Es war beruhigend – knapp 500 Jahre
nach der Reformation ist das Thema Frauenordination in den
evangelischen Kirchen immer noch virulent. Die wirkmächtige
Befreiungs- und Emanzipationsbewegung der (männlichen) Reformatoren
des 16. Jahrhunderts konnte sich erst in den 70er Jahren des 20.
Jahrhunderts zu diesem Schritt durchringen, und auch das nicht
weltweit.
Wandverkleidung, DHM, Berlin, 2014. |
Beruhigend finde ich das insofern,
als es zeigt, dass auch die innerkatholischen Bewegungen und Diskurse
zu diesem Thema eben ihre Zeit brauchen.
Dr. Petra Bahr, Kulturbeauftragte des
Rates der EKD, lieferte in ihrem heutigen Vortrag zum Thema "Von "Frau Pfarrer" zur Pfarrerin. Stationen eines wechselvollen Weges" im Deutschen Historischen Museum einen kurzweiligen
Überblick über die Geschichte der Frauen im Pfarrhaus und ihre
Rollenwechsel.
Luthers Heirat mit Katharina von Bora
erfolgte bekanntermaßen mehr aus logischem Kalkül, das den eigenen
Worten auch Taten folgen lassen wollte, als der romantischen Liebe.
Das Bild der entflohenen Nonne, die einen ehemaligen Mönch ehelicht,
war 1525 verständlicherweise vom forcierten Skandal und Tabubruch
geprägt.
Ganz anders das Katharina-Bild, das im
Verlauf der Reformation als resolute Hausmutter, Gattin und
Vorbildehefrau für jeden evangelischen Pfarrer vor Augen gestellt
wurde.
Inwieweit diese Rezeption, aus der
natürlich ein neuer Anspruch entsprang, eher eine Befreiung oder
eine neu gestrickte Domestizierung der Frauen in der Kirche
darstellte, war einer der interessanten Konflikte, die von Frau Bahr
angesprochen wurden. Mit der Ablehnung klösterlichen Lebens gab es
zu Beginn der Neuzeit nun evangelischerseits keinen genuinen Ort der
kirchlichen Amtsinhabe (Äbtissinnen!), der selbstverständlichen
Bildung und der eigenen Spiritualität für Frauen. Stattdessen
erfolgte eine Reduktion auf die Position als Führerin des (mitunter
beträchtlichen) Haushalts, der Gastfreundschaft und der
Kindererziehung.
Graffito auf Tür, Kreuzberg, Berlin, 2014 |
Bemerkenswert fand ich die
frühprotestantische Diskussion über "Ämter sui generis"
für Frauen, eine Überlegung, die es ja auch in katholischen Kreisen
inzwischen gibt und der ich einige Sympathie meinerseits nicht
absprechen kann.
Ein interessantes Bild einer Art
fließenden Überganges von der Pfarrersfrau zur Pfarrerin zeichnete
die Referentin, wenn sie auf Karikaturen hinwies, die "unordentliche"
Ehefrauen ganz intellektuell mit Büchern zeigten, dieweil sich in
der Küche der ihnen zugewiesene Abwasch türmte, oder indem sie
die"Seelsorge am Küchentisch" des Pfarrhauses erwähnte,
mit der pastorale Arbeit zunehmend auch als Aufgabe der Gattin des
Pfarrers verstanden wurde.
Nicht zuletzt haben jedoch die
gesellschaftlichen Umbrüche entscheidend dazu beigetragen, dass
beispielsweise durch die Zulassung zu den Universitäten (im
Kaiserreich ab 1900) Frauen intellektuelle Bildung und Ausbildung
möglich wurde, die schrittweise zur Annäherung an die Männerdomäne
Pfarramt führte. Auch die NS-Zeit gab dieser Bewegung indirekt noch
einen Schub, da sich engagierte Christinnen und Pfarrersfrauen nicht
nur im Widerstand gegen das Regime engagierten, sondern die
Pfarrersfrauen (unter Berufung auf Luthers "Notmandat")
ihre an der Front befindlichen Gatten in deren Talar am Altar und auf
der Kanzel vertreten mussten. Schließlich bereitete die
staatsrechtliche Gleichstellung der Geschlechter in den Anfangsjahren
der Bundesrepublik den Boden für die innerevangelischen Debatten,
die zur Einführung der Frauenordination in den deutschen
Landeskirchen führte.
Turnhallenfenster, Jena, 2013. |
Dass die klassischen gesellschaftlichen
Rollen von Männern und Frauen inzwischen in Auflösung begriffen
sind, kann auch am evangelischen Pfarrhaus nicht spurlos
vorübergehen. Berufstätigkeit der EherpartnerInnen, Kindererziehung
und Haushaltsführung und pfarrliches Arbeiten müssen in neu
ausgehandelte Balancen finden. Wenn neben all dem noch Zeit für das
eigene Gebetsleben gefunden werden muss, sind die Stunden eines Tages
schnell gefüllt. Und auch die vorbildliche Hingabe einer Ehefrau an
ihr Pfarr-Ehrenamt an der Seite des Gatten dürfte für die wenigsten
heutigen Pfarrersfrauen eine anziehende Perspektive sein,
genausowenig wie das gläserne Leben unter den Augen der
Gemeindeglieder.
Ich meine: genug Stoff zum Nachdenken
für alle, die sich in der katholischen Kirche ernsthafte Gedanken
über die Zukunft der kirchlichen Ämter machen.
Beruhigend also? - Aufrüttelnd wohl eher...