Es gibt Menschen wie die heilige
Therese von Lisieux, deren Fest die Kirche heute feiert. Sie hatte
eine feste Beziehung zu Gott und wollte schon im frühesten Alter in
ein Karmelitinnenkloster eintreten. Nach mehrfachen Ablehnungen
konnte sie mit Dispens des Ortsbischofs am 09. April 1888 das
Postulat beginnen – im Alter von 15 Jahren!
Die Problemstellung, dass zu junge
Menschen zu enthusiastisch ihre Nähe zur Kirche durch einen Eintritt
ins Kloster ausdrücken wollen, haben wir heute in der Regel nicht.
Auch sonst stellt sich die Gottesbeziehung heutiger junger Menschen
ja selten so intensiv dar, dass man bremsen muss.
Ich jedenfalls hatte dieser Tage ein
Gespräch, das mich in Konflikte stürzt.
Es ging um die
Firmvorbereitung unserer Gemeinde, die aus verschiedenen Modulen
bestand, darunter Sozialeinsatz, Hauskreisgespräche, Kennenlernen
kirchlicher Einrichtungen und Menschen in der Nachfolge Jesu vor Ort,
Gottesdienstfeiern und eine gemeinsame Feier der Versöhnung. Kein
Programm, das zu hohe geistliche Anforderungen stellt, aber das
helfen sollte, in einem guten halben Jahr sich selbst und Gott in der
Kirche vor Ort näher zu kommen.
Für die mehr oder weniger kirchlich
sozialisierten Jugendlichen zwischen 16 und 18 bedeutet es in erster
Linie regelmäßigen Zeiteinsatz und Reflexion über die eigenen
Motivation zu diesem "Sakrament der Mündigkeit".
Jesu warnend-segnende Finger. München, 2015. |
Mein Gespräch also hatte kein
Ausbremsen religiösen Überschwangs zum Ziel, sondern die
Vermittlung der Entscheidung unseres Teams, dass die Firmung für
diese Person nach extrem wenig Teilnahme an der Vorbereitung nicht
möglich erscheint.
Es ergab sich aus offensichtlich
geringer Anfangsmotivation nur wenig Zeitinvestition und daraus eine
so geringe Teilnahme zum derzeitigen Ende, dass eine verantwortete
Entscheidung für die Firmung uns nicht möglich schien.
In solchen Situationen zeigen manche
Leute sich einsichtig, dass zum Empfang des Sakraments die
entsprechende Vorbereitung gehört.
Mein Konflikt bei diesem Gespräch aber
war, dass die Person trotzdem gefirmt zu werden wünschte und eine
Reihe von persönlichen Gründen durchaus dafür sprachen.
Das ist eine unheimlich blöde Situation: jemandem etwas versagen zu müssen, von dem man einerseits will, dass es möglichst viele Leute machen und andererseits nur sehr wenige bereit dazu sind.
Das ist eine unheimlich blöde Situation: jemandem etwas versagen zu müssen, von dem man einerseits will, dass es möglichst viele Leute machen und andererseits nur sehr wenige bereit dazu sind.
Dazu kommen die Erfahrungen mit
Firmungen hierzulande, die oft genug eine Art "Rausschmeißer"
sind und für einige einen der letzten Gottesdienste ihres Lebens
darstellen. Wenn das schon bei denjenigen, die gefirmt werden, so
ist, um wieviel mehr dann bei denen, die nicht zur Firmung zugelassen
werden...
Sollte ich da einem endgültigen
Abschied vom christlichen Leben beihelfen?
Schaue ich in den Kopf eines Menschen,
ob er würdig ist, das Sakrament zu empfangen?
Noch krasser: Ist das der Triumph der Buchstabenfrömmigkeit über die Barmherzigkeit?
Ich kann nur von außen schauen und
feststellen, dass unsere Anforderungen an die Firmvorbereitung nicht
erfüllt wurden, so dass ich nicht sicher sein kann, ob eine Person
dann angemessen vorbereitet ist. Schießlich ist uns die Firmung
etwas so Wichtiges, dass sie nicht Unwilligen vor die Füße geworfen
werden soll.
