Das passiert mir nicht so oft: Ich
hänge noch etwas an einer meiner eigenen Formulierungen fest. Denn
auf die Frage, wer Jesus für mich ist, schrieb ich unter anderem,
dass er ein "Bettler am Rande meines Alltags“ sei.
Und je länger ich dem nachhänge,
desto mehr muss ich zugeben, dass es nicht selten genau so ist: Gott
steht am Rande meines alltäglichen Lebens und ich lasse ihn dort
stehen. Da steht er und bittet, dass ich ihm Zeit schenke, damit er
an meinem Leben teilhaben kann. Ich aber erkenne seinen Anspruch
nicht an – oder ignoriere ihn.
Ort Gottes. Hauptbahnhof Halle/Saale, 2016. |
Tatsächlich, wäre genauer zu
formulieren, nehme ich seine Anwesenheit bzw. meine Erinnerung an
seine Anwesenheit genau wahr – und es brennt mir im Gewissen.
Trotzdem erfahre ich diese Anwesenheit als so fordernd, dass ich sie
lieber links liegen lasse, um mich nicht näher mit ihr zu
beschäftigen.
Statt dessen lese ich dann. Oder
schreibe irgendwas Frommes.
Gott in meinem Geist zu einer Art
lästigem Bettler zu degradieren und ihm keinen Raum zu lassen, ist
eine verführerische Antwort darauf, dass seine Gegenwart meine
eigene Gegenwart einfordert und ich dann nicht mehr in Medien oder
sonstige Ablenkungen ausweichen kann.
Dabei will er gar nicht so sehr etwas
haben, sondern eigentlich etwas schenken.
Wenn ich mich ihm öffne und meine
Logik der Abwendung und der Angst vor Verlust aufgebe, dann spüre
ich das Eintauchen in sein Leben, das mich bereichert. In die Stille,
die mich nährt.
Doch dann muss ich bereit sein, ihn als
Gast und Geber eintreten zu lassen und nicht als Bettler.
Das sollte nicht so schwer sein. Aber
vielleicht braucht es dazu mehr Demut.