Die Vorstellungen von der Fastenzeit
sind für viele Christen traditionell mit einer Art Grusel belegt –
es wird verzichtet und Buße getan, gebeichtet und umgekehrt.
Gewässer mit Kalendermarkern, Britzer Garten, Neukölln, Berlin, 2014. |
Neuerdings ist Fasten aber auch heilsam
und entschlackend, gesund ist es sowieso und die Kinder lernen in
Comics afrikanische Altersgenossen kennen, denen sie durch ihre
Spende Schulbildung und einen Brunnen ermöglichen.
Beide Perspektiven aber bleiben an der
Oberfläche. Die erste hat viel biblisches Material auf ihrer Seite,
wie die täglichen Lesungen in den katholischen Gottesdiensten zeigen. Die zweite hat mehr Lebensnähe und einen frohgemuteren Blick
auf das Ganze für sich.
In der Tiefe geht es um beides – aber
in einem anderen Licht. Umkehr und Freude sind Wege zu Gott. Sie sind
es aber als Bestandteile einer Lebensveränderung. Denn das meint
Fastenzeit wohl zuerst – Kraft und Mut fassen für eine Beziehung,
die das Leben aus den Fugen bringen kann.
Dazu zählt sicher die
Bestandsaufnahme, die genau und liebevoll das eigene Leben in den
Blick nimmt. Eine Art Bilanzspiritualität1
kann helfen, das eigene behutsam Leben zu ordnen und mit Sympathie
die richtigen "Stellschrauben" zu finden.
Erleichtert wird dieser Blick auf das
eigene Leben dadurch, sich der Liebe Gottes radikal auszusetzen. Er
will schließlich nicht irgendeine gute Tat oder einen Verzicht, er
will uns als Menschen, die ihm ihr Herz schenken. Das ist sicher die
Leistung eines ganzen Lebens; sie kann aber möglich werden, wenn sie
grundiert ist durch das Erfasstsein von der liebevollen Hingabe, die
er selber vorgelebt hat und lebt.
Himmel über der Königsheide, Johannisthal, Berlin, 2014. |
Zur Lebensveränderung zählt auch der
Mut zur Versöhnung – natürlich mit sich selbst, mit den Nächsten,
mit Gott. Aber auch: mit den Umständen und mit der eigenen
Biographie, mit der Herkunft, mit all dem im eigenen Leben
Zerbrochenen. Versöhnung wird vielleicht die Narben nicht verdecken
– aber es werden Narben sein und keine schwelenden Wunden.
Im Bilanzieren, im Lieben, in der
Versöhnung, in allem will Fastenzeit das sein: lebensfördernd. Und
zwar nicht Förderung irgendeines Lebens, sondern unseres Lebens.
Schließlich ist es ein von Gott gegebenes, gehaltenes und geheiltes
Leben, ein Leben, das am Leben Gottes mitlebt.
Denn das heißt wirklich aus den Fugen
sein, wenn wir in der Fastenzeit begreifen, dass die Beziehung, die
wir zu Gott aufnehmen wollen, zu der wir uns immer wieder aufraffen
(müssen), dass diese Beziehung eigentlich seine Beziehung zu uns
ist.
Das ist die Umkehr und die Quelle der
Freude.
1 Den
Begriff verdanke ich Hermann Breulmann SJ, bei dem ich dies einmal
als eine der aufgezeigten Möglichkeiten während einer kirchlichen
Ehevorbereitung hörte.
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