Mittwoch, 27. April 2016

"Liebe und Wohlwollen zu den Deutschen" – Petrus Canisius als zweiter Apostel Deutschlands

"Sie sollen die erforderliche Gewandtheit im Umgang mit den Deutschen, besonders mit den führenden Männern besitzen ... Im Gespräch sei man weder sarkastisch noch überheblich; vielmehr lasse man sich von Liebe und Wohlwollen zu den Deutschen leiten und sei in Gedanken und Worten offen zu ihnen. ... Die Deutschen werden durch Höflichkeit und Bescheidenheit, die unsere Patres auszeichnen sollten, ... gewonnen ..."1

So schrieb der Jesuit Petrus Canisius 1565 an die Zweite Generalkongregation seines Ordens, um den dort versammelten Patres mitzuteilen, welche Fähigkeiten und Haltungen Ordensangehörige in Deutschland haben müssten.

Blick über Land. Kleinbrembach, 2015.
Die Erfahrung von Geistlichen Übungen bewog ihn 1543 zum Eintritt in den Jesuitenorden, in dem Canisius nahezu ununterbrochen in verschiedenen Teilen Deutschlands tätig war, um den Einfluss der Reformation zurückzudrängen und den alten Glauben zu verteidigen. Zwar war er keiner der härteren Polemiker gegen die Reformatoren, seine Einschätzung der Reformation war aber eine klar negative.2
Allerdings offenbarte auch die altgläubige religiöse Landschaft in seinen Augen wenig Gutes, und hierin ähnelt er Luther durchaus.
Unter den Missständen nennt er vor allem: "eine völlige Unwissenheit im Glauben, die Unkenntnis der Kirche und deren Verachtung. Ferner ist nicht nur das Leben der Laien verderbt, sonder auch das des ganzen Klerus und vor allem der Prälaten und der Ordensleute."3

Dazu kommt eine lähmende Veräußerlichung des Glaubenslebens, das dadurch freudlos und ohne Ausstrahlung bleibt:
"Allgemein gesprochen möchte ich sagen, daß man unter den heutigen Deutschen vergebens nach praktischem Interesse an der Religion sucht. Der Gottesdienst der Katholiken ist so ziemlich auf das Halten einer ohne alle Begeisterung vorgetragenen Predigt an Festtagen beschränkt. Was vom Fasten in der Fastenzeit übrig ist, ist bloß der Name. Denn niemand fastet. Ob und wie selten besucht ein Mann die Kirche und die heilige Messe oder bekundet durch irgendein äußeres Zeichen, daß er noch Freude hat am alten Glauben!
Die Lage ist danach, einen, der sie ernstlich erwägt, das Herz still stehen zu lassen."4

Trotz dieser horrenden Zustände war Canisius klar, dass eine Abwertung der handelnden Personen nicht motivierend ist, sondern die eingangs zitierte Freundlichkeit und Zugewandtheit das Mittel der Wahl darstellen muss.

Auch für die Situation der Kirche unserer Tage werden einige der Diagnosen übernommen werden müssen: neben die Unwissenheit tritt das Desinteresse in einem sich gegenseitig verstärkenden Zirkel, eine blasse Frömmigkeit ehemals volkskirchlicher Gebiete vermag niemanden mehr hinter dem Ofen vorzulocken und kirchliche Verlautbarungen stoßen in der Regel auf taube Ohren in der Öffentlichkeit.
Eimer mit Brandblasen. Berlin-Mitte, 2016.

Gegen eine aus solcher Wahrnehmung drohende resignative Lähmung seien zwei Wege genannt, die Petrus Canisius am Herzen lagen und möglicherweise auch heute hilfreich sein können:

Zum einen ging es ihm um "einen guten Unterricht der deutschen Jugend in verschiedenen Seminarien",5 mithin um Bildung und die Vermittlung einer christlichen Haltung. Als Professor und Autor von drei Katechismen entwickelte er einen katholischen Gegenentwurf zum protestantischen Bildungs- und Katechismusprinzip. Dabei legte er besonderen "Wert auf die Verbindung von Belehrung und Erbauung, von Wissen und Glauben. Für ihn ist Wissen nicht Selbstzweck, sondern dienende Kraft zur Persönlichkeitsbildung."6
Wer den Katechismus des Petrus Canisius heute liest, kann den Eindruck bekommen, es handle sich um das Auswendiglernen autoritativ vorgegebener Antworten. Nichts lag Canisius ferner, vielmehr zeugt sein pastorales und pädagogisches Handeln vom "Versuch, im Kontext jesuitischer Erziehungsziele Werthaltungen, Orientierung und soziale Kompetenz zu vermitteln, die sich im Einatz für andere bewährt."7

Zum anderen suchte Canisius einen "Weg zu den Herzen der Menschen".8 Ihrem Heil galt seine Sorge, und gewinnen wollte er sie durch "Liebe und Wohlwollen".
Ähnliches sehe ich in den Worten und Taten des derzeitigen Papstes Franziskus und seiner starken Betonung der Barmherzigkeit, die meiner Meinung nach auch ein Wandeln in den Spuren des Petrus Canisius darstellt.
Denn nicht die Betonung einer besonderen Autorität hilft Menschen heute zu glauben, sondern die Integrität des gelebten Zeugnisses, dass da jemand gute Erfahrungen mit Gott gemacht hat und diese voller Wohlwollen weitergeben will.


1   Aus einem Brief des Petrus Canisius nach Rom, 1565.
2   Vgl. M. Kehl, Taugt ein Heiliger der Gegenreformation noch für die Postmoderne? In: Entschluss 52 (1997), 20 - 22.
3   Aus einem Brief des Petrus Canisius an Giovanni Kardinal Morone, 1576.
4   Aus einem Brief des Petrus Canisius nach Rom, 1550.
5   Aus einem Brief des Petrus Canisius an Giovanni Kardinal Morone, 1576.
6   R. Haub, Petrus Canisius – Bildungsreformer. Zu seinem dreifachen Katechismus, Bestseller der religiösen Literatur. In: Kurzer Unterricht vom Katholischen Glauben. Der Kleine Katechismus des Petrus Canisius. Dillingen 1560. Frankfurt a.M. 1998 (Geistliche Texte SJ Nr. 20), 4-20, hier 17f.
7   Ebd., 19.
8   So heißt es in den Fürbitten an seinem Gedenktag, in: Messbuch für die Eigenfeste der Gesellschaft Jesu. Frankfurt a.M. 1991, 55.