Sonntag, 24. Juni 2018

Zyklus und Ziel. Johannes der Täufer gilt vor und nach der WM

In einer formalen Sache sind die WM und das christliche Kalenderjahr sich gleich. Beide imaginieren für rhythmisch wiederkehrende Ereignisse eine Bedeutung, die diesen schon wegen ihrer ständigen Wiederholung nicht zukommt. 
Wer vor vier Jahren Weltmeister war, hat keinen Bonus in der aktuellen Partie. Und wenn ich letztes Jahr an Weihnachten nicht in der Kirche war, kann ich dieses Mal gehen, ohne dass ich damals etwas Entscheidendes verpasst hätte. 

Zyklus oder Ziel? 1.
Keller im Jugendhaus, Grünheide, 2016.
Es gibt natürlich Phasen mit Hochs und Tiefs und zwischendrin auch eine Menge Wartezeit, aber genauso wie die nächste WM bestimmt kommt, so ist nach Weihnachten immer auch vor Weihnachten. 

Wer Glück hat, erlebt auch mal einmalige Höhepunkte, zum Beispiel wenn die Lieblingsmannschaft Weltmeister wird oder eine Predigt mitten ins Herz trifft. 
Aber dann ist es auch schon wieder vorbei und die Pause bis zur nächsten Runde setzt ein. 

In den Zyklen des Kirchenjahres spiegelt sich  die agrarische Tradition Israels, die wiederum an den Phasen von Mond und Sonne ausgerichtet ist. 
In unserem Festkreis mischen sich am Mond orientierte Daten wie das Osterfest, das am Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond gefeiert wird, und an der Sonne ausgerichtete Feste wie Weihnachten, an dem während der kürzesten und dunkelsten Tage der Geburt des Lichtes Christus gedacht wird. 
Die Zyklen des zu- und abnehmenden Mondes und die Zyklen der um die Sonne kreisenden Erde prägen das christliche Jahr. Dazu kommen die Gedenktage der Heiligen. 

Und nun also Johannes der Täufer. Wieder und wieder feiern wir seine Geburt und seine Enthauptung, die Tatsache, dass beider Daten gedacht wird, zeichnet ihn vor allen anderen Heiligen (mit Ausnahme Marias) aus. Seine Geburt markiert die Hälfte des Jahres vor Weihnachten und weist, in der Nähe der Sommersonnenwende und des längsten Tages im Jahreslauf gelegen, auf den Ausspruch hin, den Johannes nach dem Johannesevangelium gemacht haben soll. Über sein Verhältnis zu Christus sagte er: „Er muss wachsen, ich aber kleiner werden.“ (Joh 3,30)

Das nun, und damit komme ich nach dem langen Anlauf zum entscheidenden Punkt, soll keine zyklische Wiederkehr von Nähe und Distanz zum Glauben und zu Gott sein. Kein Wachstum in Christus und Kleinerwerden im Egoismus mit dem aus Diäten bekannten Jo-Jo-Effekt. Mal mehr, mal weniger. 
Selbst wenn das nicht selten genau so zyklisch passiert, je nachdem in welcher Lebensphase sich jemand befindet. 

Doch das Zyklische findet seine Grenze in diesem christlich-linearen Denken. Hier geht es um ein Ziel, dessen Verfallsdatum nicht die jeweils neue Runde ist, sondern das über ein ganzes Leben lang einen Menschen formt und entgrenzt. 
Im Laufe des Lebens sollen unsere menschlichen Grenzen immer kleiner werden und Christus soll in seiner Weite immer mehr wachsen in uns. 

Die wiederkehrenden Feste erinnern nur daran, dass es um etwas Größeres geht als die stete Wiederkehr. 
Das bezeichnet einen nicht zu unterschätzenden Unterschied zum Fußball.
Der feiert sich selbst. 

Ziel oder Zyklus? 2.
Landgericht Charlottenburg, Berlin, 2015.