Der vierte Akzent ist eine Haltung und prägt diese drei Handlungsanweisungen: all das soll nicht vor anderen und für andere geschehen, sondern vor Gott und für Gott.
Als Eingangstor zur Fastenzeit wird der
Aschermittwoch dadurch
nicht nur selbst geprägt, sondern er zeigt auch die Richtung, in die
wir bei unserer Vorbereitung auf Ostern gehen sollen.
Mit diesen Akzenten wollen
Aschermittwoch und Fastenzeit unsere Konzentration von der
Beschäftigung mit Nichtigkeiten wegführen hin zu größerer Tiefe,
tieferer Freiheit, freierer Liebe.
Anderer Fokus? Siegessäule, Berlin, 2020. |
Oder anders: Die Fastenzeit will
unseren Fokus verändern. Will unseren Alltag unterbrechen. Will
nicht "Immer weiter! Immer weiter!", sondern "Ich kann
auch ganz anders!".
1. Fasten – Freier werden
Und dafür soll man auf etwas
verzichten?
Ja und Nein. Der Verzicht gehört
selbstverständlich zur Fastenzeit dazu.
Aber wir sollen nicht einfach nur etwas
weglassen, um weniger Geld auszugeben oder um gesünder zu werden.
Beides sind schöne Nebeneffekte. Im
Kern des Verzichts steht jedoch die Freiheit.
Fasten will uns öffnen für das
Wesentliche. Nicht nur Nahrung, nicht nur Genussmittel, nicht nur das
Immerselbe soll uns prägen. Sondern die innere Freiheit.
Wenn wir in der Fastenzeit auf etwas
verzichten, können wir feststellen, dass unser Leben davon gar nicht
abhängt. Wir merken: In Wirklichkeit brauchen wir so viele Dinge gar
nicht.
Und wir stellen fest, dass wir freier
sind, als wir glauben. Dass wir freier sein können, als wir uns im
Alltag oft wahrnehmen.
Fasten und Verzicht können uns das
Gefühl einer größeren Freiheit schenken.
Diese Frage kann also das Zentrum des
ersten Akzents bilden: Was hilft mir persönlich, innerlich freier zu
werden?
Aber natürlich sind wir alle nur
schwache Menschen. Deswegen ist Jesus der vierte Akzent so wichtig.
Plustere dich nicht auf mit deinem Verzicht und deiner neu gewonnenen
inneren Freiheit. Bilde dir nichts ein darauf, dass du bestimmte
Abhängigkeiten für eine Weile hinter dir lassen kannst, dass du auf
bestimmte Dinge verzichten kannst!
Damit unser Geist sich nicht verhakt
und festhängt an dem mehr oder weniger mühsam Weggelassenen (und
wir vielleicht doch viel zu viel daran denken, was uns gerade fehlt),
gehört zum Verzicht und zum Fasten unabdingbar das Gebet.
2. Beten – In die Tiefe gehen
Das Gebet kann uns zunächst eine
weitere Stufe in die Freiheit führen. Denn durch das Beten wird uns
klar, dass wir nicht alles selbst machen müssen. Gebet befreit uns
vom Druck, alles beherrschen zu wollen. Im Gebet können wir alles in
Gottes Hände legen.
Echte Tiefe. Saalachtal, Österreich, 2019. |
Aber Beten bedeutet noch mehr. Denn
unser Verzicht wird durch das Gebet mehr als nur eine Abnehmübung
oder eine Probe der eigenen Disziplin. Gebet verwandelt den Verzicht
und richtet ihn (und unser ganzes Dasein) auf Gott aus.
Als Menschen, die auf Gott ausgerichtet
sind, werden wir feststellen, dass unser Leben weit in die Tiefe
reicht. Weiter als wir es in unserem oftmals gebetslosen Alltag für
möglich halten. Denn Beten verbindet uns mit dem Grund der
Wirklichkeit, der Gott heißt. Durch alle Wirklichkeit hindurch
leuchten seine Spuren.
