Weil Sommer ist, beschränke ich mich
einstweilen auf hilfreiche Inspirationen anderer Leute.
Der folgende Text findet sich in der
raffinierten und irritierenden Biographie Gottes von Jack Miles;
passenderweise führt er das Kapitel über Abraham und seine
Versuchung (Gen 22) ein.
„Ethisch könnte es so aussehen,
als liege ein abgrundtiefer Unterschied zwischen Elternschaft und
Mord; dieser ist ein Verbrechen, jene ist einfach ein moralisch
neutrales Faktum. Psychologisch jedoch sind die beiden so miteinander
verknüpft, wie Leben und Tod verknüpft sind.
Mit "Gott" unterwegs. Hiddensee, 2018. |
Fruchtbarkeit verhält sich zu
Unfruchtbarkeit wie Leben zu Tod. Die Kontrolle über das positive
Glied in beiden Paaren impliziert die Kontrolle über das negative.
Wenn also Gott den Menschen Fruchtbarkeit verleiht und wenn der
Mensch danach über seine Fruchtbarkeit herrscht, dann hat der Mensch
auch die Herrschaft über die Unfruchtbarkeit. Diese Macht, die
Macht, darüber zu entscheiden, wer geboren wird, gehört in dieselbe
Kategorie wie die Macht zu entscheiden, wer sterben wird.“1
Es ist also, wie so oft, eine Frage der
Hinsicht, unter der etwas betrachtet wird.
Und trotzdem wirkt die Zusammenstellung
anstößig. Wobei doch jeder, der sich schon einmal mit
Geburtenkontrolle beschäftigt hat, weiß, dass sie so weit nicht
hergeholt ist.
Obwohl also Gott dem Menschen den
Auftrag gegeben hat, fruchtbar zu sein und ihn in die Spannung von
Leben zeugen oder nicht zeugen gestellt hat, ist ihm doch der Mord
untersagt. Eine (mindestens) psychologische Dilemmasituation.
1 J.
Miles, Gott. Eine Biographie. 3. Aufl. München 2000, 63.