Ein fundamentaler christlicher
Glaubenssatz lautet: Die Welt führt sich zurück auf einen
vernünftig-sinnvollen Willen.
Darum ist nach dem Johannesevangelium
das, woraus die Welt hervorgeht, der Logos Gottes (altgriechisch:
Wort, Sinn, Rede oder Vernunft).
Nicht Tohuwabohu, blindes Chaos und
physikalische Zwangs- bzw. Zufälligkeit, sondern „Logos“.
Wie am Weihnachtstag wird der biblische Hymnus, der den Logosbegriff einführt,
auch am heutigen Sonntag gelesen: „Am Anfang war das Wort“
(Joh 1,1).
Sofa, Neukölln, Berlin, 2013. |
„Hier stock' ich schon! Wer hilft
mir weiter fort?
Ich kann das Wort so hoch unmöglich
schätzen,
Ich muss es anders übersetzen ...“1
Goethes Faust stößt wie viele nach
letzten Gründen forschende Menschen auf die bekannte
Urfrage – Was hält die Welt im Innersten zusammen?2
Trotz der Vielfalt an Bedeutungen von
„Logos“ führt der seinerseits versuchte Ausweg - „Im Anfang
war die Tat“3
- nicht zum christlichen Gehalt, wenngleich das, was der Hymnus
anschließend sagt, genau auf die dem Anfang „logisch“ folgende
Tat Gottes zielt:
„Und das Wort ist Fleisch geworden
und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,14)
Angesichts der weitgehenden
Trost- und voraussichtlichen Zukunftslosigkeit kirchlichen Gemeindelebens in Westeuropa frage ich
mich bisweilen: Was faszinierte die alte Welt, was fasziniert heute
Chinesen oder Inder am Christentum? Große Kulturen mit eigener
langer und beeindruckender Geschichte – was spricht sie an der
christlichen Botschaft an?
Algen, Jena, 2013. |
Es könnte, glaube ich, diese doppelte
Botschaft sein, die sich aus dem oben Gesagten ergibt:
Wir brauchen das numinos-anonyme
Weltgeschehen nicht zu fürchten, denn es steht eine ordnende Kraft
dahinter, eine Kraft, die sich zwar nicht in menschliche Worte fassen
lässt, aber in Wort und Tat Kontakt aufnimmt und auch angesprochen
werden kann.
Und dann: Da ist jemand, der tut etwas
für uns. Und zwar nicht irgendwer, sondern genau diese innere Logik,
aus der die Welt besteht, dieser Logos selbst wird aus Liebe zu einem
von uns, um uns nahe zu sein und zu befreien.
Daraus wächst, was in der Antike
eine umwerfend neue Kultur des Miteinanders, der Solidarität und Hingabe aus
der Mitte der religiösen Überzeugungen heraus wurde.
Denn dieses Liebeswort Gottes
existentiell ernst zu nehmen heißt es aufzunehmen – um es dann,
nun selbst Kind Gottes geworden (vgl. Joh 1,12), wiederum in die
eigene Liebestat münden zu lassen.
1 Faust
I, Vers 1225ff.
2 Vgl.
ebd., 382f.