Donnerstag, 2. Januar 2014

Neues Jahr - neues Herz

Der Blog beginnt das neue Jahr mit einer meiner Lieblingsstellen der Heiligen Schrift, einer Zusage Gottes an sein Volk beim Propheten Ezechiel. Wenn sich einige der zugesagten Dinge in diesem Jahr ergeben – das wäre was! Also:

Sag zum Haus Israel: „Ich hole euch heraus aus den Völkern, ich sammle euch aus allen Ländern und bringe euch in euer Land.
Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen.
Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch.“
(Ez 36,24-26)

1
Sag zum Haus Israel: „Ich hole euch heraus aus den Völkern, ich sammle euch aus allen Ländern und bringe euch in euer Land.
Neue Nationalgalerie, Berlin, 2013.
Als eine der wichtigsten Gaben Gottes an sein Volk wurde das Land Israel betrachtet. Die heimatlosen Nomaden, die als Väter und Mütter des Volkes verehrt werden, bekamen im ägyptischen Exil die Zusage eines Ortes, an dem sie Gott anbeten können. Dorthin zogen sie unter vielen Strapazen durch die sprichwörtliche Wüste, den Erzählungen nach 40 Jahre, also fast ein (damaliges) Menschenalter, lang. Schließlich gelangte die nächste Generation ins gelobte Land, in dem „Milch und Honig“ fließen sollten.
Darum ist die spätere Verheißung, die Ezechiel hier bringt, nämlich aus dem babylonischen Gefangenschaft wieder zurück gebracht zu werden, auch ein solcher Anreiz – Israel weiß (und das bis heute), wie wichtig es ist, ein Land zu haben – und auch wir kennen das.
Einen Ort zu haben, an dem man sich zu Hause fühlt, ist für die Lebensgestaltung der meisten Menschen sehr wichtig. Welches ist „mein Land“, in das ich im Stress zurückkehre, in das ich mich gern zurückziehe? Wo ist der Ort, an dem ich ganz gesammelt sein kann, meine Wohlfühl-Station?

2
Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein. Ich reinige euch von aller Unreinheit und von allen euren Götzen.
Die Erzählungen der ersten Zeit im verheißenen Land handeln statt von Milch und Honig von den meist blutigen Auseinandersetzungen mit den angestammten Völkern und ihren Göttern. Die Vielgötterei der neuen Nachbarn wurde als Verunreinigung der eigenen Befreiungserfahrung durch den einen Gott betrachtet. Für das Ein-Gott-Volk Israel boten die vielen Götter keine wirkliche Alternative.
Rein zu sein bedeutete dann unter anderem, sich immer wieder dem Geber der Gaben – Freiheit und Land – zuzuwenden und dies allen Bewohnern zuzugestehen. Der zentrale Begriff der Fastenzeit, die Umkehr, meint im Kern dasselbe: sich neu auf Gott als das Wesentliche im Leben auszurichten, ihn als den Geber alles Guten anzuerkennen. Für das neue Jahr: Welche Dinge lenkten mich vom Wesentlichen ab? Worüber kann ich reinigendes Wasser fließen lassen?

Roßplatz, Leipzig, 2014.

3
Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch. Ich nehme das Herz von Stein aus eurer Brust und gebe euch ein Herz von Fleisch.
Im Alten Testament steht das Herz als Symbol des ganzen menschlichen Inneren, des Denkens, Fühlens und Erinnerns. An diesem Zentralpunkt ermöglicht Gott neue Anfänge, wenn sich die Menschen verhärten und nur noch auf das Eigene richten, anstatt offen zu bleiben für mehr und für Neues. Gottes Geschenk eines Herzens aus Fleisch – das ist die Möglichkeit für mehr Zärtlichkeit, mehr Feinfühligkeit, mehr Einfühlung, eine neue Ausrichtung des ganzen Menschen, oder mit Papst Franziskus: es ist die „Revolution der zärtlichen Liebe“ Gottes.1
Gott ist revolutionäre Zärtlichkeit, er schenkt neue Anfänge. Wo kann mein neuer Einfühlungs-Anfang sein in diesem Jahr – oder gar heute schon?


1   Papst Franziskus, Die Freude des Evangeliums. Das Apostolische Schreiben „Evangelii gaudium“ über die Verkündigung des Evangeliums in der Welt von heute. Freiburg i.Br. 2013, 129 [EG 88].