Petrus hat es wirklich nicht leicht.
Da ist er nun der Erste aus dem Kreis
der Jünger, der ausspricht, was allen auf den Lippen brennt – und
dann ist sein nächster Schritt gleich ein solcher Patzer!
Der Hergang des Sonntagsevangeliums
(Mk 8,27-35) ist schnell erzählt: Als Jesus seine Jünger fragt, für
wen ihn die Leute halten, zählen sie ein paar Namen auf, die im
Rahmen des religiös Bekannten und Erwartbaren bleiben. Mit der
weiteren Frage, wer er für sie selbst ist, bekommt Petrus seine
Chance: Jetzt kann er zeigen, was er begriffen hat und wie groß sein
Vertrauen in Jesus ist – "Du bist der Messias!"
(v29).
Strom an oder Strom aus? Schwante, 2018. |
Weder bestätigt Jesus dies, noch
widerspricht er dem Bekenntnis. Aber er verbietet ihnen, darüber zu sprechen. Und nicht nur
das: Er stößt auch noch ihre Erwartungen bezüglich des Messias vor
den Kopf, als er ihnen erklärt, dass er leiden müsse und getötet
werde. Das kann Petrus nicht gut haben – er macht Jesus
Vorhaltungen, was das denn bitteschön solle.
Jesus seinerseits stößt ihn nun
zurück und spricht Petrus ab, Gottes Willen wirklich zu erkennen.
Der Clou dieses genialen Textes ist
seine Allgemeingültigkeit. Denn mit dem Konflikt zwischen Petrus und
Jesus spießt er ein grundsätzliches Problem vieler religiöser
Menschen auf.
Denn das Problem des Petrus besteht ja
nicht darin, dass er mit seinen Vorstellungen über den Messias
falsch liegen würde. Das geht den anderen Jüngern sicher auch so.
Sein Fehler liegt vielmehr darin, dass
er nicht wahrhaben will, wie seine religiösen Vorstellungen auf den
Kopf gestellt werden und dagegen ankämpft.
Er bekennt Jesus also als den Messias
Gottes und will seinem Erlöser dann Anweisungen erteilen, wie
die ganze Sache nun zu laufen habe.
Hier erweist sich der Text als ein
Stück fundamentale Religionskritik.
Unser menschlicher Widerstand gegen
das, was wir religiös in unseren Glaubensvorstellungen nicht
zusammenkriegen, wächst sich bekanntermaßen immer mal wieder zu
Gewalt aus. Eine starke Glaubensüberzeugung und der Unwille, davon
abzuweichen, gehören nunmal oft zusammen. Es ist ja auch nur
logisch, dass man nicht sofort aufgeben will, was man als
(vermeintlich) richtig erkannt hat.
Aber wenn Religion die Kommunikation
mit dem je größeren Gott ist, dann müsste eine ihrer Eigenschaften
die Offenheit für die Selbstüberschreitung sein. Anders gesagt: Der
je größere und immer andere Gott muss in unseren religiösen
Vorstellungen eine Leerstelle schaffen, die Transzendenz erst
wirklich möglich macht. Sonst wird unser Bekenntnis hohl.
Leider sind gerade die religiösen
Menschen oftmals weit davon entfernt, Gott diesen Freiraum zum
Anderssein zu lassen. Und auch andere Menschen haben es nicht immer
leicht, wenn religiöse Bedenken ihnen im Wege stehen. An dieser
Stelle ist die Rede von der Toleranz als christlicher Tugend (im
Gegensatz zu vielen anderen Gelegenheiten, wo sie bemüht wird)
einmal richtig.
Jesu finale Aufforderung: "Wer
mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst" (v34)
läßt sich in dieser Lesart des Evangeliums verstehen als Auftrag
zum Aufgeben festgefahrener und fundamentalistischer eigener
Vorstellungen vom Christsein. Und als Aufruf, sich die innere
Freiheit für den je größer liebenden Gott zu bewahren.
Entscheidend ist, was drunter steckt. Dresden, 2017. |