Und es gibt die Wahrnehmung, dass
jemand für etwas, das er möchte, nicht die nötigen Schritte tut –
oder wenigstens glaubwürdig versucht, die versäumten Schritte
auszugleichen bzw. nachzuholen. Die Verantwortung für das eigene
Leben als Christ kann man schließlich auch für niemanden
stellvertretend übernehmen.
Theologisch: Das Geschenk der Gnade setzt die für das Geschenk bereite Natur voraus.
Theologisch: Das Geschenk der Gnade setzt die für das Geschenk bereite Natur voraus.
In dieser Lage zwischen größtmöglicher
Ermöglichungsbereitschaft und gleichzeitigem Ernstnehmen der (nicht)
gezeigten Verantwortungsübernahme war mir wichtig, Folgendes zu
vermitteln:
a) Ein weiterer Weg mit Gott ist auch ohne
bzw. späterem Sakramentenempfang möglich. Gottes Liebe sieht mehr
als ich und kann Menschen auch bewegen, sich ihm zu nähern, wenn
kein Sakrament gespendet wird. Das ist die Basis.
Aussaat des Wortes durch Abgeschlossensein? Moabit, Berlin, 2016. |
b) Aber auch Jesus hat immer wieder
Menschen gerufen, sich auf den Weg mit ihm zu machen – und immer
gab es welche, die dazu aus den verschiedensten Gründen nicht bereit
waren. Die göttliche Heilszusage jedoch hängt nicht daran – ein Sakrament ist (nur) die erleichternde Stufe zur
größeren Gemeinschaft mit Gott.
c) Das Beispiel der Heiligen zeigt: Therese von
Lisieux ist drangeblieben und hat trotz Zurückweisung in ihrem
Kloster immer wieder nachgefragt. Wem es wirklich wichtig ist, der
wird sich auch noch einmal ernsthaft auf den Weg machen, wenn es so
weit ist.
d) Was hilft einem Menschen zu einer reiferen Gottesbeziehung? Das Mitgezogenwerden mit anderen im Vertrauen auf die verwandelnde Macht der Gnade? Oder die eigene Entscheidung, auch gegen Widerstände mit Hilfe der Sakramente an Gottes Seite zu gehen?
e) Schließlich: Wie geht die andere
Person aus diesem Gespräch heraus?
Meine Intention war, dass nicht Groll
und Unverständnis bleiben, sondern ein Verstehen und eine Art
wohlwollendes Signal.
Dabei orientierte ich mich an dem, was
Ignatius von Loyola in seinen Konstitutionen davon geschrieben hat,
wie jemand aus dem Orden entlassen werden soll:
Derjenige, der die Entlassung innerhalb
des Ordens zu verantworten hat, "bemühe sich, ihn [den zu
Entlassenden] in so großer Güte und Liebe gegenüber dem Haus und
so getröstet in unserem Herrn wie möglich fortzuschicken."1
Es geht also darum, dass kein schales
oder aggressives Gefühl übrigbleibt (auch nicht bei denen, die
bleiben!2),
sondern dass ein positiver Weg eröffnet wird.
Darum soll das Gespräch nicht von
Schuldzuweisung und Abwertung geprägt sein, sondern von Ermunterung
zur Verantwortung und Zusage der göttlichen Gegenwart.
Aber ist die klare Absage zusammen mit
dem Wunsch nach motiviertem Weitergehen überhaupt realistisch? Kann
man jemanden getröstet wegschicken?
Ich weiß es nicht, darum schreibe ich
meine Gedanken auf.
Vielleicht sind es eher innere
Rechtfertigungsversuche.
Die Zweifel bleiben jedenfalls.
I tak tu wrocisz - Du kommst eh wieder zurück! Warschau, 2015. |
1 So
in der letzten zu Lebzeiten des heiligen Ignatius überarbeiteten
Version der Satzung, dem so genannten Text B: Satzungen der
Gesellschaft Jesu, No. 225. In: Ignatius von Loyola, Deutsche
Werkausgabe II. Gründungstexte der Gesellschaft Jesu. Würzburg
1998, 580-827.
2 Ebd.,
229: "Ferner sollen sie, soweit es möglich ist, nicht
ablehnend und mit einer schlechten Meinung von ihm verbleiben,
sondern sie mögen Mitgefühl mit ihm haben und ihn in Christus
lieben".