Frau mit Kind, Halle-Neustadt, 2014. |
Jene Menschen, die in einem totalitären System wie dem sowjetischen aufgewachsen sind und auch noch seinen Untergang erleben konnten, sind vielleicht in besonderer Weise mit der Frage nach Heimat in Berührung gekommen. Trauer um verlorene Sicherheiten in einem vielleicht nicht einmal besonders wohlgelittenen System, das untergegangen ist, kann die Mühen im neuen System zur Qual werden lassen und eine falsche Nostalgie nähren.
Mir als Ostdeutschem jedenfalls geht es
beim Besuch unserer ehemals kommunistisch regierten östlichen
Nachbarn oft so, dass ich mich wie in meine Kindheit versetzt
vorkomme. Die Stätten meiner eigenen Herkunft kann ich zwar
problemlos besuchen, die damalige Atmosphäre unsanierter Grauheit
und schläfrig-trister Gestalten aber finde ich eher in Polen,
Tschechien oder der Ukraine.
Dort ist das kindliche Heimatgefühl
größer als in der sanierten und irgendwie geschrumpften eigenen
Kindheit. Aber Kind bin ich heute ebenso wenig wie DDR-Bürger, auch
wenn ich beides einmal war.
Angesichts der drohenden militärischen
Eskalation auf der Krim muss ich auch an die Heimat derer denken, die
als Christen leben wollen. Der Gemeinde in Philippi schreibt Paulus:
"Unsere Heimat aber ist im Himmel." (Phil 3,20) Ein
zwiespältiger Ausdruck, der Weltflucht bedeuten und Gleichgültigkeit
gegenüber den irdischen Dingen zur Folge haben kann. Zugleich aber
eine ungeheure Relativierung von politischen und nationalen
Ansprüchen. Nicht diese sprechen das erste und letzte Wort über den
Menschen, sondern Gott.
Fastenzeitlich gewendet: die Sehnsucht
nach Gottes Nähe zieht Menschen dahin, Gegenden ihres Alltags hinter
sich lassen, die falsche Prioritäten setzen. Insofern passt die
Jahreslosung der Herrnhuter Brüdergemeine für 2014 sehr gut zu
dieser Deutung der Fastenzeit – in freier Übersetzung: "Gottes
Nähe tut mir gut" (Ps 73,28).
Wenn mit der Bitte "Dein Reich komme" (Mt 6,10) der Herrschaftsbereich des väterlichen Gottes ersehnt wird, dann geht es nicht um Kindheit, sondern um Kindschaft; nicht um ein Imperium, sondern um die Herrschaft des Friedens; nicht um Distanz zur Welt, sondern um Gottes Nähe.
Wenn mit der Bitte "Dein Reich komme" (Mt 6,10) der Herrschaftsbereich des väterlichen Gottes ersehnt wird, dann geht es nicht um Kindheit, sondern um Kindschaft; nicht um ein Imperium, sondern um die Herrschaft des Friedens; nicht um Distanz zur Welt, sondern um Gottes Nähe.