Donnerstag, 12. April 2018

Kriegsgefahr – Und ein Satz von Monika Maron

Überall wird davon gesprochen, dass die USA unter ihrem Präsidenten Donald Trump demnächst in einen Krieg stolpern würde. Erst die Kriegsrhetorik gegenüber Nordkorea, dann die Provokationen in Richtung des Iran wegen des angeblich unzureichenden Atomabkommens und nun die Ankündigung eines Angriffs gegen das syrische Regime mit seinem Unterstützer Russland.

Wenngleich ich die ständigen Drohungen und Kraftmeiereien unsäglich finde, sehe ich doch auch, dass die Möglichkeiten völkerrechtlicher Beschlussfassungen auf dem Boden der UN augenscheinlich an ein Ende kommen.
Die vielgenannte "responsibility to protect" wirkt wie ein großer Luftballon, aus dem immerzu Luft abgelassen wird bis nichts mehr übrig bleibt.

Die Welt - ein Affenfelsen?
Zoologischer Garten, Berlin, 2017.
Natürlich kann kein Staat und keine Blauhelmmission einfach überall einmarschieren und so regionale oder nationale Konflikte zu internationaler Größe aufpumpen, um noch Schlimmeres zu vermeiden. Aber immer nur zuzuschauen, wie es die internationale Gemeinschaft seit Jahren in Syrien tut, kann auch keine Lösung sein. So reiht sich Bombardement an Bombardement, Giftgasattake an Giftgasattacke und das Blut vieler unschuldiger Opfer fließt weiter und weiter.

In dieses aktuelle Nachrichtengemenge und in diese innere Dilemma-Situation hinein stieß ich heute auf einen Abschnitt aus Monika Marons letztem Roman "Munin oder Chaos im Kopf". Der Ich-Erzählerin gehen angesichts der Weltlage und eines eskalierenden Nachbarschaftskonflikts ähnliche Gedanken durch den Kopf, zudem schreibt sie an einem Aufsatz zum 400jährigen Gedenken des Dreißigjährigen Krieges für eine lokale Festschrift, so dass sich grundsätzliche mit persönlichen Erwägungen mischen:

Kriege enden, wenn alles Blut vergossen ist, alle Ressourcen erschöpft sind, wenn niemand mehr Kraft hat, in die nächste Schlacht zu ziehen. Kriege sollte man einsperren, Mauern um sie bauen, einen Deckel darüberstülpen und ihn irgendwann ganz vorsichtig anheben, um zu sehen, was daraus geworden ist. Ein Krieg musste sich selbst verzehren und durfte kein Futter bekommen. Es war herzlos, so zu denken, aber das lag am Krieg.“1

Ein abstoßend harter Gedanke, war meine erste Reaktion.
Auch ich leide angesichts der Lage in Syrien unter dem Dilemmata, ob dieser Krieg durch einen Einsatz, von Truppen welchen Landes auch immer, nur noch mehr Nahrung bekommt oder ob vielleicht doch Menschen geschützt und gerettet werden können.
Aber in diesen Sätzen liegt meines Erachtens ein entscheidender Fehler.

Es geht eben um Menschen. Der Krieg ist eine Abstraktion. Aber die leidenden, sterbenden und fliehenden Menschen sind etwas Konkretes.
Natürlich will niemand, der Frieden sucht, "dem Krieg" Nahrung geben. Aber ein humanitärer Eingriff in einen kriegerischen Konflikt (was immer man von dieser Wortschöpfung halten mag!), kann eine Möglichkeit sein, Menschenleben zu retten.

Natürlich muss das im jeweiligen Einzelfall entschieden werden und ich bin nicht firm genug in der Sache des Syrienkonflikts, um dies einzuschätzen.

Eine ähnliche Stoßrichtung kommt von der äußeren linken Seite des politischen Spektrums, wenngleich mit anderer Motivation: Sich jeglicher kriegerischen Handlung enthalten, keine schmutzigen Hände bekommen und zudem den Weltfrieden antizipieren?
Die Handlungsabstinenz tarnt sich hier als Menschenfreundlichkeit. Meiner Meinung nach ist sie aber Ausdruck einer Ignoranz, die von der romantischen Illusion lebt, dass ja doch alle Frieden wollten und nicht zu handeln immer das Bessere wäre (vgl. dazu einen Beitrag von 2014 hier). 
Ja, wenn die Welt ganz anders wäre, dann müsste man und könnte man und sollte man. Aber leider ist die Welt so, wie sie ist.

Egal, ob sich die Verantwortlichen nun für kriegerische Handlungen entscheiden oder nicht: Was ich für die wichtigste Motivation halte, ist, dass wir uns die Herzlosigkeit der Welt nicht zu eigen machen!

Wer unterm Glasdach sitzt...
Klinikum Neukölln, Berlin, 2017.

1   M. Maron, Munin oder Chaos im Kopf . 2. Aufl. Frankfurt a.M. 2018, 66.