Eine kurze Nachbemerkung zu den
Kirchenaustritten 2019, die ich im letzten Beitrag schon thematisiert
hatte.
Die innere Entfremdung vieler
Christinnen und Christen von „ihrem“ Glauben setzt früher ein,
als es die aktuellen Zahlen vermuten lassen. Wie Andreas Püttmann in
einem Kommentar
für katholisch.de darlegt, ist es angesichts der lange schon
dokumentierten gesunkenen Zustimmungswerte zu zentralen christlichen
Glaubensinhalten eigentlich erstaunlich, wie viele Menschen überhaupt
noch in der Kirche bleiben, wenn sie deren Glauben gar nicht mehr
teilen.
Es muss, das ist die logische Folge,
eine Unmasse an Kirchengliedern geben, die grundlegende Überzeugungen
„ihrer“ Kirche nicht teilen und deren Christsein sich auf die
regelmäßige Zahlung der Kirchensteuer beschränkt. Trotzdem nennen
wir sie Christen (mal abgesehen davon, dass auch Ausgetretene
weiterhin Getaufte sind).
Angekommen? Kremmener See, 2018. |
Die deutschen Behörden haben aber noch
einen ganz anderen Blick auf diese Problematik. Die im Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) tätigen Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter müssen bei bestimmten Asylentscheidungen darüber
befinden, ob beispielsweise einer aus dem Iran geflüchteten Person,
die sich in Deutschland hat taufen lassen, aus diesem Grund Asyl
gewährt werden soll, da ihr im Iran Verfolgung und im schlimmsten
Fall der Tod drohen.
Auf welche Weise entscheidet man
darüber, ob der Asylgrund christlicher Glaube nur vorgespielt ist
oder einer inneren Entscheidung entspricht? Eine nahezu unmögliche
Aufgabe.
Reines Glaubenswissen kann nicht
entscheidend sein, da es sich um eine über die Ratio hinausgehende
gesamtmenschliche Entscheidung handelt. Fehlendes Glaubenswissen ist
unter Umständen aber auch nachteilig, da die Hinwendung zum Glauben
als nicht fest genug begründet angesehen werden kann.
Im ersten Newsletter
des Jesuitenflüchtlingsdienstes in diesem Jahr wird der
abschlägige BAMF-Bescheid eines konvertierten Afghanen zitiert:
Darin wird bezweifelt, „...dass
der Antragsteller aus ernsthafter, fester innerer Überzeugung zum
christlichen Glauben übergetreten ist und für ihn die Ausübung des
christlichen Glaubens eine besondere, identitätsprägende und
unverzichtbare Bedeutung darstellt (…) Der Antragsteller wirkt eher
intellektuell informiert, als persönlich berührt. Es ist durchaus
glaubhaft, dass die Taufe und die gemeindlichen Bindungen und
Strukturen sich auf sein Leben beruhigend und ordnend ausgewirkt
haben bzw. auswirken. Eine enge persönliche Gottesbindung mit dem
dauerhaften, ernsthaften Bedürfnis, ein zentral christlich geprägtes
Leben weiterhin in Deutschland und dann auch in der Heimat zu führen,
ist bei ihm jedoch nicht überzeugend erkennbar. Es fehlt an der
hinreichenden Darlegung der näheren Umstände seiner behaupteten
inneren Wandlung.“
Ein überzeugtes Christsein wird diesem
jungen Mann also staatlicherseits abgesprochen. Das gilt auch dann,
wenn davon ausgegangen werden muss, dass die auf die Taufe
vorbereitenden Kirchenmitarbeiterinnen und -mitarbeiter nicht
leichtfertig handeln und Interessierte äußerst verantwortungsvoll
in die jeweilige Kirche aufnehmen. Außerdem ist die Entscheidung
über die Spendung der Taufe sowieso eine genuin kirchliche Aufgabe.
Zurück zum Anfang:
Kirchenmitglieder, die oft genug ohne
praktizierten Glauben leben, werden umstandslos als Christen
angesehen und gezählt – getaufte Asylbewerber dagegen müssen dem
Staat erst beweisen, dass sie wirklich Christen sind.
Das ist absurd!
So sehr ich mich sonst über die in
Deutschland übliche Kooperation von Staat und Kirchen freue – an
dieser Stelle bin ich ratlos. Immerhin gibt es inzwischen einen
Beschluss
des Bundesverfassungsgerichts, der die staatliche
Glaubensüberprüfung etwas einschränkt.
Aber ich frage mich, was passieren
würde, wenn einem bio-deutschen Katholiken folgendes Zeugnis vom
Staat ausgestellt werden würde: „Eine enge persönliche
Gottesbindung mit dem dauerhaften, ernsthaften Bedürfnis, ein
zentral christlich geprägtes Leben … zu führen, ist bei ihm …
nicht überzeugend erkennbar.“
Ist Ihnen dieses Haus fromm genug? Linum, 2018. |
Die andere Variante gibt es auch: Jemand wurde im Asylverfahren abgelehnt, weil sie nicht auskunftsfähig war, was der Unterschied zwischen dem katholischen und dem evangelischen Abendmahlsverständnis ist. Ich vermute, die meisten Kirchenmitglieder wären da auch nicht so fit in dieser Fragestellung.
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