Die Lesungen des Sonntags sind mal
wieder besonders reich an wundervollen Texten, die noch dazu eine
aussagekräftige Gleichung des Christlichen ergeben.
1. "Auch ich bin nur
ein Mensch" (Apg 10,26)
Die Lesungen aus der Apostelgeschichte
erzählen in der Osterzeit von den ersten Gemeinden und reflektieren
die Verkündigung der Apostel. Im heutigen Abschnitt kommt Petrus
nach Caesarea und der römische Hauptmann Cornelius fällt ihm zu
Füßen.
Petrus antwortet ihm daraufhin: "Steh
auf! Auch ich bin nur ein Mensch."
Der Moment größter religiöser Macht
ist auch ein Moment größter Versuchung. Wie leicht könnte Petrus
sich jetzt, wie er es im Beisein Jesu ja mehrfach tat, groß
aufspielen und zeigen, was für ein toller Kerl er ist, wie
glaubensstark und nah beim Herrn.
Nichts dergleichen tut er hier.
Stattdessen macht er den Unterschied zwischen Mensch und Gott groß
und zeigt sich demütig.
Nur ein Mensch. Auch wenn er vor dem Justizministerium geht. Berlin-Mitte, 2015. |
Diese Haltung stünde uns Christen und
damit "der Kirche" immer wieder gut zu Gesicht – Demut
und Zurückhaltung. Als Gefängnisseelsorger erlebe ich oft, wie hohe
Erwartungen und Hoffnungen an mich herangetragen werden, hier ist
Demut immer wieder wichtig: Wir sind fehlbare Sünder und nur Boten
für Gottes gute Nachricht an die Welt. Das gilt natürlich auch
dann, wenn gerade niemand Christen oder die Kirche lobt oder
besonders ehrfürchtig behandelt.
Konkret: Jedem Gegenüber
signalisieren, dass ich nicht besser bin als er oder sie. Selbst wenn
ich in der Nachfolge Jesu stehe und eine wichtige Botschaft zu
überbringen habe.
2. Sie "konnten es
nicht fassen" (Apg 10,45)
Eine der größten Herausforderungen
für die ersten Juden, die an Christus als den Messias Israels
glaubten, war, ob nun auch Heiden, also Nichtjuden, in die jungen
Gemeinden der Christgläubigen aufgenommen werden sollten.
Die gleiche Szene der Lesung schildert
kurz nach dem Vorfall mit Cornelius, dass der Heilige Geist das
versammelte Haus dieses Proselythen (also gläubigen Heiden)
erfüllte.
Die mit Petrus mitreisenden Juden
"konnten es nicht fassen, dass auch auf die Heiden die Gabe
des Heiligen Geistes ausgegossen wurde."
Dabei hatte Petrus kurz vorher, in
seiner für diese Lesung leider herausgestrichenen Predigt gesagt,
Gott habe ihm geboten, "dass man keinen Menschen unheilig
oder unrein nennen darf." (v28)
Zwei Hammersätze, besonders für sich
streng gebende Gläubige jeglicher Religion: Erster Schritt -
Angehörige anderer Religionen (oder auch ohne Religion) sind niemals
als unheilig zu bezeichnen (selbst wenn manche dies über sich selbst
sagen), die Würde als gottgeschaffene Menschen nimmt ihr jeweiliger
Glaube oder Unglaube ihnen nicht weg. Zweiter Schritt – auch
Nichtchristen (Nichtmuslime, Nichtbuddhisten...) können von Gottes
Geist erfüllt sein. Dazu habe
ich mich hier und hier schon ausführlicher geäußert.
Eins neben dem Anderen: Seht, wie sie einander lieben! Theologische Fakultät der HU, Berlin-Mitte, 2015. |
Konkret: Jedem Gegenüber
signalisieren, dass ich trotz meiner eigenen Überzeugungen offen bin
für Gottes Gegenwart in ihm oder ihr.
3. "Liebt einander!"
(Joh 15,17)
Die Abschiedsreden Jesu im
Johannesevangelium fühlen hinein in die Situation der Christen ohne
die fassbare Anwesenheit ihres Herrn. Eine zentrale Botschaft aus
diesen Anweisungen für die Zeit "danach" ist die
Aufforderung, einander zu lieben, so wie Jesus selbst seine Jünger
als Freunde liebte (vgl. Joh 15,12).
Aus der Freundschaft mit ihm soll also
die Liebe zueinander wachsen: "Liebt einander!" Dass
die Christen beim einen (der Gottesfreundschaft) und beim anderen
(der Nächstenliebe) immer wieder versagen, ist leider traurige
Realität.
Wenn ich die Aussagen oben hinzudenke,
kann aber recht gut klar werden, was das bedeuten kann.
Sich wie Petrus nicht über andere
stellen, aber die eigene Botschaft trotzdem kraftvoll verkünden kann
besonders gut gelingen, wenn ich darauf vertraue (aber auch, wenn ich
es gar "nicht fassen" kann), dass Gott schon immer da ist
und auch bei "den Anderen" wirkt.
Konkret: Sich demütig nicht über den Nächsten
stellen und offen zu sein, dass Gottes Geist in ihm ist, das ist
Nährboden und Ausdruck der Liebe.