschichte Gottes mit der Welt.

Wir dürfen mitfeiern, wenn Gott alles Schwache auf der Erde erhebt.

Wenn er das Krumme und Zerbrochene nicht aufgibt.

Wenn er alle Tränen trocknet und jeden Ärger vertreibt.

Er kommt zu den Kranken und den Schwachen, zu den Geschlagenen und den Hilflosen.

Zu denen, die sonst nicht eingeladen werden. Die durch jedes Raster rutschen. Die es gewöhnt sind, am Rand zu stehen.

Niemand steht dort gern.

Jeder möchte gern beliebt sein, gut angesehen werden, Freunde haben, gesund und wohlhabend sein. Und niemand gibt gern zu, dort zu stehen.

Aber mit ihnen allen will er feiern. Mit uns allen.

Die Hochzeit, das war wichtigste Fest, das jemand in der damaligen Zeit feiern konnte.

Das ist es, was Gott auch mit uns feiern will – das wichtigste Fest unseres Lebens.

Und dazu braucht es unsere Entscheidung.

Entfliehende Gegenwart.
Usedom, 2020.
Es ist, als wollte Gott sagen:

Schau, ich bin in der Welt gegenwärtig. In Jesus habe ich mich ganz als Mensch gezeigt. Folge ihm und du gehst wirklich in die Tiefe. Es wird nicht immer schön und nicht immer leicht sein.

Aber du gewinnst eine neue Weite.

Du wirst spüren, wie alles mit allem verbunden ist.

Du wirst Freiheit spüren, selbst wenn du im Gefängnis sitzt.

Du wirst aufleben, wenn du dich nicht mehr an dir selbst festklammerst.

Und du wirst getragen sein.

Du wirst getröstet sein.

Du wirst frei sein.

Du wirst spüren, dass du nicht allein bist, dass Gott an deiner Seite ist.

Das ist das Fest, zu dem Gott uns einlädt.

Haben wir Mut, ihm mit unserem "Ja" zu antworten!

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