Zur Zeit tagt in Rom die 36.
Generalkongregation der Gesellschaft Jesu, also eine Art
Hauptversammlung von Delegierten, die, nach dem angekündigten und
inzwischen vollzogenen Rücktritt des Generaloberen Adolfo Nicolas,
am Freitag einen neuen Generaloberen wählen werden.
Leiten lassen sie sich dabei von den
Gründungsdokumenten der Jesuiten, also vornehmlich den Satzungen, in
denen das Procedere der Wahl und die Qualifikationen und Aufgaben des
Oberen festgeschrieben sind, aber auch von den Dekreten
vorangegangener Generalkongregationen, die sich zu diesem Thema
geäußert haben.
Dazu hier ein paar kurze Einblicke, wie
sie ähnlich auch andernorts geboten werden.
Klarer Blick nach oben. St. Dominicus, Neukölln, Berlin, 2016. |
Ignatius beschreibt in den Satzungen1
ausführlich die nötigen Eigenschaften: Als erstes soll ein
Generaloberer "sehr mit Gott unserem Herrn verbunden und mit
ihm im Gebet und in allen seinen Handlungen vertraut" (No
723) sein. Mit anderen Worten ist die Verbundenheit mit Gott erstes
und wichtigstes Kriterium eines Generaloberen.
Ferner soll er ein Mann sein, "dessen
Beispiel in allen Tugenden den übrigen aus der Gesellschaft
hilft", außerdem müssen ihn Nächstenliebe und Demut
auszeichnen (No 725).
Dann führt Ignatius aus, was ihm auch
in den Exerzitien wichtig ist, wenn er als eines ihrer Ziele benennt,
dass jemand von "ungeordneten Anhänglichkeiten"2
frei werde. Der Generalobere soll folgerichtig "von allen
Leidenschaften frei sein ... damit sie ihm nicht innerlich das Urteil
oder die Vernunft stören" – nach außen soll sich dies
zeigen in Ausgeglichenheit und Gesetztheit (No 726).
Eine weitere Eigenschaft ist der Besitz
von Komplementärtugenden: der Generalobere soll "die
notwendige Geradheit und Strenge mit der Güte und Milde zu verbinden
wissen" (No 727). Ähnlich äußert sich der Epheserbrief,
wenn er von der stets notwendigen Verbindung von Liebe und Wahrheit
spricht (Eph 4,15).
"Und ebenso ist ihm die Großmut
und Tapferkeit des Herzens sehr notwendig ... ohne bei den
Widerständen den Mut zu verlieren – selbst wenn sie von großen
und mächtigen Personen ausgingen" (No 728) führt Ignatius
aus.
Es folgen die nötige Begabung "mit
großem Verstand und Urteil" vor allem durch geistliche
Erfahrung (No 729), Sorgfalt und Eifer, um Dinge auch zu Ende zu
bringen (No 730) und schließlich die nicht zu verachtenden
"leiblichen Kräfte". (No 731)
Zu guter Letzt benennt Ignatius noch:
"die Vertrauenswürdigkeit und der gute Ruf" (No
733). Für Menschen in Führungspositionen und mit einiger
Verantwortung für andere ist das keine gering zu wertende
Eigenschaft.
"Überhaupt soll er zu denen
gehören, die sich am meisten in aller Tugend ausgezeichnet haben,
und er soll am meisten Verdienste in der Gesellschaft [Jesu] haben
und am längsten als solcher bekannt sein." (No 735)
Bei all diesen so zusammengetragenen
Eigenschaften bräuchte es auch unter sehr weisen und guten Menschen
fast einen Übermenschen, um alle diese Kriterien zu erfüllen.
Weil auch Ignatius das wusste, schiebt
er sozusagen als Zusammenfassung der basics hinterher: "Und
wenn ihm einige der oben genannten Eigenschaften fehlen sollten, soll
ihm wenigstens nicht große Güte sowie Liebe zur Gesellschaft [Jesu]
und ein gutes Urteil begleitet von guter Wissenschaft fehlen."
