Nicht nur in Krisenzeiten wie jetzt,
sondern auch sonst bin ich manchmal froh, wenn ich nicht alles selber
wissen und machen muss.
Das ruft mir das Evangelium vom Guten
Hirten (Joh
10,1-10) von diesem Sonntag ins Gedächtnis. Jesus stellt sich
darin als Hirte vor, dem die Schafe vertrauen und folgen.
Ein erster Gedanke dazu:
Vertrauen ist entscheidend – wenn
jemand Macht über mein Leben hat, will ich mich darauf verlassen
können, dass er (oder sie) es gut mit mir meint.
Besonders in einem Kontext wie dem
Justizvollzug, in dem die Inhaftierten den Bediensteten in besonderer
Weise ausgeliefert sind, ist es essenziell, dass der Inhaftierte
weiß, er kann sich auf die Anweisungen und Entscheidungen des Personals verlassen.
Alle Leitungen hoch in die Luft! Neukölln, Berlin, 2020. |
Gerade dann, wenn jemand wegen eines
Deliktes einsitzt und ihm nun genau klar gemacht werden soll, wie ein Leben ohne Straftaten eigentlich funktioniert, ist das Vorleben des Guten, speziell Verlässlichkeit
und Geradlinigkeit, unabdingbar.
Ich glaube, das ist ein Bereich, in dem
der Strafvollzug noch viel wachsen kann.
Aber auch davon unabhängig: Haben Sie eine
Person, der sie vertrauen können?
Der zweite Gedanke hängt mit dem
eigenen Willen zusammen:
Denn wir sind natürlich keine Schafe,
die einfach hinterher trotten – und noch nicht einmal Schafe tun
das immer (nicht umsonst gibt es den Schäferhund). Wir haben unseren eigenen Willen und unsere eigene
Verantwortung.
Trotzdem ist so eine Hirtengestalt
manchmal gerade dann gut – besonders im Gefängnis. Denn eine
Person, der ich vertrauen kann, führt mich vielleicht nicht
unbedingt dorthin, wohin ich will, aber dafür dorthin, wo es gut ist
für mich.
Auch wenn mir die Trennung von
bestimmten Verbindungen, Kontakten, Gedanken und Genussmitteln schwer
fällt, ist doch gerade ein solcher Hirte, der mir den Abstand dazu
immer wieder nahelegt, besser als jemand, der mir nach dem Mund
redet.
Ein guter Hirte zeigt auch neue
Perspektiven auf mein Leben auf – was sonst alles noch möglich
ist! Auftrag: Suchen Sie sich solche Personen, die Ihnen neue
Perspektiven eröffnen!
Der dritte Gedanke gehört zu dem
Taizé-Lied "Aber du weißt den Weg für mich":
Dietrich Bonhoeffer hat in dem zugrunde
liegenden Gebet geschrieben: "Ich verstehe deine Wege nicht –
Aber du weißt den Weg für mich".
Bonhoeffer geht davon aus, dass Gott
eine Vision davon hat, wie mein Leben gelingen kann – und dass er
mir helfen will, durch die Dunkelheiten und Ärgernisse hindurch zu
kommen. Er weiß, wie das alles gehen soll, auch wenn ich es nicht
begreife.
Das macht mir Mut: Ich muss nicht alles
verstehen. Ich muss nicht den totalen Durchblick haben. Aber Gott
will etwas Gutes für mich – und dahin muss ich mich nur führen
lassen.
Das erfordert Mut. Mut, mitzugehen, ohne die
Lage gänzlich zu durchschauen.
Das ist mein Wunsch für Sie: Dass Sie
den Mut haben, auf Gott zu vertrauen und nicht aufzugeben, auch wenn
es ein Weg durch schwierige Zeiten ist.
Zu diesem Mut gehört natürlich auch
das oben genannte Vertrauen.
Wenn Sie sich auf ihn und seinen Weg
einlassen, wird Gott Ihnen herrliche Perspektiven auf Ihr Leben
auftun!
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