Eine Klärung gleich zu Beginn: Diese
Massenaufläufe, die Jesus laut Evangelium (Mt
14,13-21) verursacht hat, hätten unter Corona-Bedingungen
natürlich sofort aufgelöst werden müssen. Keiner hatte eine Maske
dabei, Brot wird von Hand zu Hand weitergereicht, Abstand wurde nicht
eingehalten. Immerhin trug wohl niemand eine schwarz-weiß-rote
Reichsflagge oder einen Aluhut.
Kurz: Das Evangelium hat wieder einiges
an Stoff zu bieten. Es zeigt Jesus als Freund eines Knackis;
präsentiert eine Basisanweisung für Christen; weist auf die
Wichtigkeit von guten Mitarbeitern hin.
Ruhe finden ohne Massen. Zinnowitz, Usedom, 2020. |
1. Jesus zieht sich zurück!
Jesus hatte, dessen kann man sich wohl sicher sein, in diesem Moment überhaupt kein
Interesse an diesen Massenaufläufen.
Er ist in seiner Heimat unterwegs, wie
immer zu Fuß, wie immer mit seinen Jüngern, wie immer und er
scheint gerade etwas Ruhe zu brauchen. Denn einer der religiös
einflussreichsten Männer seiner Zeit, Johannes der Täufer, der auch
einer der Vorbereiter seines eigenen Weges war, in gewissem Sinne
eines seiner Vorbilder, wird ins Gefängnis geworfen und umgebracht.
Johannes nämlich war König Herodes zu frech geworden und hatte
seinen Lebensstil angeklagt, als dieser seine Schwägerin zur Frau
nahm.
Jesus fühlt sich wie ein
Angehöriger dieses Mannes (der Evangelist Lukas legt sogar eine
Verwandtschaft nahe). Ich weiß nicht, wie viel Ihre Verwandten Ihnen
erzählen über ihre Gefühle, als Sie hierher kamen und erst einmal
aus dem Blickfeld der Familie und Freunde verschwanden. Für nahe
Angehörige ist das sicher keine einfache Zeit – ein Vater, ein
Bruder, ein Ehemann, ein guter Freund ist plötzlich weg. Sicher, das
alles hatte sich schon angekündigt – sowohl die Festnahme des
Johannes wie auch Ihre Inhaftierung haben natürlich eine
Vorgeschichte. Und es gibt selbstverständlich auch eine
Verantwortung dafür, die nicht nur bei den Machthabern oder der
Justiz liegt, sondern auch bei den Eingesperrten selbst.
Wenn diese Trennung dann wirklich dran
ist, kann das ein ziemlicher Schock sein. Eine wichtige Person ist
plötzlich weg und der Alltag, die Abende, dieser komische Sommer
muss ohne ihn gestaltet werden. Auch für Jesus bedeutete der Verlust
von Johannes sicher einen großen Schmerz.
Ich lade Sie ein, sich für einen
Moment der Stille in Menschen zu versetzen, die Ihnen nahe sind und
in Ihrem Herzen ein kurzes Gebet für sie zu sprechen (auch dann,
wenn Ihre Inhaftierung vielleicht schon eine Weile her ist und Sie
vielleicht gar nicht den Eindruck haben, dass es jemanden schmerzt).
2. Was sagt die Geschichte über das
Christsein?
Für Jesus aber ging es gleich weiter.
Ihm blieb keine Zeit für Rückzug und Trauer. Die Menschen, die ihm
bis zum Abend gefolgt waren, sind inzwischen hungrig geworden.
Ich will hier nicht bewerten, was genau
damals geschehen ist – die Essenz der Geschichte ist auch wichtig,
wenn wir über die Frage, ob es ein "Wunder" war oder
nicht, hinausschauen:
Sie sagt etwas aus darüber, was
Christsein bedeutet.
Christsein bedeutet, dass jeder und
jede zählt – niemand muss weggeschickt werden. Für mich ist Jesu
Antwort auf die Mutlosigkeit der Jünger sehr eindeutig: "Sie
brauchen nicht wegzugehen." (v16)
Christsein bedeutet auch Gemeinschaft –
die Menschen kommen zusammen zu Jesus, und sie bilden eine große
Gemeinschaft dort auf den abendlichen Wiesen. Wir sind als Christen
nicht allein, auch wenn es manchmal so wirkt.
Teilen, teilen, teilen. Fisch in Trassenheide, Usedom, 2020. |
Christsein bedeutet, dass wir bedürftig
sein können. Wir müssen nicht alles dabei haben, nicht fertig
geschniegelt und gestriegelt zu Gott kommen. Es darf uns ruhig noch
etwas fehlen.
Christsein bedeutet auch, dass wir
beschenkt sind. Auch wenn wir glauben, zu wenig dabei zu haben, was
uns durch harte Zeiten bringen kann, dürfen wir uns an Gott wenden
und darauf vertrauen, dass er uns reich beschenkt.
Christsein bedeutet schließlich zu
teilen. Das, was wir haben, weiterzugeben, kann alle satt machen.
Wenn wir die Geschichte so lesen, wird
nebensächlich, was genau da historisch passiert ist, und es öffnet
einen Raum um zu verstehen, worum es beim Christsein geht.
(Ausführlicher habe ich schon hier darüber geschrieben.)
3. Was sagt die Geschichte über die
Kirche?
Wer viel Arbeit hat, muss lernen, diese
Arbeit auf fähige Leute aufzuteilen. Auch Jesus braucht fähige
Mitarbeiter. Und Jesus kann delegieren – er gibt Aufgaben an die
Jünger ab. Zunächst sagt er zu ihnen, angesichts der knappen Lage,
natürlich etwas provokativ: "Gebt ihr ihnen zu essen."
(v16) Als sie zugeben müssen, dass sie nicht wissen, wie sie die
vielen Menschen mit dem Wenigen, das ihnen zur Verfügung steht, satt
bekommen sollen, greift er ihnen unter die Arme und wendet sich an
Gott. Dann weist er sie an, alles auszuteilen. Konkret steht dort: Er
"brach die Brote und gab sie den Jüngern; die Jünger aber
gaben sie den Leuten" (v19)
Das was sie geben, bekommen sie von
Jesus. Sie können nichts anderes weitergeben als das, was sie
empfangen. Dabei geht alles auch durch ihre Hände. Das ist zwar
nicht hygienisch, aber es macht deutlich, dass Jesus tatsächlich
viele Hände braucht. Dass auch Jesus nicht alles allein macht.
Und dass er auf diese Weise ein
Beispiel geben kann für leitende Personen in der Kirche, über die
wegen der aktuellen vatikanischen Instruktion
über die Ausrichtung von Pfarrgemeinden gerade viel
diskutiert wird. Ich persönlich bezweifle, dass der Wunsch,
Leitungsverantwortung auf die geweihten Amtsträger zu konzentrieren,
wie sie in der Instruktion aufscheint, realistisch ist.
Das Evangelium zeigt nämlich, dass
Sorge und Statusangst keine Ratgeber Jesu sind. Vielmehr macht er
Mut, mit dem Wenigen, das wir haben, verantwortlich und zugleich
großzügig umzugehen.
Und das Evangelium macht deutlich, wie
wichtig es ist, dass Gott viele flexible und einsatzbereite
Mitarbeiter auf Erden hat, die gut zusammenarbeiten, seien sie nun
geweiht oder beauftragt oder "einfache Gläubige".
Ich jedenfalls lese: Mit geteilter Verantwortung ans Ziel!
Ausgeteilte Verantwortung. Strand, Usedom, 2020. |
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