Wer an die Vorgängigkeit der
göttlichen Gnade vor dem menschlichen Handeln glaubt, hat es in der
Bergpredigt nicht leicht. Nicht nur, dass Jesus die Gesetze des Alten
Bundes explizit nicht außer Kraft setzen will, er setzt sogar noch
eins oben drauf: Seine Worte im heutigen Evangelium (Mt 5,17-37) sind
eine ethische Verschärfung, die harte Konsequenzen mit sich bringt.
Topfpuppe, Weimar, 2014. |
Denn der Anspruch Jesu ist nicht, wie oft
vermutet oder suggeriert wird, die Weichspülung des
alttestamentlichen Gesetzes; verkündet wird auch nicht der liebe
Gott, der alle Menschen unterschiedslos so bei sich haben will, wie
sie gerade sind. Auch ist er keiner, der eine Ethik des Bravseins
lehren würde.
Jesus nimmt vielmehr das menschliche
Denken ernst – innen fängt es an! Durch die Verlagerung ins Innere
des Menschen bekommt die Ethik der Thora eine Dynamik, die die individuelle Gesinnung in den Fokus rückt. Schon vor der nach außen hin
sichtbaren Tat sollen wir uns vor Gott stellen können als seine
Kinder, die ihm wirklich ähnlich sind.
Das heißt:
Lass den Unmut nicht wachsen in Dir!
(21-22) – Deine eigene Bitterkeit frisst Dich auf und untergräbt
Deine inneren Fundamente, der Zorn wird mächtiger als Deine
Freiheit, wenn Du ihn in Dir herrschen lässt.
Tu den ersten Schritt zur Versöhnung!
(23-26) – Auf ein Anrecht verzichten, zum Frieden bereit sein, Dich
überwinden hilft Dir, in Freiheit zu leben.
Lass die Lüsternheit nicht Herr werden
über Dich – steh vielmehr zu denen, die Dir anvertraut sind!
(27-32) – Wenn die Wünsche wuchern dürfen, überwachsen sie Dich
irgendwann, gebiete ihnen lieber schon zu Beginn Einhalt.
Mach klare Worte! (33-37) – Wenn Du
Dein Reden und Tun zu hoch aufhängst, zeigt sich daran nur Deine
Unsicherheit oder Machtlosigkeit, darum bleib unten.
Sag Ja zum Nein. Graffito, Neukölln, Berlin, 2013. |
Und da, ganz am Ende, da ist sie
schließlich wieder, Gottes Kraft – "du kannst kein einziges
Haar weiß oder schwarz machen" (36) wird als Grund genannt,
sich beim Schwören zurückzuhalten, denn der menschliche Einfluss
auf die Dinge der Welt ist letztlich doch sehr begrenzt und
ambivalent.
So lässt sich am Ende doch wieder
glauben, dass Gottes Tun zuerst kommt und dass dies das eigentlich
Entscheidende ist, um Gemeinschaft mit ihm zu haben. Aber einfacher
machen es uns diese Sätze des Evangeliums sicher nicht.