Es findet statt: Die Gebetswoche für die Einheit der Christen. Dieses regelmäßig wiederkehrende
Ereignis weckt keine medialen oder interkonfessionellen
Begeisterungsstürme – meist noch nicht einmal ein paar
Aufmerksamkeitsböen. Es spiegelt damit ziemlich typisch den
ökumenischen Alltag für die meisten Kirchen und Gemeinschaften.
Dafür suggeriert das große öffentliche Interesse
besonders an der Person des aktuellen Papstes bisweilen
einen universalen Vertretungsanspruch des Christlichen durch das
Oberhaupt der Katholiken - was selbstverständlich eine problematische Wahrnehmung ist. Aber es steckt ökumenisches Potenzial darin.
Schild, Wannsee, Berlin, 2014. |
Papst Franziskus hat vor einiger Zeit
seine programmatische Schrift "Evangelii Gaudium" (EG)1
veröffentlicht – und spricht darin auch von Neuerungen, die er für
die katholische Kirche wünscht. Unter anderem träumt er von einer
Grundhaltung, die "mehr der Evangelisierung der Welt als der
Selbstbewahrung dient" (EG 27) und darum bereit ist,
"hinauszugehen aus der eigenen Bequemlichkeit" (EG
20). Dieses anspruchsvolle Programm wendet er auch auf sich selbst
und damit auf die Frage nach der "Neuausrichtung des
Papsttums" (EG 32) an.
Dieser Gedanke geht zurück auf die
Ökumene-Enzyklika "Ut unum sint" (UUS)2
von Johannes Paul II. aus dem Jahr 1995, der auch wusste, dass das
Papstamt "eine Schwierigkeit für den Großteil der anderen
Christen" (UUS 88) darstellt. Darum lädt er revolutionär
dazu ein, "einen brüderlichen, geduldigen Dialog
aufzunehmen" (UUS 96) und "eine Form der
Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche
ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet"
(UUS 95).
Wenn Papst Franziskus dies nun wieder
aufnimmt, spricht vieles dafür, sich die theologischen Überlegungen
zu diesem Thema erneut anzuschauen.
In den Jahren 2005-2009 hat die
lutherisch-katholische Gruppe von Farfa Sabina eine Bestandsaufnahme
vorgenommen und eruiert, was das Papstamt für jene Christen bedeuten
könnte, die sich auf Martin Luther berufen.3
Graffito, Kreuzberg, Berlin, 2012. |
Die theologischen und praktischen
Fragen wurden ebenso wie die kirchenrechtlichen Ausfaltungen
beleuchtet und daraufhin abgeklopft, wo Annäherungen schon jetzt
möglich sind. "In den Überlegungen hat sich herausgestellt,
dass Lutheranern und Katholiken trotz aller Unterschiede im
Verständnis des Papstamtes wesentliche Überzeugungen und
fundamentale Übereinstimmungen gemeinsam sind, die als Ausgangspunkt
einer künftigen Verständigung dienen könnten" (6)
Konkret ging es dabei v.a. um die
historische Einordnung und das ökumenisch wohlwollende und
"richtige" Verstehen theologischer Aussagen – sowohl
Luthers "Antichrist"-Passagen als auch die Dogmatisierungen
des I. Vaticanums standen hier im Zentrum. Dies kann hier nicht
referiert werden, festgehalten werden kann aber zweierlei:
a) Luthers Kritik ist, "auch wo
sie ihre äußerste Schärfe erreicht, letzten Endes doch kein
Grundsatzurteil,
sondern eher ein Tatsachenurteil"
(45), das bei sich ändernden Tatsachen revidierbar ist und auch die
bisher theologisch entfalteten "Implikationen und
Konsequenzen" (48) aus der göttlichen Rückbindung des
Amtes unterscheiden muss von dieser Rückbindung selbst.
Graffito, Neukölln, Berlin, 2012 |
b) Das I. Vaticanum mit seinen Dogmen
der päpstliches Unfehlbarkeit und des Jurisdiktionsprimats hat durch
Ausklammerung aller anderen ekklesiologischen Fragen damit letztlich
"zu einer notwendig
defizienten Aussage über den Primat [geführt], die durch
eine adäquate Darlegung der katholischen Ekklesiologie ergänzt
und abgewogen werden muss." (106) Dies ist im II.
Vaticanum durch eine neue Akzentuierung der Ekklesiologie in
Einbindung des Papstamtes in die Kollegialität der Bischöfe zu
Teilen geschehen.
Genannt werden auch drei Gefahren
bezüglich der kirchenrechtlichen Ausgestaltung des Papstamtes (150):
a) eine "maximalistische
Interpretation der Beschlüsse des I. Vaticanums", wodurch
es zu einer Verkürzung der theologischen Linie des II. Vaticanums
kommen würde.
b) eine "positivistische
Interpretation des Rechtes" bei der sich das Recht gegenüber
den Glaubensgrundsätzen verselbständigen würde.
c) ein Rechtsverständnis, "nach
welchem die [kirchenrechtlichen] Normen selbst die verbindliche Lehre
der Kirche aussagen würden" und dieses so mit einer
Autorität aufladen würden, die ihm nicht zukommt.
Graffito, Bonn, 2012. |
Neben Ausblicken in andere Konfessionen
(Orthodoxe, Anglikaner, Methodisten) und Sprachräume werden auch die
Entwicklungen der lehramtlichen Aussagen nach dem II. Vaticanum
kritisch geprüft, die den Lutheranern sehr viel Wohlwollen und
Geduld abverlangen.
