Wie viele andere medial aktive Menschen vesuche ich mir gerade eine erste Meinung zur päpstlichen
Zusammenfassung der beiden Außerordentlichen Bischofssynoden zum
Thema Familie zu erarbeiten. Da sowohl die Konservativen wie auch die
Liberalen ihren zum Teil starken Enttäuschungen bereits mehr oder
minder polemisch Luft gemacht haben, scheint es spannend, sich mit
dem Text selbst auseinander zu setzen.
Ich lese also im Nachsynodalen
Apostolischen Schreiben "Amoris Laetitia" und finde
bisweilen pointierte Gedanken, die sich teilweise auch schon als
Memes im Netz finden.
Vielleicht ist diese Weise des
Herauspickens einzelner Sätze wirklich eine gute Möglichkeit der
Annäherung, nämlich an mehr oder weniger exemplarischen Passagen
eine individuelle Vertiefung zu wagen.
Erst mal sehen, was noch kommt. Hofeinfahrt, Rixdorf, Berlin, 2016. |
Auch Papst Franziskus selbst mahnt in
den vorgeschalteten Lesehilfen und Klarstellungen, indem er den
"unvermeidlichen" Umfang des Schreibens erwähnt:
"Darum empfehle ich nicht, es hastig ganz durchzulesen."
(AL 7)1
Vielmehr lässt es sich meditativ lesen
und "Abschnitt für Abschnitt geduldig vertiefen",
Interessierte können aber auch, ganz ignatianisch, "nach dem
suchen, was sie in der jeweiligen konkreten Situation brauchen."
(AL 7)
Das kommt mir entgegen.
So lese ich langsam, konzentriere mich
auf Weniges, was mich anspricht, positiv oder negativ. Im Sinne der
Zusätze des Ignatius zum Exerzitienbuch: "Bei dem Punkt, bei
dem ich finde, was ich will, dort werde ich ruhig verweilen, ohne
ängstliche Sorge zu haben, weiterzugehen".2
Ich lese als Vater und Ehemann, als
Theologe, als Kirchenglied, als Schulseelsorger ebenso wie als
kritischer Zeitgenosse in säkularem Umfeld und entdecke im Licht
dieser unterschiedlichen Perspektiven jeweils anderes, auch je nach
Zeit und Stimmung.
Heute also ein paar Sätze zum ersten
Kapitel (Nummern 8-30), in dem eine biblische Grundlegung erfolgt.
Ich will keine Zusammenfassung geben, erwähne nur, was mir auffällt
– selbst wenn ich später im Dokument entdecken sollte, dass es
erweiternde oder korrigierende Gesichtspunkte gibt. Langsames Lesen
beschränkt sich auch...
Allein zu folgendem Hammersatz
bezüglich der Gottebenbildlichkeit des Menschen ließen sich viele Seiten füllen:
"Das liebende Paar, das Leben
zeugt, ist das wahre, lebende „Bildnis“
(nicht jenes aus Stein und Gold, das der Dekalog
verbietet), das imstande ist, den Gott, der Schöpfer und Erlöser
ist, darzustellen." (AL 11)
Selbstverständlich geht es nicht um
ein anthropomorphes Gottesbild oder die Behauptung einer
Zwiegeschlechtlichkeit in Gott. Für die theologische Korrektheit
erläutert der Papst: "Die Transzendenz Gottes bleibt
gewahrt; da er jedoch zugleich der Schöpfer ist, ist die
Fruchtbarkeit des menschlichen Paares ein lebendiges und
wirkungsvolles „Abbild“, ein sichtbares Zeichen des
Schöpfungsaktes." (AL 10)
Neues Licht werfen. Ehemalige Einflugschneise zum Flughafen Tempelhof, Neukölln, Berlin, 2014. |
Nicht nur als Menschen in unserer
jeweiligen Geschlechtlichkeit sind wir Abbild Gottes, konkreter noch
in der fruchtbaren Weitergabe des Lebens. Die klassischen
sexualethischen Prämissen der katholischen Kirche erklären sich vor
diesem Hintergrund recht einfach: wenn die Weitergabe des Lebens im
sexuellen Akt zugleich ein Akt der Liebe und der Hingabe ist, die Maß
nimmt an Gottes Liebe und hingebungsvoller Schöpferkraft und sich
die Gottebenbildlichkeit genau hier verwirklicht, kann die
Verhinderung von Leben durch diesen sexuellen Akt keine
grundsätzliche Zustimmung finden (was m.E. nicht notwendigerweise
etwas über die je konkrete Fragestellung aussagt).
Franziskus erweitert dementsprechend
die Trinitätstheologie um die Theologie der Familie:
"Der
dreieinige Gott ist Gemeinschaft der Liebe, und die Familie ist sein
lebendiger Abglanz." (AL 11)
Daraus folgt für den Papst auch, dass
fruchtbares Familienleben, wie es im ersten Zitat anklang, ein
Beitrag zum göttlichen Erlösungshandeln und damit zur
Heilsgeschichte ist. So schreibt er später: gerade "die
Gegenwart der Kinder ist in jeder Hinsicht ein Zeichen der Fülle der
Familie in der Kontinuität der Heilsgeschichte selbst, von
Generation zu Generation." (AL 14)
Allein die Tatsache, Kinder zu haben,
sorgt mit für das Weiterlaufen der Heilsgeschichte, weil es dem
Schöpfungshandeln Gottes nachfolgt und sein lebensschöpferisches
Liebeswerk weiterführt. Offen gesprochen: mich baut das auf, gerade
in den Niederungen des Erziehungsalltags.
Zugleich ist dieser Blick natürlich
ein gewaltiger Horizont, der in der Lebenspraxis oft genug nicht
ausgefüllt wird (wie Franziskus selbst auch einen "blutbefleckten
Weg des Leidens" (AL 20) in vielen biblischen
Familiengeschichten erkennt).
Zu guter Letzt noch ein
zusammenfassender Satz in die gleiche trinitätstheologische
Richtung:
"Mit diesem Blick, der Glaube
und Liebe, Gnade und Engagement, menschliche Familie und göttliche
Dreieinigkeit umfängt, betrachten wir die Familie, die das Wort
Gottes den Händen des Mannes, der Frau und der Kinder anvertraut,
damit sie eine Gemeinschaft von Menschen bilden, die ein Abbild der
Einheit zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist ist."
(AL 29)
Dass wir diesen Blick oft genug nicht
haben, dass wir diese Zusammenhänge im Leben gerade nicht erfahren,
das wissen wir auch so – dass dieser Blick aber möglich und auch
legitim ist und sich darin sowohl eine göttliche Gabe als auch ein
göttlicher Auftrag für uns verbirgt, das ist eine frohe Botschaft.
[Gedanken zum zweiten Kapitel hier]
[Gedanken zum zweiten Kapitel hier]
Durchblicke langsam erarbeiten. Elstal, 2016. |
1 Papst
Franziskus, Nachsynodales Apostolisches Schreiben Amoris Laetitia,
Vatikan 2016, No. 7. Zu finden unter:
http://w2.vatican.va/content/dam/francesco/pdf/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20160319_amoris-laetitia_ge.pdf.