In was könnte man Fastenzeit-Gedanken
besser kleiden als in die Imperative des Völkerapostels Paulus an
die Gemeinde in Thessaloniki? Am Ende des ersten erhaltenen Briefes
gibt er alles, damit in modischen Trendfarben die wichtigsten Dinge
noch eingenäht werden.
Tulpen, Neukölln, Berlin, 2014. |
"Haltet Frieden untereinander!"
(5,13) – Basissatz ohne Staub, der angesichts der vielgepriesenen
Verschiedenheit, in der tolerante Menschen miteinander umgehen lernen
müssen, regelmäßig aus dem Schrank geholt werden kann. Irdischer
Frieden, von Elie Wiesel provokant auf menschliche Verantwortung hin
zugespitzt: "Die Menschheit muss sich daran erinnern, dass
Friede kein Geschenk Gottes für seine Geschöpfe ist. Er ist ein
Geschenk, das wir uns gegenseitig machen."1
"Ermutigt die Ängstlichen,
nehmt euch der Schwachen an, seid geduldig mit allen!"
(5,14) – Ein Seelsorge-Grundkurs: Trost und Ermutigung im Kampf
gegen die Angst, der Blick und die Tat für diejenigen, die nicht aus
eigener Kraft weiterkommen und über allem die göttlichste aller
Tugenden, die Geduld.
"Freut euch zu jeder Zeit!"
(5,16) – Die bleibende Herausforderung: Paulus ist sie so wichtig,
dass er seinen Gemeinden immer wieder Freude aufgibt (Phil 2,18; 3,1;
2Kor 13,11 u.ö.) und die Galater sogar fragt: "Wo ist eure
Begeisterung geblieben?" (Gal 4,15). Kommt aus dem
Nähkästchen einer liebevoll gepflegten Beziehung zu Christus.
"Betet ohne Unterlass!"
(5,17) – Große Aufforderung, die eine Entmottung verträgt. Ob sie
so zu verstehen ist, wie der gebetshungrige russische Pilger sie
verstand, sei dahingestellt. Er fand jedenfalls in der "Blütenlese"
(Philokalia) der Väter eine Meditationsanleitung von Simeon dem
Neuen Theologen, die ihm fürs erste half: "Setze dich
schweigend und einsam hin, neige den Kopf, schließe die Augen, atme
leicht, schaue mit deiner Einbildung in das Innere deines Herzens,
führe des Verstand, d.h. den Gedanken aus dem Kopf in das Herz.
Sprich nun beim Atmen: 'Herr Jesus Christus, erbarme Dich meiner',
sprich es leise mit den Lippen oder nur mit dem Verstande. Bemühe
dich, zerstreuende Gedanken zu vertreiben, habe Ruhe und Geduld vor
allem und wiederhole diese Beschäftigung recht häufig."2
"Dankt für alles!"
(5,18) – Bei Luther heißt dies in noch schönerem Deutsch: "Seid
dankbar in allen Dingen!" Erinnert mich an Ignatius, der
schreibt, dass die Lernenden "Gott in allen Dingen suchen und
finden"3
sollen. Im Exerzitienbuch wird der Dank zum Schlüssel der Liebe:
Beim weiten Blick auf die Welt und das eigene Leben wird Gottes
Gegenwart mit dankbarer Liebe haltbar vernäht.4
"Löscht den Geist nicht aus!"
(5,19) – Ein Satz für geistbeseelte Interpreten. In allem Handeln
und Wandeln ein offenes Ohr für das Hintergrundrauschen haben? Die
Liebe tun im Geschäft des Alltags? Sich anfeuern lassen vom Spiritus
Dei? Die eigenen Charismen nicht unterbuttern? Mit Geschenken so
umgehen, dass die Nähmaschine Funken schlägt?
Mammutrüssel, Plänterwald, Berlin, 2014. |
"Prüft alles, und behaltet das
Gute!" (5,21) – Geprüft werden muss nur dort, wo die Güte
fraglich ist. Das Gute vom scheinbar Guten unterscheiden zu lernen
ist darum auch bei Ignatius im Blick: Selbst wer gute Absichten hat,
kann das Gute leicht verlieren, wenn er sich täuschen lässt und
sich die Dinge zurechtbiegt. In der personalen Sprache des
Exerzitienbuches: "Es ist dem bösen Engel eigen, der Gestalt
unter einem Lichtengel annimmt, bei der frommen Seele einzutreten und
bei sich selbst hinauszugehen" – darum reicht nicht die
gute Absicht oder ein guter Beginn, sondern um das Gute tatsächlich
zu behalten, muss "der Anfang, die Mitte und das Ende alles
gut" sein.5
Denn nach der Unterscheidung kommt die
eigentliche Herausforderung: Erst nach der Prüfung nur das
Gute behalten!
"Meidet das Böse in jeder
Gestalt!" (5,22) – Ergibt sich aus eben Gesagtem. Merke:
Die Gestalt ändert sich. Bunte Kleider sind nicht immer dran.
Des Apostels Flickschneiderei holt weit
aus: das eigene Leben, die Menschen ringsum, Gott – sie alle kommen
vor, in allem findet sich Möglichkeit, das eigene Leben anzuschauen
und neu auszurichten, in allem atmet österliche
Auferstehungshoffnung.
1 E.
Wiesel, Nobelvorlesung in Oslo. In: Ders., Gesang der Toten.
Erinnerungen und Zeugnis. Freiburg i.Br., Basel, Wien 1987, 191.
2 Zit.
n.: E.-M. Bachmann / G. Schröder (Hgg.), Quellen des Geistes.
Erfahrungen großer russischer Beter. Leipzig 1975, 34.
3 Vgl.
Ignatius von Loyola, Trost und Weisung. Geistliche Briefe. Zürich,
Einsiedeln, Köln 1971, 118f.
4 Vgl.
Ignatius von Loyola, Geistliche Übungen und erläuternde Texte.
Leipzig 1978, 99ff (GÜ 230-237).
5 Ignatius
von Loyola, Geistliche Übungen und erläuternde Texte. Leipzig
1978, 140f (GÜ 332ff).