Dienstag, 6. August 2019

Die ultimative nichtsubstanzbasierte Bewusstseinserweiterung

Wir hören heute von einer radikalen Bewusstseinserweiterung der Jünger Jesu (Lk 9,28b-36).
Wenn sie vorher noch im Zweifel waren, um wen es sich bei ihrem Meister handelt, sind sie nach diesem Erlebnis (seiner "Verklärung") einen Riesenschritt weiter.

Eine Bewusstseinserweiterung kann sich auf verschiedene Weisen ereignen:

Grundstürzende Veränderungen wie eine neue Partnerschaft oder die Geburt der eigenen Kinder sind vielfach Auslöser dafür, sich neu mit sich selbst und der eigenen Sicht auf die Welt auseinander zu setzen.

Neues Licht auf die Dinge!
Wildau, 2019.
Oftmals wird die mentale Perspektive aber auch durch eine Krise erweitert – vielleicht bin ich plötzlich gezwungen, auf eigenen Beinen zu stehen und mich nicht mehr auf meiner Partnerin oder meinen Eltern auszuruhen. Vielleicht habe ich einen Job verloren oder eine Wohnung. Oder ich bin im Gefängnis gelandet.

Natürlich kann man auch bestimmte bewusstseinserweiternde Substanzen einnehmen und sein Bewusstsen auf diese Weise erweitern.
Einige der Inhaftierten, mit denen ich im Kontakt bin, kennen sich da sicher besser aus als ich.

Aber nicht immer ist es mir angenehm, eine gesteigerte Sinneswahrnehmung oder ein erweitertes Bewusstsein zu haben.
Denn manchmal will ich ja auch gar nicht so genau wissen, was mit mir los ist und warum ich in einer stressigen Situation zum Beispiel so krass reagiere. Nicht umsonst gibt es auch genügend Substanzen, die den Kopf vernebeln und manche Einsichten und Erinnerungen gar nicht erst aufkommen lassen sollen.

Was die Jünger im Evangelium aber erleben, ist etwas Besonderes.
Denn wenn sonst beispielsweise eine Krise zum Auslöser eines erweiterten Bewusstseins wird, so erfolgt die Erweiterung des Bewusstseins in diesem Fall VOR der Krise. Genauer gesagt: Bevor Jesus stirbt, sehen die Jünger, wer er wirklich ist. Bevor sie sich nach seinem Tod traurig abwenden, bekommen sie schon eine Ahnung, was da noch kommen kann.

Eine weitere Besonderheit ist, dass sich die Jünger nicht selbst als besonders klar oder besonders schlau erleben, wie das bei manchen Substanzen ja auch vorkommen soll, sondern gerade umgekehrt: Hier können sie ihren Lehrer Jesus völlig neu erleben und sehen, wie wunderbar er ist. Petrus dagegen gibt kein besonders gutes Bild ab (vgl. v33).
Keine Hütten?
Wildau, 2019.

Wenn man es genau betrachtet, dann haben die Jünger zweierlei erlebt: nicht nur, wie Jesus sich verwandelt hat, sondern außerdem noch, wie Gott Jesus sieht.

Damit haben sie die ultimative Bewusstseinserweiterung: Aus Gottes Sicht sehen. Mit seinem Blick auf Jesus schauen und ihn sehen als der, der er ist: Der auserwählte, der geliebte Sohn (vgl. v35)

Erst viel viel später werden sie merken, dass Jesus sie in diesen liebenden Blick Gottes hineinziehen wollte. Erst dann wird ihnen klar, dass sie durch ihren Weg mit Jesus selbst gemeint sind als Kinder Gottes. Paulus ruft es der römischen Gemeinde zu: Ihr seid doch keine Sklaven geworden, sondern
"ihr habt den Geist der Kindschaft empfangen, in dem wir rufen: Abba, Vater!" (Röm 8,15)

Das wäre die Vollendung dieser Bewusstseinserweiterung auch in uns – dass wir nicht nur Jesus als Gottes Sohn erkennen, sondern uns selbst als Gottes geliebte Kinder.