Dienstag, 25. Februar 2020

Freier! Tiefer! Liebevoller! Akzente an Aschermittwoch

Vier Akzente setzt das Evangelium vom Aschermittwoch (Mt 6,1-6.16-18): Gutes Tun, Beten, Fasten.
Der vierte Akzent ist eine Haltung und prägt diese drei Handlungsanweisungen: all das soll nicht vor anderen und für andere geschehen, sondern vor Gott und für Gott.
Als Eingangstor zur Fastenzeit wird der Aschermittwoch dadurch nicht nur selbst geprägt, sondern er zeigt auch die Richtung, in die wir bei unserer Vorbereitung auf Ostern gehen sollen.

Mit diesen Akzenten wollen Aschermittwoch und Fastenzeit unsere Konzentration von der Beschäftigung mit Nichtigkeiten wegführen hin zu größerer Tiefe, tieferer Freiheit, freierer Liebe.

Anderer Fokus?
Siegessäule, Berlin, 2020.
Oder anders: Die Fastenzeit will unseren Fokus verändern. Will unseren Alltag unterbrechen. Will nicht "Immer weiter! Immer weiter!", sondern "Ich kann auch ganz anders!".


1. Fasten – Freier werden
Und dafür soll man auf etwas verzichten?
Ja und Nein. Der Verzicht gehört selbstverständlich zur Fastenzeit dazu.
Aber wir sollen nicht einfach nur etwas weglassen, um weniger Geld auszugeben oder um gesünder zu werden.
Beides sind schöne Nebeneffekte. Im Kern des Verzichts steht jedoch die Freiheit.

Fasten will uns öffnen für das Wesentliche. Nicht nur Nahrung, nicht nur Genussmittel, nicht nur das Immerselbe soll uns prägen. Sondern die innere Freiheit.
Wenn wir in der Fastenzeit auf etwas verzichten, können wir feststellen, dass unser Leben davon gar nicht abhängt. Wir merken: In Wirklichkeit brauchen wir so viele Dinge gar nicht.

Und wir stellen fest, dass wir freier sind, als wir glauben. Dass wir freier sein können, als wir uns im Alltag oft wahrnehmen.
Fasten und Verzicht können uns das Gefühl einer größeren Freiheit schenken.

Diese Frage kann also das Zentrum des ersten Akzents bilden: Was hilft mir persönlich, innerlich freier zu werden?

Aber natürlich sind wir alle nur schwache Menschen. Deswegen ist Jesus der vierte Akzent so wichtig. Plustere dich nicht auf mit deinem Verzicht und deiner neu gewonnenen inneren Freiheit. Bilde dir nichts ein darauf, dass du bestimmte Abhängigkeiten für eine Weile hinter dir lassen kannst, dass du auf bestimmte Dinge verzichten kannst!

Damit unser Geist sich nicht verhakt und festhängt an dem mehr oder weniger mühsam Weggelassenen (und wir vielleicht doch viel zu viel daran denken, was uns gerade fehlt), gehört zum Verzicht und zum Fasten unabdingbar das Gebet.


2. Beten – In die Tiefe gehen
Das Gebet kann uns zunächst eine weitere Stufe in die Freiheit führen. Denn durch das Beten wird uns klar, dass wir nicht alles selbst machen müssen. Gebet befreit uns vom Druck, alles beherrschen zu wollen. Im Gebet können wir alles in Gottes Hände legen.

Echte Tiefe.
Saalachtal, Österreich, 2019.
Aber Beten bedeutet noch mehr. Denn unser Verzicht wird durch das Gebet mehr als nur eine Abnehmübung oder eine Probe der eigenen Disziplin. Gebet verwandelt den Verzicht und richtet ihn (und unser ganzes Dasein) auf Gott aus.

Als Menschen, die auf Gott ausgerichtet sind, werden wir feststellen, dass unser Leben weit in die Tiefe reicht. Weiter als wir es in unserem oftmals gebetslosen Alltag für möglich halten. Denn Beten verbindet uns mit dem Grund der Wirklichkeit, der Gott heißt. Durch alle Wirklichkeit hindurch leuchten seine Spuren.