(No 735)
Da sind sie also, drei kurze Punkte:
Güte, Liebe zum Orden und ein gutes Urteil.
Es hat schon schlechtere
Auswahlkriterien für Ämter mit Leitungsverantwortung gegeben.
So sieht es Facebook: Die Preisspanne ist wichtig. Seite der Jesuit General Congregation 36 am 12.10.2016. |
Nachdem die 31. Generalkongregation
sich Mitte der 1960er noch einmal intensiv mit dem Generaloberen
beschäftigte und dabei einerseits das geltende Recht der Wahl auf
Lebenszeit bestätigte, und andererseits neue Möglichkeiten für
einen Rücktritt einführte, hat die 35. Generalkongregation im Jahr
2008 noch einige zusätzliche Elemente eingebracht.
Unter dem Titel "Leitung im
Dienst der universalen Sendung"3
geht es im 5. Dekret vor allem um die heute relevanten neuen
Anforderungen. Da heißt es zunächst allgemein:
"Unsere Leitungsstrukturen und
Vorangehensweisen sollen sich aus der Perspektive größerer
Universalität ergeben." (No 1a) Nicht Enge oder
Eingleisigkeit also, sondern ein an weltweiten Bedürfnissen und den
vieldimensionalen Fragen einer globalisierten Welt ausgerichtetes
vernetztes Handeln will man erreichen.
Dafür sollen die Leitungsstrukturen
"geschmeidig, modern und, wo immer möglich,
anpassungsfähiger gemacht werden." (No 1b) Innerhalb der
großen katholischen Kirche und selbst eingespannt in die Traditionen
eines bald mehr als 450jährigen Ordens ist dieser Wunsch nach
Flexibilität und Einfachheit in unserer Zeit ebenso erstrebenswert
wie ambitioniert. Aber die subsidiäre Einheit eines eher pragmatisch
an seinen Aufgaben orientierten Ordens hat in diesen Fragen sicher
mehr Chancen als andere weltweit agierende und vernetzte
Institutionen.
Dem formulierten Anspruch entsprechend
umfasst die "Ausbildung zur Leitung" im selben Dekret auch
ganz weltliche Anforderungen an Leitung auf allen Ebenen des Ordens.
Genannt werden Teamfähigkeit (No 31b) und Fähigkeiten auf dem
Gebiet der Finanzverwaltung, der Personalverwaltung, der Arbeit mit
Medien, aber auch Konfliktlösungskompetenz, Leitung von
Zusammenkünften und Bewältigung von Krisen sind genannt (No 31d).
Eine breite Palette, die für den
Generaloberen natürlich zu den oben genannten Anforderungen
hinzutreten.
Nach vier speziellen Tagen des Gebets
und des Beratens mit einzelnen Delegierten (murmuratio) werden die
Delegierten am Freitag also – ohne zuvor Bewerber zu küren oder
Parteien zu bilden – mit absoluter Mehrheit einen neuen
Generaloberen für die Jesuiten wählen.
Beten wir für diese Wahl, dass der
neue Generalobere dieses Ordens den Ansprüchen an ihn so sehr
genügt, dass seine Arbeit fruchtbar und segensbringend ist.
Nicht umknicken, sondern im Team stehen. Stamm bei Petershagen, 2015. |
1 Zitiert
nach der letzten zu Lebzeiten des Ignatius noch einmal redigierten
Version, dem Text B der Satzungen, in: Ignatius von Loyola,
Deutsche Werkausgabe II. Gründungstexte der Gesellschaft Jesu.
Würzburg 1998, 580-827. Im Folgenden die Zählung aus dieser
Ausgabe in Klammern hinter den Zitaten.
2 Vgl.
Ignatius v. Loyola, Geistliche
Übungen und erläuternde Texte. Leipzig 1978, No. 21.