Die französische Tragikomödie "Neues vom Planeten Mars" begleitet den titelgebenden Philippe Mars für
einige Tage durch sein turbulentes Leben am Rande von Paris.
Um es gleich vorab zu sagen: Philippe
wird zwar vorgestellt als einer, der sich gegen die vielen Ansprüche
seiner Umwelt anscheinend nicht wehren kann – doch nach und nach
erscheint er immer mehr als zwar nicht glänzende, dafür aber
zutiefst menschliche Rettergestalt.
Teppichrollen. Haus der Berliner Festspiele, Wilmersdorf, Berlin, 2016. |
Der geschiedene Computerfachmann wird
eingeführt als hoffnungsloser Idealist: an seinem Geburtstag
klingelt seine Ex-Frau ihn nachts aus dem Bett, um entgegen allen
Absprachen wieder einmal die gemeinsamen Kinder bei ihm abzuladen.
Mit deren Gepäck beladen, fordert er den Besitzer eines vor seine
Tür machenden Hundes auf, diese Hinterlassenschaften zu beseitigen,
weil man doch viel weiter komme, wenn alle einander respektieren und
jeder sich um Rücksicht bemühe. "Das glauben Sie wirklich?"
lacht ihn der Andere aus und lässt ihn stehen.
Die Charakterisierung durch diese
Begegnung verdeutlicht, worauf viele Szenen des Filmes hinauslaufen –
die vordergründige Hilflosigkeit als Alltags-Kreuzigung eines
Mannes, der trotz aller Widrigkeiten freundlich bleiben und keinem
schaden will, dabei jedoch ständig vorgeführt wird.
Philippe ist einer, der niemandem etwas
abschlägt: Sein Chef versetzt ihn mittels schmeichelnd-drohender
Argumente ins Büro des Einzelgängers Jérôme. Dieser rastet mit
einem Fleischermesser aus, schneidet Philippe versehentlich das halbe
Ohr ab und landet in der Psychatrie. Eines Abends steht er dann
hilfesuchend vor der Tür und Philippe nimmt den Obdachlosen in sein
Haus auf. Dabei hat er genug Sorgen: Sein zwölfjähriger Sohn
Grégoire schreibt sich sexuell eindeutige Nachrichten mit einer
Klassenkameradin und entführt als seit Neuestem überzeugter
Vegetarier und Tierschützer eine Reihe Versuchsfrösche aus der
Schule.
Zeitgleich versucht Philippes
Schwester, ihm für die Dauer einer Reise auch noch ihren
Miniaturhund anzudrehen. Als er das abschlägt, lässt sie den Hund
unbemerkt stehen und verschwindet, während Jérôme gleich noch eine
Freundin aus der Psychatrie zum Essen und, wie sich herausstellt,
auch noch zum Übernachten eingeladen hat.
Als Zuschauer werden wir in dieses
Panoptikum aus tragischen und komischen Ereignissen von Beginn an
unwiderstehlich hineingezogen, während Philippe Mars selbst in
seinen Träumen immer wieder von außen auf sein Leben schaut – als
Astronaut nähert er sich der Welt aus der Perpektive Gottes und
kommt durch diese Distanzierung seinem Leben im Verlauf des Filmes
immer näher.
Berlinale-Bär. Friedrichstadtpalast, Berlin-Mitte, 2016. |
Bisweilen wirkt Philippe wie ein
bürgerlicher Biedermann, der sich nur deshalb nicht wehrt, weil er
einfach keine Probleme haben will – was diese Probleme nur größer
macht. Von seiner ewig lernenden Tochter wird er darum als Loser
beschimpft, doch auch sie sammelt Philippe im Verlauf des Filmes
nachts weinend von der Wohnung ihres (inzwischen Ex-) Freundes auf,
womit er nicht nur auf die schönste Weise elterliche Fürsorge
zeigt, sondern beweist, dass die Humanität und wohlwollende
Zugewandtheit, die er fortwährend an den Tag legt, einem reinen
Herzen entspringt.
Das zeigt sich auch an der einzigen
Szene, wo die Wut ihm aus den Augen springt: Jérôme und seine
Freundin haben Grégoire überzeugt, gemeinsam eine
Geflügelzuchtanlage zu sprengen und fragen Philippe nun nicht nur
nach seinem Auto, sondern fordern ihn auch noch auf, sie mit den
heimlich gekauften Sprengstoffen zum Ort des geplanten Anschlags zu
fahren.
Wie Philippe daraufhin das eigene
Wohnzimmer zerlegt, erinnert an die Ikonographie des wütenden Jesus
bei der Tempelreinigung – heilige Werte müssen manchmal durch
symbolische Zerstörungsakte verteidigt werden. Was für Jesus das
frevlerische Vergehen am "Haus meines Vaters" (Joh
2,16) ist, ist Philippe das ideologisch motivierte Verbrechen, das
sich nicht am Wohl des Menschen ausrichtet.
Das Finale offenbart Philippe
schließlich nicht mehr als den auf all seine Zusagen Gekreuzigten,
sondern als Retter, der auch sein Leben aufs Spiel setzt.