Hätten wir uns
länger gekannt, hätte ich vielleicht gewagt, ihm zu gestehen, was mich da
wirklich fesselte: die Möglichkeit, ein Leben voller Fehler und Peinlichkeiten,
Halbheit und Unaufrichtigkeit in einem einzigen Moment zu einem guten zu machen
- und zwar durch ein Bekenntnis, das man vorher oft verraten hatte und, lebte
man weiter, wieder verriete, das aber durch den Tod zum letzten und einzig
wichtigen wurde. Alles, was man gewesen war, schmolz in diesem letzten Punkt
zusammen, der gegenüber der Vergangenheit dann allein zählte. Viele Jahre
verfehltes Leben erhielten durch das Martyrium jenes positive Vorzeichen, das
alles in Heiligkeit verwandelte."[1]
Wir hören es nicht so gern, dass auch die Heiligen
Menschen waren. Denn Heiligkeit klingt nach Perfektion und Fehlerlosigkeit.
Feststehen am Strand? Pomorze Zachodnie, 2019. |
Martin Mosebach hat für sein Buch "Die 21",aus dem das Eingangszitat stammt, eine
Reise nach Oberägypten unternommen, in die Heimat der 21 vom IS am lybischenStrand enthaupteten Christen (fast alle Kopten).
Herausgekommen sind
Reflexionen, Reisebeschreibungen, theologische Bekenntnisse und, wie in diesem
Fall, fiktive Dialoge, in denen er das Martyrium von verschiedenen Seiten
beleuchtet.
Mosebach weiß, dass die dort bestialisch Ermordeten keine
besonderen Menschen waren. In der Regel waren sie wenig gebildet, provinziell, von
alltäglichen Sorgen gequält, vielleicht noch nicht einmal besonders
glaubensfest.
Aber im entscheidenden Moment ihres Lebens, nur Minuten
vor ihrem Tod, haben sie sich zu ihrem Glauben an Jesus Christus bekannt.
Dieses Bekenntnis, das ihnen den Tod brachte, versammelte ihr ganzes Leben auf
einem Punkt.
Edith Stein, die heutige Tagesheilige, ist als Martyrerin
gestorben, sie wurde von den Nationalsozialisten in Auschwitz-Birkenau ermordet.
Ob sich jemand an ihren Kampf für Frauenrechte erinnern
würde ohne dieses Martyrium? Ob ihre philosophischen Traktate zur Einfühlung,
ihre Übersetzungen der Werke des Thomas von Aquin, ihre theologischen Gedanken
zu Johannes vom Kreuz, ob ihre Bekehrung und ihr Brief an den Papst, mit dem
dringenden Appell, sich für die Juden einzusetzen, heute noch irgendeinem Menschen bekannt wären, wenn sie nicht in Auschwitz umgebracht worden wäre?
Wir wissen es nicht.
Wir kennen auch die Halbheiten und inneren Begrenztheiten
ihres Lebens nur wenig.
Was wir jedoch wissen, ist, dass auch sie im entscheidenden
Moment nicht fortgelaufen ist. Und dass ihr Leben und ihr Sterben, ihr Tod und
ihr Weiterleben im Gedächtnis vieler Gläubiger, so wie bei den 21 ägyptischen
Martyrern, beleuchtet wird von ihrem Martyrium in den Spuren Jesu.
Ein Leuchten, das alles andere schmelzen lässt.
Gott unserer Väter,
du hast die heilige
Märtyrerin Teresia Benedicta (Edith Stein)
zur Erkenntnis
deines gekreuzigten Sohnes geführt
und in seine
Nachfolge bis zum Tod gerufen.
Auf ihre Fürsprache
lass alle Menschen
im Gekreuzigten den
Erlöser erkennen
und durch ihn zur
Schau deiner Herrlichkeit gelangen.
Darum bitten wir
durch ihn, Jesus Christus unseren Herrn.
(Tagesgebet
am Fest)
[1]
M. Mosebach, Die 21. Eine Reise ins Land der koptischen Martyrer. Reinbek bei Hamburg 2018, 43f.