Samstag, 9. Mai 2020

Dreimal W: Den Weg kennen. Große Werke tun. Eine Wohnung finden.

Wir feiern wieder Gottesdienst. Aber kann man das wirklich eine Feier nennen – unter diesen vom Pandemieplan diktierten Bedingungen ? Ohne gemeinsamen Gesang, mit riesigen Abständen zwischen uns, ohne anschließendes Beisammensein?

Es ist das, was wir daraus machen! Wir können feiern, weil wir glauben, dass Gott in unserer Mitte sein will, wenn wir uns treffen. Egal unter welchen Umständen.

Mit meinen Gedanken war ich in den letzten Tagen immer wieder bei den Geschehnissen der letzten Tage des Krieges, an dessen Ende vor 75 Jahren vielerorts erinnert wurde. Unter welchen Umständen dort manchmal Gottesdienste gefeiert wurden.
Wie wird es diesen Menschen zumute gewesen sein, wenn sie in den Gottesdienst gegangen sind? Waren sie dankbar und erleichtert, dass alles vorbei ist? Oder doch eher verbittert über die Niederlage? Ängstlich angesichts der Besatzung und der vielen Unsicherheiten?

Auch wir haben einige der aktuellen Einschränkungen schon hinter uns – aber gerade hier im Gefängnis bestehen noch viele besondere Begrenzungen fort, vom Besuchsverbot bis zum Ausfall der Gruppenangebote.
Wie die Menschen damals stehen auch wir mit unseren unterschiedlichen Gefühlen vor Gott.

Findet seinen Weg.
Saalachtal, Österreich, 2019.
Und dazu bekommen wir einen ziemlich verwirrenden Text zu hören (Joh 14,1-12).
Jesus verabschiedet sich in diesem Text von seinen Jüngern – und zeigt ihnen, was sie noch erwartet. Der Autor des Johannesevageliums schreibt dabei aus der Perspektive eines Eingeweihten. Er legt Jesus Worte in den Mund, die klar machen, dass die Auferstehung schon als gegeben vorausgesetzt wird. Das soll den Hörern Hoffnung machen, dass alles gut ausgehen wird.

1. Den Weg kennen
In einer Krise ist es wichtig zu wissen, wo es hingeht. Denn nur dann kann man aktiv dazu beitragen, wieder einen besseren Status zu erreichen.
Allerdings ist hier in Haft vieles vorgegeben, vieles können Sie nicht selbst entscheiden.
Trotzdem wird auch von Ihnen erwartet, dass Sie aus dieser Krise, die eine Haft im Normalfall bedeutet, einen guten Weg heraus finden. Sie kennen die Stichworte aus dem Haftalltag.
Für solche Situationen kann unser Text einen Hinweis geben. Als Hörer des Textes befinden wir uns vor einer ähnlichen Frage wie die angesprochenen Jünger: Nach welchem Maßstab soll es nun weitergehen?
Jesus sagt dazu: "wohin ich gehe - den Weg dorthin kennt ihr" (v4) Als der kritische Thomas nachhakt und sagt, sie wüssten weder Weg noch Ziel, folgt der berühmte Satz:
"Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben" (v6).
Wir konzentrieren uns mal auf den Weg: Ihr kennt den Weg schon, weil ihr mich kennt, sagt Jesus.

Jesus kennen also. Guter Mann, irgendwas mit Nächstenliebe, immer Stress mit Autoritäten – so kann Jesus auf den ersten Blick erscheinen.

Drei kurze Impulse, was man noch zu ihm sagen kann und welche Maßstäbe er angelegt hat:
Jesus hatte erstens einen klaren Fokus – Gott war das Zentrum, Menschen sollten Gott kennenlernen als einen liebevollen Vater. Dafür hat er gelebt. Das wollte er an den Mann bringen. Und dafür ist er auch in viele Konflikt gegangen.
Kurz: Jesus ist also ein Modell dafür, wie wichtig die Konzentration auf eine gute Sache ist, eine Sache allerdings, die nicht nur man selbst ist.
Denn Jesus war zweitens bereit, einiges auf sich zu nehmen, damit das auch ankommt. Er hat sich nicht geschont und gerade als es kritisch wurde, bei seiner Verhaftung, beim Prozess und bei der Bestrafung ist er nicht ausgerissen. Er wollte sich nicht wieder aus der Affäre ziehen, sondern er stand zu dem, was er vorher gesagt hatte. 

