Samstag, 1. August 2020

Die Brotvermehrung. Oder: Wie Jesus mit seiner Massendemo umgeht und was gute MitarbeiterInnen ausmacht

Eine Klärung gleich zu Beginn: Diese Massenaufläufe, die Jesus laut Evangelium (Mt 14,13-21) verursacht hat, hätten unter Corona-Bedingungen natürlich sofort aufgelöst werden müssen. Keiner hatte eine Maske dabei, Brot wird von Hand zu Hand weitergereicht, Abstand wurde nicht eingehalten. Immerhin trug wohl niemand eine schwarz-weiß-rote Reichsflagge oder einen Aluhut.

Kurz: Das Evangelium hat wieder einiges an Stoff zu bieten. Es zeigt Jesus als Freund eines Knackis; präsentiert eine Basisanweisung für Christen; weist auf die Wichtigkeit von guten Mitarbeitern hin.

Ruhe finden ohne Massen.
Zinnowitz, Usedom, 2020.
1. Jesus zieht sich zurück!
Jesus hatte, dessen kann man sich wohl sicher sein, in diesem Moment überhaupt kein Interesse an diesen Massenaufläufen.
Er ist in seiner Heimat unterwegs, wie immer zu Fuß, wie immer mit seinen Jüngern, wie immer und er scheint gerade etwas Ruhe zu brauchen. Denn einer der religiös einflussreichsten Männer seiner Zeit, Johannes der Täufer, der auch einer der Vorbereiter seines eigenen Weges war, in gewissem Sinne eines seiner Vorbilder, wird ins Gefängnis geworfen und umgebracht. Johannes nämlich war König Herodes zu frech geworden und hatte seinen Lebensstil angeklagt, als dieser seine Schwägerin zur Frau nahm.
Jesus fühlt sich wie ein Angehöriger dieses Mannes (der Evangelist Lukas legt sogar eine Verwandtschaft nahe). Ich weiß nicht, wie viel Ihre Verwandten Ihnen erzählen über ihre Gefühle, als Sie hierher kamen und erst einmal aus dem Blickfeld der Familie und Freunde verschwanden. Für nahe Angehörige ist das sicher keine einfache Zeit – ein Vater, ein Bruder, ein Ehemann, ein guter Freund ist plötzlich weg. Sicher, das alles hatte sich schon angekündigt – sowohl die Festnahme des Johannes wie auch Ihre Inhaftierung haben natürlich eine Vorgeschichte. Und es gibt selbstverständlich auch eine Verantwortung dafür, die nicht nur bei den Machthabern oder der Justiz liegt, sondern auch bei den Eingesperrten selbst.
Wenn diese Trennung dann wirklich dran ist, kann das ein ziemlicher Schock sein. Eine wichtige Person ist plötzlich weg und der Alltag, die Abende, dieser komische Sommer muss ohne ihn gestaltet werden. Auch für Jesus bedeutete der Verlust von Johannes sicher einen großen Schmerz.

Ich lade Sie ein, sich für einen Moment der Stille in Menschen zu versetzen, die Ihnen nahe sind und in Ihrem Herzen ein kurzes Gebet für sie zu sprechen (auch dann, wenn Ihre Inhaftierung vielleicht schon eine Weile her ist und Sie vielleicht gar nicht den Eindruck haben, dass es jemanden schmerzt). 

2. Was sagt die Geschichte über das Christsein?
Für Jesus aber ging es gleich weiter. Ihm blieb keine Zeit für Rückzug und Trauer. Die Menschen, die ihm bis zum Abend gefolgt waren, sind inzwischen hungrig geworden.
Ich will hier nicht bewerten, was genau damals geschehen ist – die Essenz der Geschichte ist auch wichtig, wenn wir über die Frage, ob es ein "Wunder" war oder nicht, hinausschauen:
Sie sagt etwas aus darüber, was Christsein bedeutet.
Christsein bedeutet, dass jeder und jede zählt – niemand muss weggeschickt werden. Für mich ist Jesu Antwort auf die Mutlosigkeit der Jünger sehr eindeutig: "Sie brauchen nicht wegzugehen." (v16)
Christsein bedeutet auch Gemeinschaft – die Menschen kommen zusammen zu Jesus, und sie bilden eine große Gemeinschaft dort auf den abendlichen Wiesen. Wir sind als Christen nicht allein, auch wenn es manchmal so wirkt.
Teilen, teilen, teilen.
Fisch in Trassenheide, Usedom, 2020.
Christsein bedeutet, dass wir bedürftig sein können. Wir müssen nicht alles dabei haben, nicht fertig geschniegelt und gestriegelt zu Gott kommen. Es darf uns ruhig noch etwas fehlen.
Christsein bedeutet auch, dass wir beschenkt sind. Auch wenn wir glauben, zu wenig dabei zu haben, was uns durch harte Zeiten bringen kann, dürfen wir uns an Gott wenden und darauf vertrauen, dass er uns reich beschenkt.
Christsein bedeutet schließlich zu teilen. Das, was wir haben, weiterzugeben, kann alle satt machen.

Wenn wir die Geschichte so lesen, wird nebensächlich, was genau da historisch passiert ist, und es öffnet einen Raum um zu verstehen, worum es beim Christsein geht.

(Ausführlicher habe ich schon hier darüber geschrieben.)

3. Was sagt die Geschichte über die Kirche?
Wer viel Arbeit hat, muss lernen, diese Arbeit auf fähige Leute aufzuteilen. Auch Jesus braucht fähige Mitarbeiter. Und Jesus kann delegieren – er gibt Aufgaben an die Jünger ab. Zunächst sagt er zu ihnen, angesichts der knappen Lage, natürlich etwas provokativ: "Gebt ihr ihnen zu essen." (v16) Als sie zugeben müssen, dass sie nicht wissen, wie sie die vielen Menschen mit dem Wenigen, das ihnen zur Verfügung steht, satt bekommen sollen, greift er ihnen unter die Arme und wendet sich an Gott. Dann weist er sie an, alles auszuteilen. Konkret steht dort: Er "brach die Brote und gab sie den Jüngern; die Jünger aber gaben sie den Leuten" (v19)

Das was sie geben, bekommen sie von Jesus. Sie können nichts anderes weitergeben als das, was sie empfangen. Dabei geht alles auch durch ihre Hände. Das ist zwar nicht hygienisch, aber es macht deutlich, dass Jesus tatsächlich viele Hände braucht. Dass auch Jesus nicht alles allein macht.
Und dass er auf diese Weise ein Beispiel geben kann für leitende Personen in der Kirche, über die wegen der aktuellen vatikanischen Instruktion über die Ausrichtung von Pfarrgemeinden gerade viel diskutiert wird. Ich persönlich bezweifle, dass der Wunsch, Leitungsverantwortung auf die geweihten Amtsträger zu konzentrieren, wie sie in der Instruktion aufscheint, realistisch ist.

Das Evangelium zeigt nämlich, dass Sorge und Statusangst keine Ratgeber Jesu sind. Vielmehr macht er Mut, mit dem Wenigen, das wir haben, verantwortlich und zugleich großzügig umzugehen.
Und das Evangelium macht deutlich, wie wichtig es ist, dass Gott viele flexible und einsatzbereite Mitarbeiter auf Erden hat, die gut zusammenarbeiten, seien sie nun geweiht oder beauftragt oder "einfache Gläubige".
Ich jedenfalls lese: Mit geteilter Verantwortung ans Ziel!

Ausgeteilte Verantwortung.
Strand, Usedom, 2020.

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