Samstag, 29. Oktober 2016

Heil heißt, sich lieben zu lassen - Die Verwandlung des Zachäus

...denn die Liebe verwandelt das Leben und heilt es.

So einfach ließe sich der Grundgedanke des Evangeliums von Zachäus (Lk 19,1-10) zusammenfassen, das an diesem Sonntag im Gottesdienst gelesen wird. Jesus sagt darin: "Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden", (v9) nachdem er sich selbst zu dem beobachtenden Zöllner einlud und dieser daraufhin sein ganzes bisheriges Leben ändert.
Denn Zachäus erfährt sich trotz seiner Ferne zu den anderen Menschen als von Jesus angenommen, als dieser sich ihm zuwendet. In diesem grundlegenden Angenommensein zeigt sich Gottes Liebe zu jedem Menschen.
Aufblühen. Körnerpark, Berlin, 2016.
Die Leseordnung stellt diesen Text neben eine Lesung aus dem Buch der Weisheit (Weish 11,22-12,2), der diesen Gedanken sehr schön expliziert, indem zu Gott gesagt wird:
"Du hast mit allen Erbarmen, weil du alles vermagst, und siehst über die Sünden der Menschen hinweg, damit sie sich bekehren. Du liebst alles, was ist, und verabscheust nichts von allem, was du gemacht hast; denn hättest du etwas gehasst, so hättest du es nicht geschaffen." (vv23-24)

Das klingt so schön, dass man daran erinnern muss, wie schwer es uns meistens fällt, uns einfach lieben zu lassen. Wir finden genug Gründe, uns die Liebe lieber erkaufen zu wollen oder uns selbst nicht zu mögen – oder, wenn wir dies tun, dann zugleich zu sagen, dass wir uns selbst so sehr genügen, dass uns die Liebe der Anderen nicht fehlt. (An anderer Stelle habe ich dies ausgeführt als ein Sich-mitnehmen-Lassen.)
Doch im Grunde fallen diese scheinbare Demut und dieser scheinbare Hochmut darin zusammen, dass wir die Liebe nicht an uns heranlassen. Wir schauen sie uns, wie Zachäus, lieber aus der Ferne an. Dabei entspricht sie einer tiefen menschlichen Sehnsucht.

Wenn wir es aber wie Zachäus schaffen, uns wirklich und zutiefst lieben lassen, dann werden wir davon verwandelt.
Denn Liebe gebiert Dankbarkeit und darum wieder Liebe (wie es auch Ignatius von Loyola in seiner Betrachtung zur Erlangung der Liebe schreibt).Der reiche Mann gibt den Armen – auch wegen des getanen Unrechts, auch aus Reue – aber zuerst aus Liebe.
Wenn dies nicht seine innerste Motivation wäre, das Heil hätte Zachäus nicht erreicht.

P.S.
Vor dem Hintergund der mich derzeit gerade oft beschäftigenden Gefängnisseelsorge ließen sich dazu noch eine Unmenge von Gedanken anschließen: zum bedingungslosen Angenommensein trotz aller Schuld; zur schuldhaften Haltung, die sich eben nicht lieben lässt, sondern sich die Dinge anders schaffen will; zur verwandelnden Kraft der Liebe usw.
Einen Gedanken möchte ich hervorheben: die Wiedergutmachung einer juristisch verurteilten Tat kann nicht nur darin bestehen, eine Strafe abzusitzen, sondern sinnvollerweise geht es, wie auch das neue Strafvollzugsgesetz für das Land Berlin ausführt, ebenso um die Opfer der bestraften Tat. In §6 Absatz 3 heißt es: "Die Gefangenen sollen angehalten werden, den durch die Straftat verursachten materiellen und immateriellen Schaden wieder gut zu machen."
Zachäus will dies im Evangelium durch Rückgabe unrechtmäßig eingezogenen Geldes tun. Das dürfte, bei den vielen Durchreisenden, nicht einfach sein. Die Inhaftierten, die dies ebenso tun wollen, haben sicher ähnlich schwierige Konditionen – welcher Geschädigte möchte denn tatsächlich Kontakt mit dem Schädiger?
Aber immerhin: die Zielmarkierung ist da...

Alles wieder gut?
Sanktuarium Opatrznosci Bozej, Wilanów, Warschau, 2015.