Samstag, 18. Januar 2014

Brot und Glanz 3 - Grenzliebe

Kurz nach meinem jährlich wiederkehrenden Tauftag heute mal einige Worte zu Johannes dem Täufer und dem, was sich aus einer Initiation so ergeben kann. Mir ist das Thema durch meinen Namen und die Herkunft aus einer Gemeinde "St. Johannes Baptist" besonders nahe.

In jeder Eucharistiefeier hören die Feiernden die Worte Johannes des Täufers. In jeder Eucharistiefeier hören sie, wie er sie hinausweist über das Sichtbare und ausrichtet auf Christus.
Immer dann, wenn der Priester die Hostie erhebt und mit den Worten aus dem Johannes-Evangelium sagt: „Seht, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt hinwegnimmt.“ (Joh 1,29)

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Hinweisschild, U-Bahnhof Sophie-Charlotte-Platz, Berlin, 2012.
Johannes der Täufer war ein Mann, der ganz wie die alttestamentlichen Propheten auftrat und doch schon den Messias sah. Er war ein Asket, der in der Wüste lebte und doch die Menschen von nah und fern anzog – ein Grenzgänger im vorzüglichsten Sinne also.
Und vielleicht gab ihm gerade diese Position, diese Stellung am Rande, seinen scharfen Blick dafür, was – oder besser: wer – im Zentrum des Geschehens zu stehen hatte. Um wen es eigentlich ging bei all dem, was Johannes selbst tat: um Jesus Christus nämlich – und um die Heilsbotschaft Gottes, die Jesus brachte. 

So konnte Johannes seine Jünger schließlich zu Jesus abwandern lassen. Diejenigen, die mit Johannes am Rande der jüdischen Gesellschaft standen und zur Umkehr riefen, waren auch jene, die in der Mitte der Heilsgeschichte dem Einen folgten, um den sich alles dreht.
"Seht das Lamm Gottes", das heißt, zu tun, wozu auch Papst Franziskus immer wieder auffordert: wie Johannes der Täufer, an die Grenzen zu gehen – und zugleich ausgerichtet zu sein auf den Kern, auf den einen Jesus Christus.

2
Johannes sieht in diesem Jesus aus Nazareth das Lamm, das die Sünden der Welt fortnimmt. Er sieht, dass es nicht ein „Löwe aus Juda“ ist, der sich mit den Mächten dieser Welt anlegt.
Denn sicher hat er wahrgenommen, dass Jesus eine andere Sprache spricht als er selbst – Jesus hat nicht eine Wurzel im Sinn, an die schon die Axt gelegt ist, sondern eine Wurzel, deren Triebe gereinigt werden sollen.
Das Auftreten und Wirken Jesu ist in gewissem Sinne zärtlicher als das des Johannes. Er ist kein Kraftmeier, der die Sünden der Menschen nimmt und in seinen Fäusten zerkrümelt, sondern einer, der die Last spürt, die diese Sünden für die Menschen sind. Einer, der es nicht dabei belässt, dies zu spüren, sondern diese Last auf sich nimmt, auch wenn es nicht die seine ist. Er trägt sie für die Anderen.
Das ist es, was Johannes meint, wenn er sagt: Seht ihn an, der eure Sünden trägt, der sie er-trägt und euch fortnimmt.

Skulptur vor dem Himmel,
Bayerischer Platz, Leipzig, 2014.
3
Wenn nun wir diese Worte in der Liturgie hören, was können sie uns dann sagen? Wir schauen von den Rändern, an denen wir stehen, in die Mitte – aus unserem zentrifugalen Alltag dorthin, wo unser Leben ist, wo in Christus unser Heil ist.
Wir können den erkennen, der sich uns in diesem kleinen Stück Brot schenkt – zerbrechlich, ja sogar schon zerbrochen – für uns. Nicht Astronautennahrung, die uns aufputscht und zu Superchristen macht, sondern ein Stückchen Brot.
Das kann schließlich unsere Antwort ermöglichen auf diesen Christus, der als ein zerbrochenes Stück Brot die Mitte ist: ein Leben zu führen, das sich peripher-zentriert ist, das sich loslässt, das sich auf ihn hin ausrichtet.

Denn nicht wir sind die Mitte – er ist es.
Nicht eine Axt nimmt die Sünden fort – sondern ein Lamm.
Nicht unsere ungebrochene Würde zählt – sondern seine zerbrechlich-zärtliche Liebe.