Gebet bedeutet nämlich nicht nur, dass
wir mit Gott Kontakt aufnehmen, sondern dass er schon längst mit uns
Kontakt aufgenommen hat. Durch alles, was ist, will er uns
ansprechen.
Zum Beispiel durch unsere Gefühle.
Wenn wir im Gebet darauf achten, welche Gefühle aus der Tiefe
unseres Herzens in unser Bewusstsein aufsteigen, dann können wir
daraus großen Nutzen ziehen.
Denn Gott möchte uns etwas sagen mit
unseren Gefühlen. Auch mit denen, die uns vielleicht zunächst
überraschen.
Wenn wir auf sie achten, können wir
nicht nur etwas über uns lernen, sondern auch darüber, wie Gott in
uns wirkt. Wenn ich beispielsweise die biblische Geschichte von Mose
vor brennenden Dornbusch dem meditiere und ich spüre Ärger in mir
aufsteigen, weil Gott Mose zu überfordern scheint mit seinem
Auftrag, das Volk Israel aus der Gefangenschaft zu führen und dann
noch nicht einmal einen brauchbaren Namen nennt, dann kann ich diesem
Gefühl des Ärgers über Gott nachgehen. Und in mein eigenes Leben
schauen, ob ich dort ähnliche Erfahrungen von Überforderung oder
Unverständnis gemacht habe.
Wichtig ist, dass ich diese Gefühle
wahrnehme, ernstnehme und mich frage: Welche Erfahrungen sind für
mich in diesen Gefühlen wichtig?1
Doch auch das, was Jesus uns
einschärft, ist wichtig: Wenn ich feststelle, dass mein
hauptsächlicher Wunsch beim Beten ist, dass andere es erfahren und
dass ich als frommer Mensch wahrgenommen werde, dann bete ich nicht
für Gott und nicht vor Gott. Tue ich es aber, um wirklich mit Gott
im Kontakt zu sein, dann verspricht Jesus mir: "Dein Vater,
der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten." (v6)
Allerdings liegt hier eine Versuchung,
die uns zum dritten Aspekt des Evangeliums führt: Auch im Gebet kann
ich mich einigeln, kann mich in die Versenkung begeben, kann mich
ganz ausrichten auf Gott und seinen Willen und mich daran innerlich
aufrichten – aber bei all dem meinen leidenden Nachbarn vergessen.
3. Gutes tun – Liebe einüben
Darum gehören zur Fastenzeit nicht nur
Verzicht und Gebet, sondern auch Spenden oder Almosengeben. Dann
nämlich habe ich nicht nur mich selbst und nicht nur Gott, sondern
auch noch meine Nächsten im Blick.
Ein frohes Gesicht trotz Verzicht und
ein unsichtbares Gebet sind schon eine gute Sache – aber wenn ich
die Fastenzeit nutze, um zu einem mehr liebenden Mensch zu werden,
dann hat Gott sein Ziel erreicht.
Er möchte, dass wir seine Mitarbeiter
werden, wenn es darum geht, die Welt zu lieben.
Gott ruft uns auf, über unseren
eigenen Tellerrand hinauszuschauen, nicht nur, was unsere
Abhängigkeiten und unseren Konsum angeht, nicht nur, wenn es um die
Kontaktaufnahme mit ihm selbst geht – sondern vor allem, wenn es
darum geht, dass wir unser Herz öffnen und die Nöte und Sorgen
unserer Nächsten sehen.
Zu all dem lädt uns Jesus im
Evangelium ein:
Freier werden durch den Verzicht auf
das Entbehrliche, in die Tiefe der Wirklichkeit eintauchen durch das
Gebet, die Liebe einüben, indem wir teilen, was wir haben.
Ich wünsche eine gesegnete Fastenzeit!
Wirksame Hilfe nicht liegenlassen! Im Wald bei Grünheide, 2018. |
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