Mittwoch, 15. Januar 2014

Frauenordination, praktisch

Es war beruhigend – knapp 500 Jahre nach der Reformation ist das Thema Frauenordination in den evangelischen Kirchen immer noch virulent. Die wirkmächtige Befreiungs- und Emanzipationsbewegung der (männlichen) Reformatoren des 16. Jahrhunderts konnte sich erst in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts zu diesem Schritt durchringen, und auch das nicht weltweit.

Wandverkleidung, DHM, Berlin, 2014.
Beruhigend finde ich das insofern, als es zeigt, dass auch die innerkatholischen Bewegungen und Diskurse zu diesem Thema eben ihre Zeit brauchen.
Dr. Petra Bahr, Kulturbeauftragte des Rates der EKD, lieferte in ihrem heutigen Vortrag zum Thema "Von "Frau Pfarrer" zur Pfarrerin. Stationen eines wechselvollen Weges" im Deutschen Historischen Museum einen kurzweiligen Überblick über die Geschichte der Frauen im Pfarrhaus und ihre Rollenwechsel.

Luthers Heirat mit Katharina von Bora erfolgte bekanntermaßen mehr aus logischem Kalkül, das den eigenen Worten auch Taten folgen lassen wollte, als der romantischen Liebe. Das Bild der entflohenen Nonne, die einen ehemaligen Mönch ehelicht,
war 1525 verständlicherweise vom forcierten Skandal und Tabubruch geprägt.
Ganz anders das Katharina-Bild, das im Verlauf der Reformation als resolute Hausmutter, Gattin und Vorbildehefrau für jeden evangelischen Pfarrer vor Augen gestellt wurde.

Inwieweit diese Rezeption, aus der natürlich ein neuer Anspruch entsprang, eher eine Befreiung oder eine neu gestrickte Domestizierung der Frauen in der Kirche darstellte, war einer der interessanten Konflikte, die von Frau Bahr angesprochen wurden. Mit der Ablehnung klösterlichen Lebens gab es zu Beginn der Neuzeit nun evangelischerseits keinen genuinen Ort der kirchlichen Amtsinhabe (Äbtissinnen!), der selbstverständlichen Bildung und der eigenen Spiritualität für Frauen. Stattdessen erfolgte eine Reduktion auf die Position als Führerin des (mitunter beträchtlichen) Haushalts, der Gastfreundschaft und der Kindererziehung.

Graffito auf Tür, Kreuzberg, Berlin, 2014
Bemerkenswert fand ich die frühprotestantische Diskussion über "Ämter sui generis" für Frauen, eine Überlegung, die es ja auch in katholischen Kreisen inzwischen gibt und der ich einige Sympathie meinerseits nicht absprechen kann.

Ein interessantes Bild einer Art fließenden Überganges von der Pfarrersfrau zur Pfarrerin zeichnete die Referentin, wenn sie auf Karikaturen hinwies, die "unordentliche" Ehefrauen ganz intellektuell mit Büchern zeigten, dieweil sich in der Küche der ihnen zugewiesene Abwasch türmte, oder indem sie die"Seelsorge am Küchentisch" des Pfarrhauses erwähnte, mit der pastorale Arbeit zunehmend auch als Aufgabe der Gattin des Pfarrers verstanden wurde.

Nicht zuletzt haben jedoch die gesellschaftlichen Umbrüche entscheidend dazu beigetragen, dass beispielsweise durch die Zulassung zu den Universitäten (im Kaiserreich ab 1900) Frauen intellektuelle Bildung und Ausbildung möglich wurde, die schrittweise zur Annäherung an die Männerdomäne Pfarramt führte. Auch die NS-Zeit gab dieser Bewegung indirekt noch einen Schub, da sich engagierte Christinnen und Pfarrersfrauen nicht nur im Widerstand gegen das Regime engagierten, sondern die Pfarrersfrauen (unter Berufung auf Luthers "Notmandat") ihre an der Front befindlichen Gatten in deren Talar am Altar und auf der Kanzel vertreten mussten. Schließlich bereitete die staatsrechtliche Gleichstellung der Geschlechter in den Anfangsjahren der Bundesrepublik den Boden für die innerevangelischen Debatten, die zur Einführung der Frauenordination in den deutschen Landeskirchen führte.

Turnhallenfenster, Jena, 2013.
Dass die klassischen gesellschaftlichen Rollen von Männern und Frauen inzwischen in Auflösung begriffen sind, kann auch am evangelischen Pfarrhaus nicht spurlos vorübergehen. Berufstätigkeit der EherpartnerInnen, Kindererziehung und Haushaltsführung und pfarrliches Arbeiten müssen in neu ausgehandelte Balancen finden. Wenn neben all dem noch Zeit für das eigene Gebetsleben gefunden werden muss, sind die Stunden eines Tages schnell gefüllt. Und auch die vorbildliche Hingabe einer Ehefrau an ihr Pfarr-Ehrenamt an der Seite des Gatten dürfte für die wenigsten heutigen Pfarrersfrauen eine anziehende Perspektive sein, genausowenig wie das gläserne Leben unter den Augen der Gemeindeglieder.

Ich meine: genug Stoff zum Nachdenken für alle, die sich in der katholischen Kirche ernsthafte Gedanken über die Zukunft der kirchlichen Ämter machen. Beruhigend also? - Aufrüttelnd wohl eher...