Gebet bedeutet nämlich nicht nur, dass wir mit Gott Kontakt aufnehmen, sondern dass er schon längst mit uns Kontakt aufgenommen hat. Durch alles, was ist, will er uns ansprechen.

Zum Beispiel durch unsere Gefühle. Wenn wir im Gebet darauf achten, welche Gefühle aus der Tiefe unseres Herzens in unser Bewusstsein aufsteigen, dann können wir daraus großen Nutzen ziehen.
Denn Gott möchte uns etwas sagen mit unseren Gefühlen. Auch mit denen, die uns vielleicht zunächst überraschen.
Wenn wir auf sie achten, können wir nicht nur etwas über uns lernen, sondern auch darüber, wie Gott in uns wirkt. Wenn ich beispielsweise die biblische Geschichte von Mose vor brennenden Dornbusch dem meditiere und ich spüre Ärger in mir aufsteigen, weil Gott Mose zu überfordern scheint mit seinem Auftrag, das Volk Israel aus der Gefangenschaft zu führen und dann noch nicht einmal einen brauchbaren Namen nennt, dann kann ich diesem Gefühl des Ärgers über Gott nachgehen. Und in mein eigenes Leben schauen, ob ich dort ähnliche Erfahrungen von Überforderung oder Unverständnis gemacht habe.
Wichtig ist, dass ich diese Gefühle wahrnehme, ernstnehme und mich frage: Welche Erfahrungen sind für mich in diesen Gefühlen wichtig?1

Doch auch das, was Jesus uns einschärft, ist wichtig: Wenn ich feststelle, dass mein hauptsächlicher Wunsch beim Beten ist, dass andere es erfahren und dass ich als frommer Mensch wahrgenommen werde, dann bete ich nicht für Gott und nicht vor Gott. Tue ich es aber, um wirklich mit Gott im Kontakt zu sein, dann verspricht Jesus mir: "Dein Vater, der auch das Verborgene sieht, wird es dir vergelten." (v6)

Allerdings liegt hier eine Versuchung, die uns zum dritten Aspekt des Evangeliums führt: Auch im Gebet kann ich mich einigeln, kann mich in die Versenkung begeben, kann mich ganz ausrichten auf Gott und seinen Willen und mich daran innerlich aufrichten – aber bei all dem meinen leidenden Nachbarn vergessen.

3. Gutes tun – Liebe einüben
Darum gehören zur Fastenzeit nicht nur Verzicht und Gebet, sondern auch Spenden oder Almosengeben. Dann nämlich habe ich nicht nur mich selbst und nicht nur Gott, sondern auch noch meine Nächsten im Blick.

Ein frohes Gesicht trotz Verzicht und ein unsichtbares Gebet sind schon eine gute Sache – aber wenn ich die Fastenzeit nutze, um zu einem mehr liebenden Mensch zu werden, dann hat Gott sein Ziel erreicht.
Er möchte, dass wir seine Mitarbeiter werden, wenn es darum geht, die Welt zu lieben.

Gott ruft uns auf, über unseren eigenen Tellerrand hinauszuschauen, nicht nur, was unsere Abhängigkeiten und unseren Konsum angeht, nicht nur, wenn es um die Kontaktaufnahme mit ihm selbst geht – sondern vor allem, wenn es darum geht, dass wir unser Herz öffnen und die Nöte und Sorgen unserer Nächsten sehen.

Zu all dem lädt uns Jesus im Evangelium ein:
Freier werden durch den Verzicht auf das Entbehrliche, in die Tiefe der Wirklichkeit eintauchen durch das Gebet, die Liebe einüben, indem wir teilen, was wir haben.

Ich wünsche eine gesegnete Fastenzeit!

Wirksame Hilfe nicht liegenlassen!
Im Wald bei Grünheide, 2018.

1   Diesen Gedanken und das Beispiel habe ich aus einem Video von Fr. James Martin SJ zum Thema Gebet, zu finden hier

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