Welche Prioritäten setzt ein
Freiheitskämpfer, wenn er zugleich noch eine Familie hat?
Aus Anlass des 30. Jahrestages der
Freilassung von Nelson Mandela aus seiner Haft am 11. Februar 1990
möchte ich diesen Gedanken aus seiner Autobiographie aufgreifen.
Nach einigen Jahren der Arbeit als
Anwalt und der politischen Tätigkeit in Johannesburg besuchte
Mandela seine Mutter in der alten Heimat und fragte sich, wie er
selbst gesteht "nicht zum erstenmal -, ob es gerechtfertigt
sei, das Wohlergehen der eigenen Familie zu vernachlässigen, um für
das Wohlergehen anderer zu kämpfen."1
Tief eingegraben. Niedergrunstedt, 2017. |
Die Frage wird von ihm erst sehr viel später beantwortet.
Und sein Leben gibt Antwort, was er tatsächlich tat – Mandela kämpfte für die Freiheit der Schwarzen bis dahin, dass er
für lange Jahre ins Gefängnis muss. Zuvor zerbricht noch seine
erste Ehe.
Nun mag jeder seine Prioritäten mit
sich selbst (und ggf. seinen Liebsten) aushandeln, aber mir scheint,
dass nicht zu jedem Engagement und auch nicht zu jedem Temperament
ein intensives Familienleben passt. Jedenfalls wird sich heute nicht
mehr jede Frau so einfach in die zweite Reihe hinter die Karriere
ihres Mannes stellen lassen, wie das noch vor einigen Jahren die
Regel war. Und das ist auch gut so.
In der Konsequenz aber bedeutet das,
dass die gelingende Balance zwischen Familie und Politik wohl eher
auf dem niedrigen Level von Angela Merkel als auf der Spitze bei
Ursula von der Leyen zu finden ist.
Und dass der Zölibat schon rein
pragmatisch durchaus seine Berechtigung hat – für jene, die für
ihre Sache brennen und daneben nichts anderes kennen.
Aber auch sie können, wie Nelson
Mandela nach 27 Jahren Haft, ein mehr oder weniger normales
Familienleben haben.
Ob es jedoch gerechtfertigt ist, für
den wichtigen politischen (oder religiösen) Kampf andere, zuvor
eingegangene Verantwortungen fahren zu lassen, das möge an anderer
Stelle geklärt werden.
1 N.
Mandela, Der lange Weg zur Freiheit. 4. Aufl. Frankfurt a.M. 2000,
294.
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