Weg im Nebel.
Bei Grünheide, 2019.
Jesus ist also auch das Modell für eine Standhaftigkeit, die nicht den Schwanz einzieht, wenn es hart auf hart kommt – und dabei trotzdem liebevoll bleibt.
Und drittens war ihm klar, dass er seine Kraft nicht aus sich selbst zieht, sondern aus Gott. "Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke" (v10), sagt er später. Er weiß, dass er in Verbindung bleiben muss mit seiner Kraftquelle, die Gott ist.
So ist er schließlich auch Modell für einen realistischen Lebensstil, indem er sich nicht selbst als Quelle der eigenen Kraft ansieht, sondern Besug auf Gott nimmt.
Konzentration, Standhaftigkeit, Verbindung zur eigenen Kraftquelle – das wären drei Leitwerte, auf die man sich stützen kann, wenn man Jesus als Weg für das eigene Leben ansieht. Und es sind sicher Wegweiser, die auch in einer Haft sinnvoll sein können.

2. Große Werke vollbringen
Aber es kommt noch einen Zacken schärfer: Der Text beschreibt eine unheimlich intensive Verbindung Jesu mit Gott dem Vater: Sie sind nicht zu trennen. Es heißt sogar: "Wer mich sieht, der sieht den Vater" (vgl. v9, Übersetzung nach Luther).
Wenn wir das ernst nehmen, heißt das: Gott will an dem erkannt werden, was Jesus getan und wie Jesus gelebt hat.
Und dazu gehören die "Werke" – natürlich denken wir hier sofort an die Wunder, die Jesus nach der Bibel gewirkt hat und vielleicht an die Auferstehung.
Aber vor allem geht es um den wichtigsten Grundzug in allem, was Jesus getan hat: Er hat alles mit Liebe getan.
Das ist wahrscheinlich das schwierigste "Werk" überhaupt, dass wir mit Liebe handeln.
Zu oft reißen uns Ungeduld und das Gefühl von Ungerechtigkeit fort. Zu oft haben wir keine Geduld oder reißen schnell etwas an uns, weil es einen Vorteil bringt. Zu oft sehen wir zuerst uns selbst und erst viel später auch noch die anderen.
Jesus führt seine Liebe darauf zurück, dass er mit Gott verbunden war. Und dass Gott in ihm mit Liebe gewirkt hat.
Aber Jesus glaubt auch an uns – und vor allem daran, dass Gott in uns das gleiche vollbringen kann wie in ihm, wenn wir mit ihm verbunden sind: "wer an mich glaubt, wird noch größere Werke vollbringen" (v12).
Wenn Liebe so einfach wäre.
Plänterwald, Berlin, 2020.
Vielleicht sind wir der Meinung, dass wir nicht besonders gut sind darin, voll Liebe zu handeln. Vielleicht wollen wir es auch oft gar nicht. Oder wir denken im Alltag einfach nicht daran.
Aber wir dürfen groß von uns denken. Weil auch Gott groß von uns denkt. Und er mutet es uns nicht nur zu, sondern er traut es uns auch zu, auch Ihnen hier im Gefängnis: ihr könnt große Werke vollbringen und voller Liebe handeln.

3. Eine Wohnung bei Gott finden
Ein letzter Gedanke soll das Ziel in den Blick nehmen, von dem Jesus spricht.
"Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen" (v2), heißt es da.
Vielen, die diese Anstalt verlassen, würde es schon reichen, wenn sie eine Wohnung in Berlin finden, in die sie vorerst gehen können.
Jesus sagt dies hier zur Ermutigung: Für jeden ist Platz bei Gott.
Nicht in einem Wolkenkuckucksheim oder mit einer Halleluja-Harfe in der Hand! Diese Bilder sind verfehlt.
Unser Ziel ist die Gemeinschaft mit Gott, die viele verschiedene Formen haben kann. Je nachdem, wie wir sind, es ist eine Wohnung vorbereitet.
Gott wartet auf jeden Einzelnen mit seiner Eigenart. Das ist es, was viele Wohnungen bedeutet. Es ist Platz für die unterschiedlichsten Typen. Nicht nur eine bestimmte Sorte Menschen ist vorgesehen. 

Ich lade Sie ein, sich auf den Weg zu machen. Die Orientierung an Jesus kann eine Hilfe sein, aber vor allem die Ausrichtung darauf, dass es das größte "Werk" ist, voller Liebe zu handeln. Dazu braucht man auch Frieden im Herzen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie diesen Frieden und diese Liebe in ihrem Leben finden. Damit Sie Ihre ganz persönliche Wohnung bei Gott finden.

1 Kommentar:

  1. Ich lese immer wieder gern die Predigten mit und kann manches gut nachvollziehen, weil wir auch immer wieder Gäste mit Knast-Erfahrung über kürzere oder längere Zeit haben.

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