Sonntag, 23. März 2014

Oscar Romero – Widerstand bis zum Sprudeln der Quelle

Oscar Romero, ermordet am 24.03.1980, war seit 1977 Erzbischof von San Salvador und wurde in sein Amt eingesetzt, weil man in dem konservativ-orthodoxen Bischof einen verlässlichen Mann der mit den herrschenden Kräften eng verbundenen Kirche gefunden zu haben glaubte. Einer, der die jesuitischen Bewegungen zugunsten der Befreiungstheologie eindämmen und helfen sollte, dass alles bleibt wie bisher.

Engel von St. Michael, Berlin-Mitte, 2014.
Doch die Entführungen und Ermordungen von sozial engagierten Christen und Priestern, besonders von P. Rutilio Grande SJ, und die Gewalt gegen die armen Bauern aus Angst vor kommunistischer Unterwanderung brachten Romero schließlich dazu, sich im Widerstand gegen die Großgrundbesitzer für Gerechtigkeit in El Salvador einzusetzen.

Es war ein Widerstand gegen das eigeneFallen vor der politischen Macht, Widerstand gegen die Gleichgültigkeit des Kirchenpersonals angesichts der Toten, Widerstand auch gegen die damals weit verbreitete Angst, dass alles, was sich gegen die Privilegien der Besitzenden richtet, sofort als kommunistisch anzusehen sei.

Romero traute den einfachen Menschen Entscheidungen über ihr Leben zu:
"Das Volk muss der Schöpfer seiner eigenen Gesellschaft sein. Sie müssen sich selbst die Gesellschaft, die sie wollen, schaffen, demokratisch, sozialistisch, kommunistisch, sie sind das Volk. Daher ist das, was ich hier mache, eine Herausforderung an die politische Kreativität des Volkes."1
Eine mutige Aussage in einer durch den Systemkonflikt bipolar zerrissenen Welt. Doch Romero sah sich als Bischof legitimiert, autonom bestimmte Organisationen als einen Schlüssel zur Befreiung zu unterstützen:
"Es ist die Verbindung eines Hirten zum Volk, eines Hirten, der weiß, dass das Volk ein Recht auf Organisierung hat und dieses Recht verteidigen muss. Ich weiß, dass die Forderungen des Volkes, die von den Volkorganisationen ausgedrückt werden, gerecht und unterstützenswert sind. Ich habe auch die nötige Freiheit, um den Missbrauch der Organisierung anzuklagen, wenn es Ausweichungen auf Wege der unnötigen Gewalt gibt."2

Flechten auf Muschelkalk, Jena, 2013.
Das ist dünnes Eis.
Romero war ein Mann des Friedens, der selbst keine Gewalt anwendete und auch nicht dazu aufrief, sie anzuwenden. Aber in einem Land, in dem Hunger, Entführung, politischer Mord und wirtschaftliche Ausbeutung zum Alltagsgeschäft der Mächtigen gehörten, sah er Gewalt als letztes Mittel zur Verteidigung als legitim an, wenn, wie er selbst erfahren musste, alle anderen Kommunikationswege ignoriert wurden oder verschlossen waren. Sowohl von seinen Mitbrüdern im Land als auch von Rom wurde er deswegen größtenteils mit Argwohn betrachtet oder gemieden. Gegenüber der Gewalt der Mächtigen hatte die Kirche zu lange ein stilles Dulden gepredigt, ein Ausharren und Stillhalten.
In Romeros eigenen Worten: "Christen haben keine Angst vor dem Kampf. Sie wissen zu kämpfen, aber sie ziehen die Sprache des Friedens vor. Wenn jedoch eine Diktatur die Menschenrechte mit Füße tritt und das gemeinsame Wohl des Landes in Frage stellt, wenn sie untragbar wird, weil sie alle Kanäle zum Dialog, zum Verstehen, zur Vernunft versperrt – wenn dies passiert, dann spricht die Kirche vom legitimen Recht auf Gewalt im Volksaufstand."3 

Solche Worte haben in erster Linie die Gewalt gegen ihn selbst hervorgerufen und verschärft – Schüsse auf sein Haus, Dynamit in einer Kirche, in der er Gottesdienst feiern sollte, Morddrohungen.
Sein Glaubenszeugnis angesichts dessen ist beeindruckend:
"Ich muss Ihnen sagen, als Christ glaube ich nicht an den Tod ohne Auferstehung: Wenn sie mich töten, werde ich im Volk von El Salvador wieder auferstehen. Ich sage das ohne jeden Stolz, vielmehr mit der größten Demut. Als Hirte bin ich durch Gottes Auftrag verpflichtet, mein Leben für die zu geben, die ich liebe, das sind alle Salvadorianer, auch diejenigen, die darauf aus sind, mich umzubringen. Sollten die Drohungen sich erfüllen, so will ich Gott schon jetzt mein Blut anbieten für die Erlösung und Auferstehung von El Salvador. Das Martyrium ist eine Gnade Gottes, die ich nicht zu verdienen glaube. Wenn jedoch Gott das Opfer meines Lebens annimmt, dann soll mein Blut das Samenkorn der Freiheit sein und das Zeichen dafür, dass die Hoffnung bald Wirklichkeit sein wird."4

Steinwand, Gedenkstätte Plötzensee, Berlin, 2014.
Im Evangelium dieses Sonntags spricht Jesus vom Wasser des Lebens, das in den Menschen selbst zur Quelle werden soll. In Erzbischof Romero, so glauben viele Menschen, ist genau dies geschehen – durchdrungen von der Botschaft eines Gottes, der alle liebt und zu sich führen will, hat er knapp drei Jahre für die Armen gekämpft und ist dann ermordet worden.
Während er in einer Kapelle der Hauptstadt San Salvador am Altar stand und predigte, schossen ihn Bewaffnete nieder. Und obwohl ein Aufschrei durch das Land, auch durch die Kirche weltweit ging, konnte das Morden noch jahrelang weitergehen.

Die Erinnerung an Romero aber ist lebendig als an einen, der sich voller Hoffnung der Gewalt ausgesetzt hat. Sein Lebenszeugnis sprudelt weiter. 

Zu Romeros letzten Worten gehören diese: "Wir wissen, dass niemand für immer stirbt und dass diejenigen, die ihre Aufgabe mit tiefem Glauben, mit Hoffnung und Liebe erfüllt haben, die Krone erhalten werden."5



1   O. Romero, Die notwendige Revolution. München und Mainz 1982, 137. Diese und die anderen Zitate sind zitiert nach der Beilage zu einem Romero-Stück von Gerhard Fries, der diese und weitere Hintergrundtexte zusammengestellt hat.

2   O. Romero, in: M. Heckhorn, Die Enkel des Jaguar. El Salvador. Einblicke in ein kleines Land. Berlin 1983, 143.

3   O. Romero, in: P. Erdozain, San Romero de America. Das Volk hat dich heiliggesprochen. Wuppertal 1981, 100.

4   O. Romero, Die notwendige Revolution. a.a.O., 60.