Samstag, 31. August 2019

Eingeladen ... glaubenslos? Zwei Gedichte zum Sonntagsevangelium

Das Sonntagsevangelium (Lk 14,1.7-14) spricht davon, dass wir Eingeladene sind und wie wir uns als solche verhalten. Ein Kernstück lautet:

"Wenn du von jemandem zu einer Hochzeit eingeladen bist, nimm nicht den Ehrenplatz ein!
Denn es könnte ein anderer von ihm eingeladen sein, der vornehmer ist als du, und dann würde der Gastgeber, der dich und ihn eingeladen hat, kommen und zu dir sagen: Mach diesem hier Platz!
Du aber wärst beschämt und müsstest den untersten Platz einnehmen.
Vielmehr, wenn du eingeladen bist, geh hin und nimm den untersten Platz ein, damit dein Gastgeber zu dir kommt und sagt: Mein Freund, rück weiter hinauf! Das wird für dich eine Ehre sein vor allen anderen Gästen.
Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, und wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
" (Lk 14,8-11)

Dazu zwei Gedichtassoziationen.

1. Einladung von Rose Ausländer1
Alle sind geladen!
Grünheide, 2019.

Auf dem Tisch
Äpfel und Wein
Blumen zerbrechliche Farben

Du bist eingeladen

Ich wohne im Haus
Nummer Null

Den Duft malte Monet
Äpfel gereift bei Cézanne
den Wein brachte die Flaschenpost

Ich wiederhole
du bist herzlich
eingeladen

Die Lyrikerin nimmt im Vergleich zum Evangelium die gegenüberliegende Perspektive ein, jene des Einladenden. Zwar spricht auch sie den Eingeladenen an, doch der Ton ist ein gänzlich anderer: Während Jesus klare Anweisungen zum richtigen Verhalten gibt, hat das Gedicht einen ruhigen und herzlichen Ton.
Durch die Nennung der konkreten Gegenstände tauchen Bilder eines stillen Raumes auf, liebevoll vorbereitet mit einfachen Mitteln; etwas Kostbares wird mir angeboten, und es braucht die innere Bereitschaft, es als kostbar – und zerbrechlich – zu erkennen.
Wenn ich auf solche Weise eingeladen werde, komme ich ganz von selbst runter, bin ich von ganz allein zurückhaltend und versuche selbstverständlich, der Einladung auch innerlich zu entsprechen. Ich drängele mich nicht vor, gieße mir nicht selbst hastig ein und verschlinge einen Apfel, sondern werde ruhig.
Vielleicht haben wir Christen diesen Ton bisweilen verlernt. Vielleicht fordern wir zuerst und lassen zu sehr die moralisch aufgeladene Härte, die in Jesu Worten auch zu finden ist, in den Vordergrund treten.
Die Lyrikerin kann einen wirklich einladenden Ton in Erinnerung rufen.

2. Bäume ohne Glauben von Jan Twardowski2

Bescheidene Trauben.
Schwante, 2018.
Die Bäume im Spalier alle ohne Glauben
die Vögel ohne jeden Religionsunterricht
der Hund der selten in die Kirche geht
wissen wirklich nichts
und doch sind sie so gehorsam

den Insekten unter der Rinde ist das Evangelium fremd
sogar der kleine Kümmel ganz leise am Rain
der gewöhnlichste Feldstein
die krumme Träne im Gesicht
wissen nichts von den Franziskanern
und doch sind sie so arm

meine Predigt wollen sie nicht hören die gerechten Sterne
die ersten besten Maiglöckchen nah also einsam
alle gelassenen Berge die geduldig sind wie der Glaube
die Lieben die einen Herzfehler haben
und doch sind sie immer so rein

Die von Jesus angemahnte Demut, so scheint Twardowski sagen zu wollen, ist eine natürliche Gabe, die wir überall in der Natur sehen können. Wir müssen sie in unseren menschlichen Beziehungen nur zulassen.
Besonders spannend finde ich: die Haltungen von Gehorsam, Armut, Reinheit (nach kirchlicher Tradition Evangelische Räte, die besonders Ordensleute beherzigen), aber auch von Demut und Bescheidenheit sind nicht an religiöse Vollzüge oder Glaubenswissen gebunden.
Vielleicht sind gerade Menschen, die sich als religiös verstehen, anfällig für die Versuchungen, sich ganz nach vorn zu setzen, durch die vermutete Nähe zu Gott die Nase etwas höher zu tragen, und nach guten Plätzen in der Riege der Frommen zu gieren.
Der Lyriker und Priester ruft dagegen zur wirklich gottgefällig-bescheidenen Einfachheit.




1   In: R. Ausländer, Aschensommer. Ausgewählte Gedichte. Köln 1977, 129.
2   In: J. Twardowski, Bóg prosi o miłość. Gott fleht um Liebe. Ausgewählt und bearbeitet von Aleksandra Iwanowska. Krakau 2000, 71. Das polnische Original lautet:
Drzewa niewierzące

Drzewa po kolei wszystkie niewierzące
ptaki się zupełnie nie uczą religii
pies bardzo rzadko chodzi do kościoła
naprawdę nic nie wiedzą
a takie posłuszne

nie znają ewangelii owady pod korą
nawet biały kminek najcichszy przy miedzy
zwykłe polne kamienie
krzywe łzy na twarzy
nie znają franciszkanów
a takie ubogie

nie chcą słuchać mych kazań gwiazdy sprawiedliwe
konwalie pierwsze z brzegu bliskie więc samotne
wszystkie góry spokojne jak wiara cierpliwe
miłości z wadą serca
a takie wciąż czyste


und findet sich beispielsweise hier.

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