Es war fast der größtmögliche
Schaden, den es für einen aufstrebenden Ritter überhaupt geben
konnte: Als Ignatius von Loyola 1521 mit einer kleinen Schar von
Mitstreitern die Festung von Pamplona vor der Übernahme durch die
französische Übermacht bewahren wollte, zerschmetterte ihm eine
Kanonenkugel das Bein. All sein höfischer Ehrgeiz, seine Eitelkeit
und sein Streben nach Fortkommen durch Kampf und Kraft war von einem
Moment auf den nächsten dahin.
Nachdem der Schwerverletzte ins
heimatliche Schloss nach Loyola zurück transportiert worden war,
begann die lange Zeit der Heilung (mehr zu seinem Leben hier).
Für Ignatius war es eine Art Shutdown,
den er brauchte, um sein Leben neu zu ordnen.
Am heutigen Fest des Heiligen spricht
mich besonders das Thema von Krankheit und Heilung, von altem und
neuem Leben (natürlich mit Blick auf die coronabedingten
Irritationen und Neuordnungen) an.
Auf den Haufen geworfen. Linum, 2018. |
1.
Am Beginn der Neuordnung stand
allerdings der Wunsch des Kranken, sein Bein nach fast erfolgter
Genesung noch einmal brechen zu lassen, "denn der Knochen
trat dort so hervor, dass es eine häßliche Sache war."1
Eben wegen dieser drohenden Hässlichkeit seiner neuen Existenz litt
Ignatius noch einmal fürchterliche Schmerzen für die
Neuausrichtung. Im Rückblick sieht er darin seine eigene Egozentrik
am Werk.
Dass es mit dem alten Leben aus war,
konnte er nicht akzeptieren, ein neues Leben konnte er sich nicht
vorstellen. An diesem Punkt stehen wir in den Umbrüchen unserer Zeit
weitestgehend – mit Corona, mit der Klimakrise, mit vielen anderen
Themen. Es ist eine Zwischenzeit, die wir aushalten müssen.
2.
Nach diesem letzten Versuch einer
physisch erzwungenen Rückkehr in Richtung altes Leben beginnt –
die große Langeweile. In seinem in der dritten Person gehaltenen
"Bericht des Pilgers" beschreibt er das:
"Und allmählich befand er sich
so gut, daß er in allem sonst gesund war und sich nur nicht gut auf
dem Bein halten konnte. Und so war er gezwungen, im Bett zu bleiben.
Und weil er der Lektüre von weltlichen und falschen Büchern sehr
ergeben war, die man Ritterromane zu nennen pflegt, bat er, als er
sich gut fühlte, man möge ihm einige davon geben, um die Zeit zu
verbringen. Doch in jenem Haus fand sich keines von denen, die er zu
lesen pflegte."2
Ich fürchte mich sehr vor solchen
Situationen, in denen plötzlich gute Lektüre fehlt. Darum habe ich
in der Regel irgendwas zum Lesen dabei. Aber für den heiligen
Ignatius war genau das Fehlen dessen, was er suchte, ein Segen –
für sein restliches Leben, für die Kirche und die Welt.
Denn die frommen Bücher, die es als
einzige Lektüre gab, drehten sein Leben in entscheidender Weise.
Auch wenn es bis zu einer gereiften Persönlichkeit noch eine Weile
dauerte und zunächst viele Irrwege im radikalreligiösen Eifer
bedeutete, wurde die erzwungene Ruhe bei religiöser Lektüre zum
Ausgangspunkt seines neuen Lebens.
Ich wünschte, ich hätte die Hoch-Zeit
des Corona-Shutdowns auch so genutzt. Weniger Ablenkung, aber mehr
geistliche Tiefe. Die Zeiten bieten zwar andere mediale
Möglichkeiten, aber das erzwungene Zu-Hause-Bleiben hätte schon
mehr Möglichkeiten geboten.
(Wenn es so weitergeht, werden wir
demnächst ja noch einmal zu Hause bleiben müssen...)
Achtsam für den steten Tropfen. Hedwigsfriedhof, Reinickendorf, Berlin, 2019. |
3.
Zu guter Letzt: Entscheidend war für
Ignatius nicht nur seine Hinwendung zur Religion. Nein, auch eine
neue Sicht auf sich selbst und seine inneren Regungen gewann er durch
diese Zeit auf dem Ruhelager.
Wenn er sich vorstellte, wie er
ritterliche Heldentaten vollbrachte, fühlte er sich wohl. Ebenso
erging es ihm bald, als er sich auf seine neuen Helden wie die
Heiligen Franziskus und Dominikus konzentrierte. Während er sich
nach weltlichen Träumereien aber "trocken und unzufrieden"
fühlte, blieb er nach Gedanken an ein heiliges Leben "zufrieden
und froh". So begann er langsam und schrittweise, "die
Verschiedenheit der Geister zu erkennen, die sich bewegten".3
Dieser aufmerksame Blick für das
eigene Innere und besonders dafür, was dort wirklich und langfristig tröstend und befriedigend wirkt, ist eine der großen Einladungen
des Ignatius für alle, die sich mit seiner Hilfe auf einen Weg in
die Nachfolge Jesu begeben.
Das war das Motto des heiligen
Ignatius: Wahrnehmen, was sich bewegt und dann gut entscheiden.
(Mehr dazu in den Worten von Karl Rahner hier)
(Mehr dazu in den Worten von Karl Rahner hier)
Danke für die Erinnerung. Fast wäre mir das Ignatiusfest weggerutscht. Wir hatten es heute mehr vom Opferfest der Muslime, das heute beginnt.
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