Schließlich kommen die Autoren nach
vielen Abwägungen und Reflexionen zu ihren Schlussfolgerungen:
a) Eine Relecture der dogmatischen
Festlegungen im Sinne der Verfasser führt dazu, dass das Papstamt
"seinen Charakter eines kirchentrennenden Hindernisses
zwischen Lutheranern und Katholiken verloren" (266) hat,
ohne dass "die gegenwärtige Gestalt des Papstamtes als
angemessener Ausdruck eines unversalkirchlichen Einheitsamtes"
angesehen werden muss.
b) Kirche als Gemeinschaft und "Einheit
der Kirche als communio
ecclesiarum" (Gemeinschaft der Kirchen) zu verstehen,
würde bedeuten: "katholischerseits die Anerkennung der
lutherischen Kirchen als Kirchen" und "umgekehrt
lutherischerseits die Anerkennung der Gestalt der Kirche als dem
Evangelium nicht widersprechend" "Dies bedeutet
nicht, dass die Kirchen mit der Gestalt der jeweils anderen Kirchen
einverstanden sein müssen. Aber das, was Kirche zur Kirche macht,
ist als in beiden Kirchen gegeben wechselseitig anzuerkennen."
(267)
c) Die Vorteile eines Einheitsamtes für
alle zu entdecken ist noch eine Herausforderung. Denn die notwendige
Einheit und die mögliche Vielfalt müssten gut ausgewogen sein und
erfordern ein großes Maß an Vertrauen. Würde es dann ein
ökumenisches Einheitsamt geben, werden diesbezüglich auch visionäre
Ziele genannt:
Graffito, Berlin-Mitte, 2012. |
"Ein künftiger Inhaber eines
universalkirchlichen Einheitsamtes hätte, sofern die Kirchen sich
auf die Einrichtung eines solchen verständigen könnten, die
Kompetenz, ein Konzil einzuberufen, die Verpflichtung, für die
Einheit der Kirche(n) Sorge zu tragen und sich der pastoralen Nöte
aller Gläubigen anzunehmen (Hirtenamt). In Beratung und Abstimmung
mit den Kirchen würde er festlegen, wann es notwendig ist, gemeinsam
zu entscheiden, zu lehren und zu zelebrieren und was legitimerweise
der Ortsgemeinschaft an Entscheidung, Lehre und Liturgie überlassen
bleiben mag. Entscheidungen auf der universalkirchlichen Ebene sind
nämlich durchaus nicht immer zur Lösung von Problemen der
regionalen oder lokalen Kirchenebene geeignet." (271)
Damit schließt sich der Kreis hin zu
Papst Franziskus: "Ich glaube [...] nicht, dass man vom
päpstlichen Lehramt eine endgültige oder vollständige Aussage zu
allen Fragen erwarten muss, welche die Kirche und die Welt betreffen.
Es ist nicht angebracht, dass der Papst die örtlichen Bischöfe in
der Bewertung aller Problemkreise ersetzt, die in ihren Gebieten
auftauchen." (EG 16)
Natürlich sagt er das nur über das
Verhältnis zu den Ortsbischöfen der katholischen Kirche. Aber es
bleibt spannend, welche Wege da möglich scheinen...
1 Papst
Franziskus, Die Freude des Evangeliums. Das Apostolische Schreiben
"Evangelii Gaudium" über die Verkündigung des
Evangeliums in der Welt von heute. Freiburg i.Br. 2013.
2 Johannes Paul II., "Ut unum sint" über den Einsatz für die Ökumene. Bonn 1995. Hg. v. Sekretatriat der DBK (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhles 121.)
3 Gruppe von Farfa Sabina, Gemeinschaft der Kirchen und Petrusamt. Lutherisch-katholische Annäherungen. 2. Aufl. Frankfurt a.M. 2011. [Auch hier sind die angegebenen Ziffern Textnummern, nicht Seitenangaben!]
Ähnlich Silvia Hell in ihrer lesenswerten Zusammenfassung eines Symposions aus dem Jahr 2000: "Daß dem Papstamt eine wichtige Rolle zukommt, wird auch evangelischerseits zunehmend akzeptiert. Angesichts der weltweiten Globalisierung braucht es ein sichtbares Zeichen der Einheit." (Schlussfolgerung 6 - http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/215.html)
2 Johannes Paul II., "Ut unum sint" über den Einsatz für die Ökumene. Bonn 1995. Hg. v. Sekretatriat der DBK (Verlautbarungen des Apostolischen Stuhles 121.)
3 Gruppe von Farfa Sabina, Gemeinschaft der Kirchen und Petrusamt. Lutherisch-katholische Annäherungen. 2. Aufl. Frankfurt a.M. 2011. [Auch hier sind die angegebenen Ziffern Textnummern, nicht Seitenangaben!]
Ähnlich Silvia Hell in ihrer lesenswerten Zusammenfassung eines Symposions aus dem Jahr 2000: "Daß dem Papstamt eine wichtige Rolle zukommt, wird auch evangelischerseits zunehmend akzeptiert. Angesichts der weltweiten Globalisierung braucht es ein sichtbares Zeichen der Einheit." (Schlussfolgerung 6 - http://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/texte/215.html)