Die Jünger sind in der
Nacht allein im Boot auf dem See. Jesus kommt über das wilde Wasser
und sagt: "Habt Vertrauen, fürchtet euch nicht!"
(Mt 14,27) Petrus wagt es und will über das Wasser zu Jesus gehen.
Doch er bekommt Angst und sinkt, als er um Hilfe ruft, hilft ihm
Jesus.
Und drei Lesevorschläge:
Als eine Geschichte der
Freundschaft lässt sich das Sonntagsevangelium lesen.
Seit Jesus die Brüder
Petrus und Andreas am Anfang seines öffentlichen Auftretens gerufen
hat (Mt 4,18ff), wuchs ihre Beziehung immer tiefer und enger. Petrus
lernte Jesus kennen, Jesus lernte Petrus kennen. Jesus zeigt sich
vornehmlich als Prediger, als selbstbewusst über dem Sabbat
Stehender, als Wunderheiler. Und Petrus geht mit, er steht meist
dabei und lernt. Später wird er sich noch mehr exponieren, vorerst
ist er einer unter den anderen Jüngern.
Und hier tritt er zum
ersten Mal im Matthäusevangelium stärker hervor.
Besonders in Männergruppen
gibt es ja immer einige, die ein bisschen auftrumpfen müssen. Auch
Petrus scheint auf dem See eine besondere Nähe zu Jesus herstellen
zu wollen und verlässt vor den Augen der anderen Jünger das sichere
Boot, um dem Freund auf dem Wasser entgegen zu gehen.
Umspült. Polnische Ostseeküste, 2019. |
Seiner plötzlich
aufkommenden Angst begegnet Jesus "sofort" mit
ausgestreckter Hand (v31).
Solche Freunde wünscht
man sich, wenn es eng wird. Oder wenn man sich vergaloppiert und
sanft wieder eingefangen werden muss. Genau das tut Jesus mit dem
ungestümen Petrus ja.
Die Besonderheit des
Freundes Jesus besteht nun darin, dass er auch in außergewöhnlichen
Situationen das Heft des Handelns in der Hand behält und und Macht
hat, den Anderen nicht ersaufen zu lassen. Diese Autorität Jesu war
schon in den Streitgesprächen und der Auslegung der Tora für die
Jünger erkennbar, nun wird sie für Petrus zur Rettung.
Für meine eigene
Freundschaft mit Jesus ziehe ich daraus, dass ich auf ihn vertrauen
kann, auch wenn ich selbst es mal übertreibe.
Als eine Geschichte des
Zweifels lässt sich dieses Evangelium lesen.
Petrus wird später im
Matthäusevangelium als der Fels bezeichnet, auf dem die Kirche
gebaut ist (Mt 16,18). Sein Bekenntnis, sein Glaube, seine Offenheit
für die Einsicht in Jesu Sendung sind es, die zur Basis für diese
Aussage Jesu werden.
Doch in unserer Geschichte
hat neben dem Vertrauen auf den Freund auch der Zweifel einen festen
Platz. Konkret heißt es, als Petrus aus dem Boot gestiegen war: "Als
er aber den heftigen Wind bemerkte, bekam er Angst." (v30)
Der sympathische Übermut
des Petrus schlägt nun um in Angst vor der eigenen Courage. Der Fels
sinkt. Seine Erfahrungen mit Jesus, sein Glaube, sein Vertrauen –
alles ist plötzlich dahin.
War das also wirklich
bewundernswertes Vertrauen – oder ärgerliche Selbstüberschätzung?
Der Text weist darauf hin,
dass die Verschiebung seines Fokus den Petrus aus dem Takt gebracht
hat. Sein Blick war eben nicht mehr auf Jesus gerichtet, sondern auf
die grausamen Naturgewalten.
Auch uns kann das so
gehen, gerade in Zeiten von Corona.
Ich ziehe für mich
heraus, dass ich mich gerade in meinem Zweifeln mehr auf Gott
ausrichten will.
Als eine Geschichte
der Nacht lässt sich unser Evangelium schließlich lesen.
Die Nacht verändert die
Wahrnehmung. Die Nacht verändert die Beziehungen. Die Nacht
verändert nicht zuletzt die Temperaturen und bringt Abkühlung nach
der Hitze des Tages.
Manche Dinge scheinen in
der Nacht unwirklich, Gefühle intensivieren sich, vieles lässt sich
in der Nacht unbemerkt tun, geschützt durch das Dunkel. In der Nacht
wächst die Ungewissheit.
Und in der Nacht sind die
Jünger nun unterwegs. Das Evangelium nennt die letzte der
Nachtwachen als die Zeit, in der Jesus kommt (v25). Das Schlimmste
sollte also schon vorbei sein. Der Tag bricht ja gleich an – und
dann kommt der Schreck doch noch einmal über die Jünger, so dass
"sie schrien vor Angst." (v26)
Das lässt sich so lesen,
dass Jesus wirklich wie der Morgen (oder sogar als der neue
Morgen) zu ihnen kommt. Er bringt Licht und Klarheit. Die Jünger
aber sind noch innerlich gefangen in der Nacht. Auch Petrus steckt,
während er untergeht, in der Nacht des Glaubens – ohne die
Erfahrung von Stärkung, von Schrecken umgeben. Doch "sofort"
wird er gerettet (v31). Er sieht wieder Licht, könnte man sagen.
Ich lese darin für mich
eine Aufforderung, achtsam zu sein für die Zeit, in der ich mich
befinde und das Kommen Jesu auch in meinem Herzen ankommen zu lassen.
Damit er meine Nacht erleuchten kann.
Morgen über den Wassern?! Abenddämmerung in Nauen, 2019. |
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