"Sie sollen die erforderliche
Gewandtheit im Umgang mit den Deutschen, besonders mit den führenden
Männern besitzen ... Im Gespräch sei man weder sarkastisch noch
überheblich; vielmehr lasse man sich von Liebe und Wohlwollen zu den
Deutschen leiten und sei in Gedanken und Worten offen zu ihnen. ...
Die Deutschen werden durch Höflichkeit und Bescheidenheit, die
unsere Patres auszeichnen sollten, ... gewonnen ..."1
So schrieb der Jesuit Petrus Canisius
1565 an die Zweite Generalkongregation seines Ordens, um den dort
versammelten Patres mitzuteilen, welche Fähigkeiten und Haltungen
Ordensangehörige in Deutschland haben müssten.
Blick über Land. Kleinbrembach, 2015. |
Die Erfahrung von Geistlichen Übungen
bewog ihn 1543 zum Eintritt in den Jesuitenorden, in dem Canisius
nahezu ununterbrochen in verschiedenen Teilen Deutschlands tätig
war, um den Einfluss der Reformation zurückzudrängen und den alten
Glauben zu verteidigen. Zwar war er keiner der härteren Polemiker
gegen die Reformatoren, seine Einschätzung der Reformation war aber
eine klar negative.2
Allerdings offenbarte auch die
altgläubige religiöse Landschaft in seinen Augen wenig Gutes, und
hierin ähnelt er Luther durchaus.
Unter den Missständen nennt er vor
allem: "eine völlige Unwissenheit im Glauben, die Unkenntnis
der Kirche und deren Verachtung. Ferner ist nicht nur das Leben der
Laien verderbt, sonder auch das des ganzen Klerus und vor allem der
Prälaten und der Ordensleute."3
Dazu kommt eine lähmende
Veräußerlichung des Glaubenslebens, das dadurch freudlos und ohne
Ausstrahlung bleibt:
"Allgemein gesprochen möchte
ich sagen, daß man unter den heutigen Deutschen vergebens nach
praktischem Interesse an der Religion sucht. Der Gottesdienst der
Katholiken ist so ziemlich auf das Halten einer ohne alle
Begeisterung vorgetragenen Predigt an Festtagen beschränkt. Was vom
Fasten in der Fastenzeit übrig ist, ist bloß der Name. Denn niemand
fastet. Ob und wie selten besucht ein Mann die Kirche und die heilige
Messe oder bekundet durch irgendein äußeres Zeichen, daß er noch
Freude hat am alten Glauben!
Die Lage ist danach, einen, der sie
ernstlich erwägt, das Herz still stehen zu lassen."4
Trotz dieser horrenden Zustände war
Canisius klar, dass eine Abwertung der handelnden Personen nicht
motivierend ist, sondern die eingangs zitierte Freundlichkeit und
Zugewandtheit das Mittel der Wahl darstellen muss.
Auch für die Situation der Kirche
unserer Tage werden einige der Diagnosen übernommen werden müssen:
neben die Unwissenheit tritt das Desinteresse in einem sich
gegenseitig verstärkenden Zirkel, eine blasse Frömmigkeit ehemals
volkskirchlicher Gebiete vermag niemanden mehr hinter dem Ofen
vorzulocken und kirchliche Verlautbarungen stoßen in der Regel auf
taube Ohren in der Öffentlichkeit.
Eimer mit Brandblasen. Berlin-Mitte, 2016. |
Gegen eine aus solcher Wahrnehmung
drohende resignative Lähmung seien zwei Wege genannt, die Petrus
Canisius am Herzen lagen und möglicherweise auch heute hilfreich
sein können:
Zum einen ging es ihm um "einen
guten Unterricht der deutschen Jugend in verschiedenen Seminarien",5
mithin um Bildung und die Vermittlung einer christlichen Haltung. Als
Professor und Autor von drei Katechismen entwickelte er einen
katholischen Gegenentwurf zum protestantischen Bildungs- und
Katechismusprinzip. Dabei legte er besonderen "Wert auf die
Verbindung von Belehrung und Erbauung, von Wissen und Glauben. Für
ihn ist Wissen nicht Selbstzweck, sondern dienende Kraft zur
Persönlichkeitsbildung."6
Wer den Katechismus des Petrus Canisius
heute liest, kann den Eindruck bekommen, es handle sich um das
Auswendiglernen autoritativ vorgegebener Antworten. Nichts lag
Canisius ferner, vielmehr zeugt sein pastorales und pädagogisches
Handeln vom "Versuch, im Kontext jesuitischer
Erziehungsziele Werthaltungen, Orientierung und soziale Kompetenz zu
vermitteln, die sich im Einatz für andere bewährt."7
Zum anderen suchte Canisius einen "Weg
zu den Herzen der Menschen".8
Ihrem Heil galt seine Sorge, und gewinnen wollte er sie durch "Liebe
und Wohlwollen".
Ähnliches sehe ich in den Worten und
Taten des derzeitigen Papstes Franziskus und seiner starken Betonung
der Barmherzigkeit, die meiner Meinung nach auch ein Wandeln in den
Spuren des Petrus Canisius darstellt.
Denn nicht die Betonung einer
besonderen Autorität hilft Menschen heute zu glauben, sondern die
Integrität des gelebten Zeugnisses, dass da jemand gute Erfahrungen
mit Gott gemacht hat und diese voller Wohlwollen weitergeben will.
1 Aus
einem Brief des Petrus Canisius nach Rom, 1565.
2 Vgl.
M. Kehl, Taugt ein Heiliger der Gegenreformation noch für die
Postmoderne? In: Entschluss 52 (1997), 20 - 22.
3 Aus
einem Brief des Petrus Canisius an Giovanni Kardinal Morone, 1576.
4 Aus
einem Brief des Petrus Canisius nach Rom, 1550.
5 Aus
einem Brief des Petrus Canisius an Giovanni Kardinal Morone, 1576.
6 R.
Haub, Petrus Canisius – Bildungsreformer. Zu seinem dreifachen
Katechismus, Bestseller der religiösen Literatur. In: Kurzer
Unterricht vom Katholischen Glauben. Der Kleine Katechismus des
Petrus Canisius. Dillingen 1560. Frankfurt a.M. 1998 (Geistliche
Texte SJ Nr. 20), 4-20, hier 17f.
7 Ebd.,
19.
8 So
heißt es in den Fürbitten an seinem Gedenktag, in: Messbuch für
die Eigenfeste der Gesellschaft Jesu. Frankfurt a.M. 1991, 55.