Mittwoch, 4. April 2018

Peinlicher Osterglaube oder: "ein verwandeltes Weinen"

Wie sie sich geschämt haben müssen!
Weggelaufen waren sie, hatten sich verkrochen und waren tagelang nicht mehr aufgetaucht, um auch ja nicht mit ihm in Verbindung gebracht zu werden, hatten abgestritten, mit ihm unterwegs gewesen zu sein und bisweilen sogar geleugnet, ihn überhaupt zu kennen.

Und nun steht er da, mitten unter ihnen, als Lebendiger!
Grüßt sie, wünscht ihnen Frieden!
Wie peinlich!

Das Kreuz lässt Licht herein.
Propsteikirche, Leipzig, 2018.
Aber nicht nur das, er beauftragt sie sogar, ihn nun zu vertreten, seine Nachfolger zu werden, in seinem Namen Sünden zu vergeben und das Reich Gottes zu verkünden.
Sie, die Jammerlappen, Feiglinge und Nestbeschmutzer!

Angesichts ihrer Ohnmacht und Trauer, ihrer Angst vor den Römern und ihr Zorn über sich selbst, angesichts der Illusionen über die Stärke ihres Glaubens, angesichts der Erfahrung, wie klein ihr Vertrauen tatsächlich war, ist ihr Osterglaube – "ein verwandeltes Weinen."1

Als ich diese Worte bei Christian Lehnert gelesen habe, trafen sie mich sofort. Denn es ist genau das, was Ostern für mich ausmacht: dass die Tränen aufgefangen und in Zuversicht umgeprägt werden.

Dass Gott ein großes "Trotzdem" zur Kleinlichkeit und Verlorenheit, zur Rohheit und Langeweile mit sich selbst, zur Ungeduld mit den Kindern, zu den seltenen Gebetszeiten und dem falschen Lächeln zu den Nachbarn und zu all dem spricht, was unser Versagen ausmacht.

Es ist alles nicht wichtig!
Nicht unsere bitteren Tränen, nicht die Tränen der Wut oder das Geschrei der Enttäuschung über sich selbst.
Denn all das wird überbordend erfüllt von der Liebe des Auferstandenen und der Gabe seines eigenen Lebens mitten hinein in unsere Schwachheit. Seine ständige Neuheit lässt das Alte als aussehen.

Alles wird verwandelt! Alles kann neu und in seiner Relativität angesehen werden!

Nicht immer ist es tatsächlich auf diese Weise spürbar, aber das ist die Hoffnung, die uns Ostern schenken will.

Am Grab vorbeischauen!
Kleinbrembach, 2015.

1   C. Lehnert, Der Gott in einer Nuß. Fliegende Blätter von Kult und Gebet. 2. Aufl. Berlin 2017, 152.