Freitag, 26. März 2021

Poetische Fastenspeise 4 – "Ich will dir mein Herze schenken" aus der Matthäuspassion

In der Fastenzeit begleitet mich seit vielen Jahren die Bachsche Matthäuspassion; vor allem mit ihren Arien und Chören gehe ich durch viele Tage.

Nun kann die musikalische Kraft nicht von den Worten eingefangen werden. Doch der Text gehört ja immer mit dazu. In diesem Fall ist der Text das Ergebnis der Zusammenarbeit von Johann Sebastian Bach mit Christian Friedrich Henrici (auch unter dem Pseudonym Picander tätig).

Viele der Texte atmen so sehr die Frömmigkeit und Theologie ihrer Zeit, dass sie für mich nur in gesungener Form erträglich sind (dann aber um so mehr). Andere aber sind nah am Kern meiner Spiritualität dran und wieder andere scheinen mir nahezu zeitlos zu sein.

Innigkeit.
St. Rita, Berlin, 2018.
Die Sopran-Arie "Ich will dir mein Herze schenken" gehört nach meiner Auffassung zu den letzteren. Hier äußert sich eine sehr innige Frömmigkeit, die in ähnlicher Weise auch in mystischen Texten vieler Epochen zu finden ist.

Der Kontext dieser Arie ist der Übergang vom Letztem Abendmahl (Mt 26,26ff) zum Gang auf den Ölberg (Mt 26,30) und bildet eine Art abschließender Antwort auf das Verhalten Jesu, der sich in Brot und Wein hineinschenkt und auf diese Weise seinen nahenden Tod als Hingabe seines Leben deutet.

Hier nun der Text, der besonders den Hingabe-Gedanken aufnimmt:


Ich will dir mein Herze schenken,
senke dich, mein Heil, hinein.
Ich will mich in dir versenken,
ist dir gleich die Welt zu klein,
ei, so sollst du mir allein
mehr als Welt und Himmel sein
 

Jesus schenkt sein Leib und Blut, die Antwort des Menschen ist das Geschenk des eigenen Herzens.
Damit verbunden ist die Bitte an Gott, sich in dieses Herz zu versenken und die Willensbekundung, sich selbst in Gott hinein zu "versenken". Dieser Gedanke füllt die ersten drei Zeilen.
In den letzten drei Zeilen wird diese Gegenseitigkeit aufgebrochen – nicht dass noch jemand auf den Gedanken kommt, dass das Versenken gleichwertig sein könnte!
Während es noch möglich erscheint, dass Mensch und Gott sich gegenseitig mystisch in einander versenken, so wird nun klargestellt, dass trotzdem die gesamte Welt ihren Schöpfer nicht fassen kann. Für den gläubig sich hinschenkenden Menschen allerdings wird Gott im Prozess des Schenkens und Versenkens mehr als Erde und Himmel.

Es werden also eine große Nähe und Verbundenheit (schenken, versenken, mehr als Welt und Himmel) ausgedrückt, zugleich aber wird Gottes Größe hervorgehoben.
Hier springt der Text freilich aus dem biblischen Kontext, in dem der Gottessohn sich ja eben so sehr in Brot und Wein hineingesenkt hatte, dass er schließlich seine gesamte Größe aufgab, um am Kreuz zu sterben. Das starke Augenmerk auf göttliche Größe im zweiten Teil verlässt also die Passion des Sohnes und lenkt den Blick auf die Herrlichkeit des Vaters.

Was mich hier bewegt, ist die Bereitschaft, sich zu verschenken und in die "Welt" des göttlichen Gegenübers hineinzugehen. Es klingt viel Selbstaufgabe darin auf, die mich schnell misstrauisch machen würde, aber daneben auch viel Aktion (ich will!), die selbstbestimmt klingt.

Da tritt ein starker Glaube auf, der eine enge und vertraute Beziehung zu Gott sucht. Das bestärkt mich in dieser anstrengenden Zeit.
 
(Eine schöne, ziemlich schnelle Version ist hier zu hören) 

In einander fließende Welten.
Jüdisches Museum, Warschau, 2015.


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