Donnerstag, 6. Mai 2021

Liebe gewinnt! Ein Radiobeitrag

 So ähnlich werde ich am Sonntag, 09.05.2021, früh um ca. 10 vor 10 auf rbb 88,8 zu hören sein:

Am heutigen Sonntag und am morgigen Montag werden in vielen Kirchen in Deutschland Liebende gesegnet. An sich ist das nichts ungewöhnliches – solche Segnungen haben eine lange Tradition im katholischen Glauben, besonders am Valentinstag kann man das vielerorts erleben. Und auch bei einer kirchlichen Eheschließung gehört die Bitte um Gottes Segen, seinen Beistand und seine Gegenwart, selbstverständlich dazu.
Heute und morgen aber geschieht etwas Besonderes. Denn unter dem Motto "Liebe gewinnt" wollen katholische Seelsorgerinnen und Seelsorger ausdrücklich auch gleichgeschlechtliche Liebespaare segnen. Und das ist in der katholischen Kirche ein Politikum.

Make Love great again!
Neuköllner Auto, 2021.
Gesegnet wird, was wachsen und gedeihen soll, was schützenswert ist und Förderung verdient. Deshalb bitten wir in verschiedenen Lebenslagen um einen Segen, denn wir wünschen uns, dass Gott das, was wir tun, gutheißt und begleitet.

Nun schwelt allerdings in der katholischen Kirche seit längerer Zeit ein Streit darüber, was Gott und was die Kirche gutheißt. Konkret gestellt lautet die Frage: Können und sollen gleichgeschlechtliche Partnerschaften gesegnet werden?
Es geht also noch nicht einmal um eine Eheschließung oder eine anderweitige Gleichstellung mit einer heterosexuellen Partnerschaft, sondern "nur" um eine Segnung.

Während aus dem Vatikan vor einigen Wochen ein lautes "Nein" als Antwort kam, beantworten viele Katholikinnen und Katholiken, besonders in Deutschland, diese Frage anders. Und auch ich meine: Wenn die Bibel sagt, dass Gott selbst die Liebe ist, dann sollte es uns ein Bedürfnis sein, Liebende und ihre partnerschaftliche Liebe zueinander zu segnen.

Liebe gewinnt besonders dort, wo wir Verantwortung füreinander übernehmen, uns liebevoll umeinander kümmern, Kinder großziehen und miteinander in Stress und Lockdown aushalten. Dann wird zweitrangig, ob dies in einer homosexuellen oder in einer heterosexuellen Partnerschaft geschieht.

Deshalb wollen katholische Seelsorgerinnen und Seelsorger diese Liebe im Namen Gottes unterstützen und begleiten, gutheißen und segnen – auch wenn manche Kirchenobere hier anders argumentieren.

Liebe gewinnt aber vor allem dann, wenn man sich kennt. Und viele Seelsorgerinnen und Seelsorger kennen aus ihrem persönlichen Umfeld oder aus ihrer Arbeit in den Gemeinden gleichgeschlechtliche Paare. Und sie sehen tagtäglich, wie liebevoll und geduldig, wie freudig und verantwortungsvoll diese Paare miteinander umgehen.
Auch mir geht das so: Ich freue mich, wenn ich mit meinen Töchtern im Kiez spazieren gehe und wir die aufgeweckte Tochter eines uns bekannten lesbischen Paares mit ihren beiden Müttern treffen – denn es ist auf den ersten Blick ersichtlich, was für eine wunderbare Familie sie bilden. Dann wünschte ich, dass meine Kirche ihnen nicht mit der Ausgrenzung begegnet, die gleichgeschlechtliche Partnerschaften dort oft erfahren müssen, sondern auch sie segnend willkommen heißt.

Liebe gewinnt, wenn wir einander nicht wegschicken oder abkanzeln, sondern einander Gutes wünschen. Deshalb wünsche ich Gottes Segen allen Menschen, die sich ehrlich auf eine verantwortungsvolle und liebevolle Beziehung einlassen.

Und meiner Kirche wünsche ich mehr Mut zur Liebe und mehr Mut zum Segnen.

Dann gewinnt die Liebe – bei allen!

Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Sonntag!

 

 

Nachtrag:
Gestern las ich auf Twitter einen Thread von Erik Flügge zu diesem Thema und dem Segensangebot, der mir zu denken gab. Denn Flügge stellte in Frage, dass es überhaupt (viele) gleichgeschlechtliche Partnerschaften gibt, die einen solchen Segen erbitten. Vielmehr sei es eine Selbstvergewisserung des kirchlichen Personals, dass es selbst liberal und "gesellschaftsfähig" sei.
Ich hoffe demgegenüber sehr, dass das nicht nur ein Angebot ohne Nachfrage ist, sondern dass es auch gleichgeschlechtliche Paare gibt, die von der Kirche noch nicht vollends vergrault wurden!

3 Kommentare:

  1. Ich wünsche mir so sehr, dass mehr Be-Geisterte den Mut finden, das Hohelied der Liebe vorzutragen. Als eher unfreiwillig allein Lebender freue ich mich an jeder lebendigen Liebesbeziehung, die ich in den Blick bekomme. Und ich verstehe – im ursprünglichen Sinne – diejenigen in der Kirche _nicht_, die mit in jeder Hinsicht wider-christlicher innerer und äußerer Starre reagieren, wenn sie lebendige Beziehungen in den Blick bekommen. Musste ich mal loswerden.

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  2. Ja, Freude an jeder Liebe - die können wir tatsächlich gut gebrauchen! Freude bleibt in Bewegung und erstarrt nicht... Danke dir!

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