Dienstag, 15. Oktober 2013

Die Welt vom Mount Arbel aus gesehen


Im Sommer dieses Jahres war ich in Israel. Die Landschaften sind überwältigend. Auf dem Weg von Jerusalem hinunter in die Judäische Wüste und dann nordwärts am frischen Grün des Jordantales vorbei nach Galiläa zu fahren, in die Heimat Jesu, das hat mein Herz wirklich aufgehen lassen.

Jordantal, Vordergrund: Israel; Hintergrund: Jordanien

Ich habe viel in der Schrift gelesen während dieser Tage, denn manches erschließt sich natürlich noch einmal ganz anders, wenn man sich innerlich auf den Spuren Jesu durch das Land macht.

Besonders am See Genesareth war ich sehr froh. Am Abend unserer Ankunft in Galiläa habe ich darum den Mount Arbel bei Migdal / Magdala bestiegen:

Blick auf den Mt. Arbel, Migdal
Ich weiß nicht, ob es einer der Berge ist, auf die Jesus sich zum Beten zurückzog. Ich weiß auch nicht, warum ich noch am Abend über einen nicht befestigten Weg im Eiltempo unbedingt dort hinauf wollte. Aber es war die Anstrengung wert, auch wenn ich nicht wusste, wie ich wieder hinabsteigen werde.
Beim Aufstieg hatte ich andere Dinge im Kopf – all die historischen Konflikte um dieses schöne Land, die Tatsache, dass 40km Luftlinie entfernt die syrische Grenze liegt und hinter ihr blutige Kämpfe stattfinden. Die Drohnen, die wir wie kleine Spielzeugflugzeuge über unseren Köpfen gesehen hatten.

Und dann schenkt der unglaubliche Blick über den See eine ganz neue Sicht auf alles. Mit dem Blick von oben auf urbar gemachtes Land nahe der Wüste, mit dem Überblick, der Nähe des Himmels, der Ferne zur geschäftigen Welt der Menschen, der Stille und dem Wind, der Einsamkeit – mit all dem ändern sich Maßstäbe und Definitionen.
Sicher lässt sich die Welt auch von Rom aus anders sehen als von Berlin – und in jedem Fall bietet Frankfurts Westend andere Perspektiven als das Bankenviertel. Vom Berg aus betrachtet aber stehen die Dinge in anderem Licht. Der tiefe Frieden, den ich dort gespürt habe, lässt sich nicht gut in Worte fassen. Doch sicher verbindet er Menschen, die ihn beim Sitzen auf einem Berg, in der Entfernung von allem Zivilisatorischen, spüren, auch über die Zeiten hinweg mit Jesus.


Mt. Arbel, Blick auf den See Genesareth

Wie muss er dieses Land geliebt haben. Die Menschen mit ihren Fragen und Sehnsüchten, ihren Hoffnungen und Ängsten. Seine Verwandten, sein Volk, seine Freunde, seine Glaubensgenossen, seine Gegner, seine Diskussionspartner, seine Zuhörer, seine Jünger und Unterstützerinnen.

Denen er die Liebe Gottes neu nahebringen wollte. Das Volk, auf das Gott geschaut hatte und das die Stimme seines Gottes nun wieder hören sollte, damit es angstfrei neu miteinander umginge. Das er heilen wollte. Das Volk, das er so sehr liebte, um dessentwillen er sich sogar mit seinen religiösen Autoritäten anlegte.
Es ging ihm um die Hinneigung Gottes zu diesen Menschen, deren Lebenswelt er so verbunden war, dass sein ganzes Reden ihre alltägliche Wirklichkeit mit aufnahm – Teig, Samenkörner, Weinberge, Brot, Feldblumen, Fische und Vögel.
Deren Kleinglauben und Anklammerung an Gesetz- und Geboterfüllung er aufbrechen, deren Dämonen er austreiben wollte auf dem Weg zum Herrschaft Gottes unter ihnen.

Und wo stehen wir heute, die wir uns in seiner Nachfolge gehend begreifen, wo stehen wir nach so vielen Jahrhunderten? Spricht uns dieses kleine Land in einer konfliktreichen Region noch von seinen Spuren? Reden und tun wir, wie er geredet und getan hat? Lieben wir unsere Mitmenschen mit der Liebe, mit der er es tat? Spüren wir Gottes Nähe, die er uns zeigen wollte? Lösen wir Fesseln des Unrechts, führen wir einander näher zu dem Gott, der uns wie Vater und Mutter liebt, befreien wir uns gegenseitig von Schuld?

Hoffentlich stehen wir erst am Anfang.