Nun ist es also geschehen.
Das britische Wahlvolk hat mit knapper
Mehrheit für den Austritt seines Landes aus der EU gestimmt. Der
Vertrag, der Europas Völker zusammenführen wollte, wurde
konterkariert und hat zu einer Abstimmung über Geld und Handel,
voller Selbstbehauptungsdrang und Misstrauen geführt.
Dabei gibt es wenig, was Menschen in
der abendländischen Geschichte mehr geprägt hat, als der Gedanke
vom Bund – sei es der Bund einzelner Menschen, der Bund zwischen
Völkern oder der Bund Gottes mit den Menschen.
Baum ab. Ufer des Peetzsees, Grünheide, 2016. |
Ein Gedicht von Rose Ausländer1
mag das veranschaulichen:
Vertrag
Einen Vertrag machen
zusammenzuhalten
bis ins Wurzelwerk
bis zu den strengsten Sternen
im letzten Himmel
du und du und du
Doch vielleicht ist der Anspruch eines
ungekündigten (oder gar unkündbaren) Bundes zu viel für uns und
wir müssen – und wollen – ihn immer wieder brechen.
"Zusammenzuhalten" –
das hängt die Latte hoch, wenn Egoismen aufeinanderprallen.
Auch in der EU war immer viel Pathos
vom Weiterzusammenwachsen – und wenig von der realistischen Gefahr
durch menschliche Begrenztheiten zu spüren.
Denn die Möglichkeit des freiwilligen
Ausscheidens einer Nation aus dem Staatenbund spiegelt eine
Selbstbegrenzung durch nationale Interessen.
Schade eigentlich, dass menschliche
Bündnisse selten "bis ins Wurzelwerk" gehen. Aber
so ist es.
1 In:
R. Ausländer, Aschensommer. Ausgewählte Gedichte. München 1978,
164.