Ein Abschnitt aus meiner
aktuellen Lektüre passt so gut zum heutigen Sonntagsevangelium, dass
ich ihn der Predigt einfach noch nachschieben muss.
In "Die Entstehung
der Bibel"1
las ich gerade, wie die israelitische Elite, die im Anschluss an den
Untergang Jerusalems 587 v.C. nach Babel deportiert worden war, dort
nicht nur trauerte und ihre Theologie vom Handeln Gottes in der
Geschichte grundlegend neu entwarf. Diejenigen, die später die
Autoren der biblischen Schriften wurden, taten überdies einen
grundlegenden Schritt über sich hinaus, indem sie "sich der
Intellektualität ihrer Umgebung öffneten".2
Vom Licht neu geprägt. Marienkirche, Frankfurt / Oder, 2020. |
Der Schöpfungsbericht aus
dem ersten Kapitel des Buches Genesis ist derart erkennbar
babylonisch beeinflusst, dass glasklar ist, wie sehr die
Vorstellungen dieser Fremdgläubigen die biblischen Texte (bei aller
gleichzeitig erkennbaren Abgrenzung!) geprägt haben:
"Der
Schöpfungsbericht der Priesterschrift ist damit ein frühes Zeugnis
des Dialogs zwischen religiöser Tradition und
naturwissenschaftlichen Kenntnissen, so künstlich diese
Unterscheidung für die Antike auch sein mag: Im Kontext neuer
Wissensgehalte wurde die Notwendigkeit deutlich, die eigenen
Überlieferungen dem neuen Kenntnisstand anzupassen und so
wissenschaftlich konkurrenzfähig zu bleiben."3
Mit anderen Worten: Sie
passten ihre normativen Texte der neuen Zeit an – so wie Jesus es
tat, als er in den Antithesen der Bergpredigt auf die biblischen
Gebote mit seinen neuen Geboten antwortete. Jesus reinterpretierte
das jüdische Gesetz in seiner eigenen Autorität, denn er selbst
begriff sich als der Beginn einer neuen Zeit.
Wohin das wohl führen
würde, wenn man auch heute alte kirchliche Traditionen in einen
kritischen Dialog mit neuen Kenntnisständen bringen und entsprechend
anpassen würde...?
1 K.
Schmid / J. Schröter, Die Entstehung der Bibel. Von den ersten
Texten zu den heiligen Schriften. 2., durchgesehene Aufl. München
2019.
2 Ebd.,
151.
3 Ebd.,
151f.
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