Nato-Manöver,
Atomwaffenbau oder INF-Verträge – wenn man die gewaltigen
Anstrengungen und riesigen Kosten sieht, mit denen die Nationen
versuchen, einander mit Waffengewalt beizukommen und zu übertrumpfen,
dann schaudert es mich. Noch dazu im gleichen Moment die
Klimaveränderungen solch gewaltige Ausmaße annehmen, dass es nun
wahrlich bessere Möglichkeiten gäbe, die menschlichen Fähigkeiten
und Energien zu nutzen.
Ähnlich steht es mit der
Reformation, deren Gedenken heute begangen wird.
So, wie die evangelische
und die katholische Kirche (mindestens im deutschen Sprachraum) in
sozialethischen, umweltehischen und in vielen theologischen Fragen
miteinander können, fragt man sich, ob die ganze Kirchenspaltung und
(theologische) Kriegführung es überhaupt wert war.
Schlosskirche zu Wittenberg. Wittenberg, 2017. |
Manchmal hilft wohl nur
die große Krise, um das Gegeneinander zu überwinden und die
Energien in einem fruchtbaren Miteinander zu kanalisieren.
In diversen
Katastrophenfilmen ist es beispielsweise die nahende Großkatastrophe,
die zum Auslöser für die globale Zusammenarbeit wird (in den
entsprechenden Filmen natürlich immer unter der Führung der USA).
"World War Z"
mit Brad Pitt zeigt beispielsweise eine Szene, in der der Protagonist
Gerry nach Israel reist, um etwas über den Ursprung des Virus
herauszufinden, der sich schon auf der ganzen Welt verbreitet und
viele Menschen in zombieähnliche Kreaturen verwandelt hat. Die
israelischen Behörden lassen vor den Befallenen aus Palästina
fliehende Menschen nach Jerusalem herein. Dann beginnen gerettete
Palästinenser und Israelis miteinander zu singen.
Was für ein utopisches,
was für ein fröhliches Miteinander entsteht da angesichts der
(natürlich nur kurz) gebannten Gefahr!
Leider schaffen es die
Staaten der Welt heute immer noch nicht, ihre Kräfte zum Wohle aller
einzusetzen – und manche große Krise führt auch zunächst zur
Spaltung, wie wir es aktuell mit dem Ausstieg der USA aus dem Pariser
Klimaschutzabkommen vorgeführt bekommen.
Doch vielleicht führt
diese Spaltung ja dazu, dass hilfreiche technische Lösungen eher in
diesem Gegeneinander entstehen als im bloßen Nebeneinanderher. Nicht
zu vergessen, dass Internet und Raumfahrt zunächst militärisch
motivierte Projekte gewesen sind.
Aber wie steht es nun mit
den Kirchen?
Zur Zeit scheint jede
Glaubensgemeinschaft trotz vieler Gemeinsamkeiten vorrangig ihr
eigenes Süppchen zu kochen, auch wenn Säkularisierung und
Entchristlichung weiter voranschreiten.
Würde stärkere
Differenz, wie sie ja auch von den Noch-Volksparteien auf der
politischen Bühne gefordert wird, mehr Energie, Aufmerksamkeit und
Zuspruch generieren? Setzt der Streit rivalisierender Gruppen so viel
Kreativität frei, dass DIE große Krise der Glaubenslosigkeit
angegangen werden kann?
Ich glaube, konstruktiver
Wettstreit ist eine gute Sache – aber die heutige Krise der
Religion geht tiefer, und so muss auch unterhalb des
Konkurrenzdenkens eine Lösung gesucht werden – und das möglichst
gemeinsam.
Der Reformationstag und
unsere heutige Situation als Christen in Europa erinnern einerseits
daran, welche gewaltigen Kräfte und Ideen freigesetzt werden können,
wenn eine Situation als unhaltbar angesehen wird, andererseits stellt
sich immer drängender die Frage, was denn erst noch passieren muss,
um voneinander lernend Gott in dieser Welt zu verkünden.
Bewachsener Beton. St. Ignatius, Frankfurt a.M., 2018. |