Samstag, 2. Mai 2020

Ein guter Hirte zeigt neue Perspektiven. Drei Punkte für den Knast

Ich brauche ab und zu einen, der weiß, wo es lang geht.
Nicht nur in Krisenzeiten wie jetzt, sondern auch sonst bin ich manchmal froh, wenn ich nicht alles selber wissen und machen muss.
Das ruft mir das Evangelium vom Guten Hirten (Joh 10,1-10) von diesem Sonntag ins Gedächtnis. Jesus stellt sich darin als Hirte vor, dem die Schafe vertrauen und folgen.

Ein erster Gedanke dazu:
Vertrauen ist entscheidend – wenn jemand Macht über mein Leben hat, will ich mich darauf verlassen können, dass er (oder sie) es gut mit mir meint.
Besonders in einem Kontext wie dem Justizvollzug, in dem die Inhaftierten den Bediensteten in besonderer Weise ausgeliefert sind, ist es essenziell, dass der Inhaftierte weiß, er kann sich auf die Anweisungen und Entscheidungen des Personals verlassen.

Alle Leitungen hoch in die Luft!
Neukölln, Berlin, 2020.
Gerade dann, wenn jemand wegen eines Deliktes einsitzt und ihm nun genau klar gemacht werden soll, wie ein Leben ohne Straftaten eigentlich funktioniert, ist das Vorleben des Guten, speziell Verlässlichkeit und Geradlinigkeit, unabdingbar.
Ich glaube, das ist ein Bereich, in dem der Strafvollzug noch viel wachsen kann.
Aber auch davon unabhängig: Haben Sie eine Person, der sie vertrauen können?

Der zweite Gedanke hängt mit dem eigenen Willen zusammen:
Denn wir sind natürlich keine Schafe, die einfach hinterher trotten – und noch nicht einmal Schafe tun das immer (nicht umsonst gibt es den Schäferhund). Wir haben unseren eigenen Willen und unsere eigene Verantwortung.
Trotzdem ist so eine Hirtengestalt manchmal gerade dann gut – besonders im Gefängnis. Denn eine Person, der ich vertrauen kann, führt mich vielleicht nicht unbedingt dorthin, wohin ich will, aber dafür dorthin, wo es gut ist für mich.
Auch wenn mir die Trennung von bestimmten Verbindungen, Kontakten, Gedanken und Genussmitteln schwer fällt, ist doch gerade ein solcher Hirte, der mir den Abstand dazu immer wieder nahelegt, besser als jemand, der mir nach dem Mund redet.
Ein guter Hirte zeigt auch neue Perspektiven auf mein Leben auf – was sonst alles noch möglich ist! Auftrag: Suchen Sie sich solche Personen, die Ihnen neue Perspektiven eröffnen!

Der dritte Gedanke gehört zu dem Taizé-Lied "Aber du weißt den Weg für mich":
Dietrich Bonhoeffer hat in dem zugrunde liegenden Gebet geschrieben: "Ich verstehe deine Wege nicht – Aber du weißt den Weg für mich".
Bonhoeffer geht davon aus, dass Gott eine Vision davon hat, wie mein Leben gelingen kann – und dass er mir helfen will, durch die Dunkelheiten und Ärgernisse hindurch zu kommen. Er weiß, wie das alles gehen soll, auch wenn ich es nicht begreife.
Das macht mir Mut: Ich muss nicht alles verstehen. Ich muss nicht den totalen Durchblick haben. Aber Gott will etwas Gutes für mich – und dahin muss ich mich nur führen lassen.
Das erfordert Mut. Mut, mitzugehen, ohne die Lage gänzlich zu durchschauen.
Das ist mein Wunsch für Sie: Dass Sie den Mut haben, auf Gott zu vertrauen und nicht aufzugeben, auch wenn es ein Weg durch schwierige Zeiten ist.

Zu diesem Mut gehört natürlich auch das oben genannte Vertrauen.
Wenn Sie sich auf ihn und seinen Weg einlassen, wird Gott Ihnen herrliche Perspektiven auf Ihr Leben auftun!

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