In einer formalen Sache sind die WM und
das christliche Kalenderjahr sich gleich. Beide imaginieren für
rhythmisch wiederkehrende Ereignisse eine Bedeutung, die diesen schon
wegen ihrer ständigen Wiederholung nicht zukommt.
Wer vor vier Jahren Weltmeister war,
hat keinen Bonus in der aktuellen Partie. Und wenn ich letztes Jahr
an Weihnachten nicht in der Kirche war, kann ich dieses Mal gehen,
ohne dass ich damals etwas Entscheidendes verpasst hätte.
Zyklus oder Ziel? 1. Keller im Jugendhaus, Grünheide, 2016. |
Es gibt natürlich Phasen mit Hochs und
Tiefs und zwischendrin auch eine Menge Wartezeit, aber genauso wie
die nächste WM bestimmt kommt, so ist nach Weihnachten immer auch
vor Weihnachten.
Wer Glück hat, erlebt auch mal
einmalige Höhepunkte, zum Beispiel wenn die Lieblingsmannschaft
Weltmeister wird oder eine Predigt mitten ins Herz trifft.
Aber dann ist es auch schon wieder
vorbei und die Pause bis zur nächsten Runde setzt ein.
In den Zyklen des Kirchenjahres
spiegelt sich die agrarische Tradition Israels, die wiederum an
den Phasen von Mond und Sonne ausgerichtet ist.
In unserem Festkreis mischen sich am
Mond orientierte Daten wie das Osterfest, das am Sonntag nach dem
ersten Frühjahrsvollmond gefeiert wird, und an der Sonne
ausgerichtete Feste wie Weihnachten, an dem während der kürzesten
und dunkelsten Tage der Geburt des Lichtes Christus gedacht wird.
Die Zyklen des zu- und abnehmenden
Mondes und die Zyklen der um die Sonne kreisenden Erde prägen das
christliche Jahr. Dazu kommen die Gedenktage der Heiligen.
Und nun also Johannes der Täufer.
Wieder und wieder feiern wir seine Geburt und seine Enthauptung, die
Tatsache, dass beider Daten gedacht wird, zeichnet ihn vor allen
anderen Heiligen (mit Ausnahme Marias) aus. Seine Geburt markiert die
Hälfte des Jahres vor Weihnachten und weist, in der Nähe der
Sommersonnenwende und des längsten Tages im Jahreslauf gelegen, auf
den Ausspruch hin, den Johannes nach dem Johannesevangelium gemacht
haben soll. Über sein Verhältnis zu Christus sagte er: „Er
muss wachsen, ich aber kleiner werden.“ (Joh 3,30)
Das nun, und damit komme ich nach dem
langen Anlauf zum entscheidenden Punkt, soll keine zyklische
Wiederkehr von Nähe und Distanz zum Glauben und zu Gott sein. Kein
Wachstum in Christus und Kleinerwerden im Egoismus mit dem aus Diäten
bekannten Jo-Jo-Effekt. Mal mehr, mal weniger.
Selbst wenn das nicht selten genau so
zyklisch passiert, je nachdem in welcher Lebensphase sich jemand
befindet.
Doch das Zyklische findet seine Grenze
in diesem christlich-linearen Denken. Hier geht es um ein Ziel,
dessen Verfallsdatum nicht die jeweils neue Runde ist, sondern das
über ein ganzes Leben lang einen Menschen formt und entgrenzt.
Im Laufe des Lebens sollen unsere
menschlichen Grenzen immer kleiner werden und Christus soll in seiner
Weite immer mehr wachsen in uns.
Die wiederkehrenden Feste erinnern nur
daran, dass es um etwas Größeres geht als die stete Wiederkehr.
Das bezeichnet einen nicht zu
unterschätzenden Unterschied zum Fußball.
Der feiert sich selbst.
Ziel oder Zyklus? 2. Landgericht Charlottenburg, Berlin, 2015. |