Samstag, 16. Juni 2018

Von Beklemmung zur Hoffnung – Das Evangelium und der Papstfilm von Wim Wenders

Ich bin wirklich kein pessimistischer Mensch.
Aber wenn ich mir das Weltgeschehen anschaue, dann kommt mir die Hoffnung schon etwas abhanden: Internationale Verabredungen wie das Klimaabkommen oder Handelsbündnisse tragen nicht oder werden gleich über den Haufen geworfen, im deutschen Bundestag zeigt sich eine Radikalisierung in Ton und Meinnung, die Unionsfraktion zerstreitet sich vollends über der Flüchtlingspolitik und in der deutschen katholischen Kirche zerfetzen sich traditionelle und liberale Bischöfe mehr oder weniger öffentlich.

Und mitten in dieses Chaos hinein hören wir im Sonntagsevangelium, wie Jesus von einem Bauern erzählt, der sich gar nicht sorgt, sondern sich nach der Aussaat niederlegt und schläft, während draußen alles von allein gut geht: „es wird Nacht und wird Tag, der Samen keimt und wächst und der Mann weiß nicht, wie.“ (v27)
Das Gute geschieht hier einfach. Ohne übertriebene Mühe und ohne Angst.
Die Bibel kennt natürlich auch die Perspektive von Versuchung und Gefahr. Aber der Punkt des heutigen Evangeliums ist das Vertrauen darauf, dass alles gut wird.

Und das passt wunderbar zum aktuellen Film von Wim Wenders über den Papst - „Papst Franzismus – Ein Mann seines Wortes“. Ich habe ihn gerade gesehen.

Papst am Haus.
Kino International, Berlin-Mitte, 2018.
Mithilfe von überwältigenden und anrührenden (oft auch pathetisch musikalisch untermalten) Bildern und in den Aussagen des Papstes kommen hier die beiden genannten Sichtweisen zum Tragen: die Beklemmung auf der einen und die Kraft der Hoffnung auf der anderen Seite.
Der Film zeigt die vielen Tragödien der kaputten und zerbrechlichen Welt, die schreiende Armut und die Entrechtung der Armen, die Flüchtlinge, die Gefangenen, die Kranken, die vom Schicksal Gebeutelten wie jene Menschen auf den Philippinen, die Anfang 2015 im Orkan fast alles verloren und dann trotzdem in Massen zur Papstmesse strömten.
Und der Film zeigt einen Papst, der dennoch hofft.

Darin gleicht er dem Bauern in Jesu Gleichnis: Ohne Angst tut er, was getan werden muss, sicher in Sorge um die vielen Probleme, aber immer im Vertrauen auf Gott. Dieses Vertrauen schenkt sowohl dem Bauern im Gleichnis als auch dem Papst Gelassenheit – und die Überzeugung, dass das Reich Gottes schon wachsen wird, wenn wir ohne Angst nur das unsere tun.

Das wiederum ist die konkrete Herausforderung an jeden Menschen (die natürlich über dieses konkrete Gleichnis Jesu hinausgeht).

In den bekannten und zum Teil oft wiederholten großen Schlagworten seines Pontifikats kommt alles noch einmal in eingängigen Sprachbildern und Beispielen zur Sprache, was Papst Franziskus bewegt: die arme Kirche für die Armen; die Brüderlichkeit aller Menschen untereinander, unabhängig von Religion oder Herkunft oder Geschlecht oder sexueller Orientierung; die Zärtlichkeit als Handlungsorientierung an Gott; der Kampf gegen Ausgrenzung und Entwürdigung durch so viele gesellschaftliche Faktoren; der Einsatz für "Mutter Erde" und die Liebe Gottes allen Menschen gegenüber, was auch immer sie getan haben oder glauben.
Die Schlagworte gewinnen Farbe und Leben vor allem durch die pointierten Formulierungen des Papstes: Ich fand besonders einprägsam die Aufforderung an Eltern, regelmäßig mit ihren Kindern zu spielen und sich nicht von der Zeitnot hetzen zu lassen.
Die vielen wichtigen Fragen werden aber auch konkret fassbar in den (vom Vatikan zur Verfügung gestellten) Bildern vieler Begegnungen – und vor allem werden durch Gesichter, die der Film ausgiebig zeigt: Besucher bei den Gottesdiensten, Häftlinge bei der Fußwaschung, Kardinäle bei der Standpauke...

Bei allem Vertrauen auf das Gute führt Franziskus vor Augen, dass es Widerstand braucht gegen die Welt, so wie sie nun einmal ist. Und genau den will der Film mit all seiner Emotionalität wecken – was ihm durchaus gelingen kann.

Kurz: Dieser Papst (und dieser Film) zeigt dankenswerterweise auf das, was uns so oft fehlt, Gelassenheit und Vertrauen. Und er fordert heraus zu einer Brüderlichkeit, die teilt und den Menschen in die Mitte stellt.

Beides lässt meinen aufkeimenden Optimismus höher wachsen als meinen Pessismismus – und fast weiß ich nicht, wie...

Gelassenheit in einer kaputten Welt - und brüderliche Hilfe.
Linum, 2018.